Pink Floyd Gitarrist David Gilmour ging zurück nach Pompeji, um eines der beeindruckendsten Film- und Soundspektakel der letzten Jahre zu zelebrieren. Heraus kam mit David Gilmour Live At Pompeii eine fantastische CD /Blue-ray, die LowBeats Autor Claus Dick für uns von der ersten bis zur letzten Minute durchhörte und durchsah. Sie gefiel ihm einfach sehr gut. Hier ist sein Bericht:
„Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wer auf der Suche nach unseren Spiel-Plätzen auf das Amphitheater in Pompeji kam. Ich sagte fein – aber das wird doch nie klappen,“ erinnert sich David Gilmour an das Brainstorming für imposante Live-Bühnen – darunter auch der Circus Maximus in Rom – auf seiner „Rattle-That-Lock-Tour“. Doch der Bürgermeister der süditalienischen Stadt am Golf von Neapel fand’s gut und gab sein OK für das monumentale zweitägige Event: David Gilmour Live At Pompeii, in jenem 90 Jahre vor Christi Geburt erbauten Amphitheater, das 169 Jahre später beim gewaltigen Ausbruch des nahen Vulkans Vesuv unter Asche begraben wurde. Der Clou: Der Gitarrist und Sänger war hier schon einmal. Vor 45 Jahren.
Für die verwitterten Mauern und steinernen Sitzplätze des historischen Bauwerks sind ein paar Dekaden nur ein Hauch im Wind. In Zeitrechnungen epochaler Rockbands zählen 45 Jahre dagegen einiges. Denn wer blickt schon zurück auf solch eine immense Zeitspanne kreativen Musikschaffens. Und auf ein Ereignis, das exakt so viele Jahre zurücklag und Gilmour 2016 zurück nach Pompeji führte.
Der Pink-Floyd-Mann und zeitweiliger Kopf der Psychedelic-Rocker trat im Oktober 1971 als Gitarrist und Sänger der Band im Konzertfilm Pink Floyd: Live At Pompeii mit seinen damaligen Musikerkollegen Roger Waters (Bass- und Rhythmusgitarre, Gongs), Richard – Rick – Wright (Hammond-, Farfisaorgel, Piano, Leadvocals auf „Echoes“) und Nick Mason (Drums, Perkussion) auf. Adrian Maben drehte den Konzertfilm damals ohne Publikum. Nur die Geister der Vergangenheit lauschten Songs wie „A Saucerful Of Secrets“ oder „One Of These Days“, übrigens dem einzigen Song des damaligen Events, der es auch 2016 wieder nach Pompeji schaffte. „Damals hatten wir eine 8-Spur-Bandmaschine dabei. Erstaunlich, was wir da rausholen konnten,“ erinnert sich Gilmour.
Für ihn ist es ein magischer Ort. Und im Juli 2016 sollte das für die alten Römer als „Spectaculum“ genutzte Bauwerk zum lebendigen Ort eines neuen Spektakels werden. David Gilmour Live At Pompeii: Ein Konzert unterm Sternenhimmel, majestätisch beobachtet vom Vesuv, kreiert aus brodelnden Sounds, heißen vertrauten (Pink-Floyd-) Rhythmen und vielen Kreativausbrüchen, auch dank der fantastischen Begleitband.
Gilmours Ehefrau Polly Samson, BBC-Journalistin und Songwriterin (auch für Pink Floyd) war neben Regisseur Gavin Elder, der bereits Live In Gdansk bediente, als Kreativchefin für den Film-Look von David Gilmour Live At Pompeii mit verantwortlich. Gedreht wurde in 4K mit Dolby Atmos-Sound.
Die Zuschauer konnten neben dem Bühnenspektakel auch Animationsfilme auf einem riesigen runden „Cyclorama-Screen“ verfolgen und sich von Laser- und Pyrotechnik berauschen lassen. Und beim Opener „Rattle That Lock“ versucht der Vulkan Vesuv, sanft ins Abendrot zu entschwinden. Fast schon kitischig. Aber nur fast.
Ein historisches Event zudem, denn angeblich fand im Amphitheater zu Pompeji seit vielen Jahrhunderten keine Publikumsvorstellung mehr statt.
Die Musik von David Gilmour Live At Pompeii
Doch zur Musik. Die Begleit-Crew besticht durch ein hohes Maß an Perfektion, Gespür, Intuition und Spielgeist: Stones-Live-Keyboarder Chuck Leavell, die drei herrlich stimmgewaltigen Background-Chor-Engel Bryan Chambers, Lucita Jules und Louise Clare Marshall, Präzisionist Guy Pratt (Bass, Doppelbass, Vocals), Steve DiStanislao (Drums, Vocals), Chester Kamen (Gitarre und Vocals), Greg Philinganes (Keyboard, Vocals) und Joao Mello (Saxophon und Gitarre).
Der 71-jährige Meister selbst gibt sich herrlich unprätentiös – im schwarzen T-Shirt – und anders als beim Pompeii-Gig von 1971 ohne Publikum, wo er als langmähniger, blonder Jüngling mit nacktem Oberkörper die Gitarren bediente und ins Mikro hauchte.
Wie gesagt, fand lediglich „One Of These Days“ von der 71er-Session auf die 2016er-Bühne. Dafür aber mächtig: Die Band formt daraus ein galaktisches Space-Rock-Stück mit hüpfend-ploppendem Bass, der sich quasi als akustisches Icon im dramatisch aufwallenden Sound einschleicht und aufbäumt.
David höchstselbst bedient dazu das Perkussions-/Becken-Schlagwerk mit sichtlicher Freude, um dann seine Slide zu malträtieren und ihr allerlei harsche Töne zu entlocken. Das zauberhafte Background-Trio haucht „The Great Gig In The Sky“ auf wunderbare Weise Leben ein und transformiert das Stück klug in die Jetztzeit; wohl dosiert, stimmstark, hoch, höher, noch höher, in schöner Anlehnung an das Original aus Dark Side Of The Moon, aber doch mit neuen Facetten angereichert.
Die Drei überzeugen auch „In Any Tongue“ sehr. „Run Like Hell“ motzt sich mit psychedelisch-experimentellem Gekratze und Geschwurbele an der Gitarre auf, während „Time / Breathe“ vor Power nur so strotzt und in Echtzeit Gänsehautfeeling erzeugt.
„Wish You Were Here“ fordert das Publikum – klar – zum Mitsingen auf, ein Feeling in etwa wie bei Westernhagen bei „Freiheit“ in einer deutschen Live-Arena. Leider zieht der Keyboarder ein paar hotelbar-mäßige Tasten-Girlanden zu viel um die Kult-Melodie, was ja bekanntlich auch ein Sir Elton John bei seinen Auftritten gerne mal macht, jedoch etwas lasch wirkt.
„High Hopes“ wiederum versöhnt dank seiner finessenreichen, ausgiebigen Neun-Minuten-Version. Und „Fat Old Sun“, vom 70er Album Atom Heart Mother, kommt hier mit einem luftigen Akustik-Touch daher, der von komfortabler E-Power abgelöst wird. „Comfortably Numb“ vom The Wall Album schließlich, kreuzt Bühne und johlende Fans optisch mit rot-grün-blauen Laser-Linien. Die wogenden Rhythmen des Über-Stücks und Gilmours Schlusssolo katapultiert die Songlänge dabei jubilierend-hymnenhaft auf rund zehn satte Minuten.
„Buona notte, grazie mille“ grinst der Brite am Schluss in das antike Rund. Das war’s – ein wahrhaft monumentales Live-Event, das souverän von einer prickelnden Atmosphäre und großer Spielfreude getragen wird.
Die Doppel-CD verströmt diese Note akustisch – mit feinem Raumgefühl und prima Auflösung nebst veritablem Bassdruck. Wegen der einmaligen Kulisse lohnt sich die Blu-ray-Version in diesem Falle zusätzlich.
Übrigens: Laut Rolling Stone soll David Gilmour bereits wieder kreativ geworden sein und einige akustische Notizen für frisches Songmaterial auf sein iPhone gebannt haben. Für den nächsten Great Gig.
David Gilmour Live At Pompeii erscheint bei Columbia / Sony Music – und zwar als Doppel-CD (mit 21 Tracks), Einfach-Blu-ray, Doppel-DVD, Blu-ray + CD Deluxe Edition Boxset (2 CDs und 2 Blu-rays), Vierfach-Vinyl und MP3-Download.
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