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David-Paich
Bei den Adult-/Westcoast-Rockern von Toto erlangte er großen Ruhm. Nun versucht sich David Paich mit seinem ersten Solo-Album – das nicht ganz zufällig nach Toto klingt... (Foto: A. Solca)

David Paich „Forgotten Toys“: das Album der Woche

Songwriter, Sänger, Keyboarder und Arrangeur – und das seit rund fünf Dekaden. David Paich steht wie kaum ein anderer Vertreter des Soft-Rock-Genres der US-Westcoast für absolutes musikalisches Standing, nicht zuletzt als Co-Gründungsmitglied von Toto. Zeit für ein Solo-Album dachte der 68-Jährige – sein erstes: David Paich „Forgotten Toys“ ist unser Album der Woche.

2000 Alben. Andere sprechen sogar von noch viel mehr. Auf so vielen Werken soll David Paich mitgewirkt haben. Angesichts dieser geradezu berauschenden Zahl, die Paichs Plattenfirma aufruft, stutzen wir erstmal. Und wir gestehen, dass wir etwas überfordert sind, das nachzuprüfen zu müssen. Glauben wir es also. Zumindest, dass der 68-Jährige ganz einfach mit zig KollegInnen über Dekaden hinweg Alben aufgenommen hat.

Zählen wir an dieser Stelle ausnahmsweise mal ein paar Karriere-Schmankerln seines Wirkens als Produzent, Arrangeur, Sänger, Keyboarder oder Komponist auf. Da tauchen prominente Namen auf. Joe Cocker, Joan Baez, Diana Ross, Foreigner (auf „Double Vision“!), dann natürlich zunächst vier Alben mit Toto (schreiberisch beteiligt unter anderem an „Rosanna“, „Africa“), dann 1982 „Thriller“ von Michael Jackson, Don Henley, Rodger Hodgson (Supertramp), Quincy Jones, Rod Stewart, Bryan Adams, Pink, Tina Turner, Elton John. Hören wir lieber wieder auf. Der Mann hat ganz einfach ein unglaubliches Standing.

Drei Milliarden Streams, 40 Millionen Tonträger pflastern seinen Karriereweg allein mit Toto. Glorifizieren wir dabei nicht allzu sehr: Denn die Arbeiten mit der Megaband seit den 1990er Jahren konnten den kreativen Anfängen nicht wirklich das Wasser reichen. Dafür setzten die Jungs ihre Songs auf unzähligen, imposanten Live-Shows rund um den Globus packend und variantenreich in Szene.

Die musikalische Ader war David quasi in die Wiege gelegt. Sein Elternhaus war musikalisch und prägte die Talente des kleinen Sprosses. Sein Vater war studierter Musiker und arbeitete unter anderem für die Walt-Disney-Studios, aber auch in der aktiven West-Coast-Jazz-Szene für das Verve-Label. Sowas färbt natürlich ab. Mindestens. Und so hat sich der kleine David zunächst für die väterlichen Noten interessiert. In dessen künstlerischem Dunstkreis lernte er auch den Songwriter Jimmy Webb kennen, der im Laufe seiner Karriere später gleich in drei Kategorien Grammy Awards einheimsen sollte – für „Music“, „Lyrics“ und „Orchestration“.

„Ich lernte Jimmy Webb kennen, als ich zehn Jahre alt war, als mein Vater mit ihm arbeitete“, so Paich. „Mein Vater drängte mich zum Songwriting, weil ich die Fähigkeit hatte, Gedichte zu schreiben. Irgendwie erkannte er mein lyrisches Potenzial. Ich trat in Jimmys Fußstapfen, bis 1970 die erst Platte von Elton John herauskam. Das hat meinen musikalischen Weg wirklich gefestigt. Von da an hab’ ich all die großartigen Songs aufgesaugt.

Beinahe zur gleichen Zeit spielten er und sein Kinderkumpel Jeff Procaro als Studiomusiker auf zwei Alben von Steely Dan mit, nämlich auf „Pretzel Logic“ und „Katy Lied“. Das verlieh eine gute Portion Selbstbewusstsein. Zeit also, um eine eigene Band zu gründen, dachten die beiden. Toto war geboren. Und Paich wäre nicht Paich, wenn er nicht parallel zur jungen, sehr erfolgreichen Band auch weiterhin mit KollegInnen Alben einspielte. Und was für welche. „Eine meiner schönsten Erinnerungen ist die Zusammenarbeit mit Michael Jackson auf dem meistverkauften Album aller Zeiten, ‚Thriller’, und die Hilfe beim Arrangieren des Jackson/Paul-McCartney-Duetts ‚The Girl Is Mine’ ist immer noch ein musikalisches Highlight in meiner Karriere.“

Paich hat nach wie vor ein Händchen für prima arrangierte, sonnige Westcoast-Nummern. Markenzeichen: Rhythmus-gebende Pianos und treibende Keyboards, Harmoniegesänge, E-Gitarren, gerne aufjubelnd. Es wurde mal wieder Zeit: Diesmal für sein erstes Solo-Album. Kaum zu glauben, der Mann zählt 68 Lenze. Eigene Songs hatte er schon länger auf der Agenda, Ideen in der Schublade liegen. „Das Album besteht aus Song-Skizzen, die ich schon seit Jahren in meinem Kopf habe“, so Paich. „Es schien, als wäre es an der Zeit, etwas zusammenzustellen. Einige dieser Stücke sind wirklich vergessene Spielzeuge. Es ist schon eine Weile her, dass ich in meinem Studio war und mir diese kleinen Stücke immer wieder angehört habe. Ich entdeckte sie wieder neu und hoffte, die Stücke wie ein musikalisches Puzzle zusammensetzen zu können.“

Klar, dass ein „Solo“-Album nicht allein entsteht. Und so lud David Toto-Kollegen wie Joseph Williams ein, aber auch Steve Lukather als Gitarristen und dann noch Brian Eno, Michael McDonald (Doobie Brothers), Ray Parker Jr. und Don Felder (Eagles) sowie Drummer Steve Jordan von den Rolling Stones.

Die Musik von David Paich „Forgotten Toys“

Für ein rockiges Album geht der Klang hifimäßig in Ordnung – allerdings waren die Erwartungen größer gewesen, angesichts der Möglichkeiten des Musik-Magiers. Die Arrangements sind jedoch top mit einem leichten Hang zum überproduzierten Perfektionismus. Geschenkt. Die Musik erstreckt sich über sieben Tracks, gleicht also eher einer EP als einem ausgewachsenen Album. Auch das verzeihen wir.

Denn Songs wie „Lucy“ packen einen auf eine wundersam nostalgische Weise emotional an. Old-School-80er-Sound, in dem ein jazziges Piano mit Percussion und Vocals-Einsprengseln um die Wette hüpft. Es überwiegen totoeske Sounds – und die wärmen mit sonnigen Refrains und mehrstimmigen Vocals wie „Willibelongtoyou“. „First Time“ scheint von Konzept-Musiker Alan-Parsons mit pulsierend-rockigen Rhythmen gebrandet, während „All The Tears That Shine“ hymnenhaft in den Balladenhimmel abhebt.

David-Paich-Forgotten-Toys-Albumcover
David Paich „Forgotten Toys“ erscheint bei The Players Club/ Mascot Label Group/ Roughtrade als CD, LP oder als Download (Cover: Qobuz)

Unterm Strich ein charmantes Wiederhören mit irgendwie Altvertrautem. Und insofern war es gut von David, erste Soloschritte zu gehen. Wenn auch erst nach 50 Jahren.

David Paich „Forgotten Toys“
2022/08
Test-Ergebnis: 4,1
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.