„Dreh die Stille noch ein bisschen auf“, fordert die First Lady des zeitgenössischen Vocal-Piano-Jazz im Titel ihres neuen Albums – und bestätigt danach alles, was man über ihre Musik schon weiß: Diana Krall Turn Up The Quiet bringt Bar-Jazz der Luxusklasse, samtpfötig-virtuos eingespielt, perfekt produziert: eine würdige CD der KW 21 – umso mehr, als dass Diana Krall hier nicht nur ein Fest der leisen Töne feiert, sondern auch als Bandleaderin selbstbewusst neue Akzente setzt.
Diana Krall scheidet die Geister. Zu schön ist diese Frau, zu perfekt ihr Outfit, zu makellos ihre musikalische Vita. Das kleine Schwarze sitzt wie angegossen und bedeckt ihre endlosen Beine im exakt richtigen Maß, die blonde Mähne ist um genau jenen Hauch derangiert, der verrät, dass diese Lady ihre Zeit keineswegs nur damit verbringt, Kontoauszüge abzuheften oder die neue Ausgabe der „Vogue“ durchzublättern.
Ein irgendwie betontes Dekolleté braucht es da gar nicht mehr, um Männern diese bestimmte, leichte Nervosität einzuhauchen. Solche Erscheinungen kennt man eher aus Filmen: Michelle Pfeiffer, wie sie sich in „Die fabelhaften Baker Boys“ über dem Klavier von Jeff Bridges räkelt oder Lauren Bacall, wie sie in den Filmen von Hollywoods schwarzer Serie in Humphrey Bogarts Detektivbüro betritt.
Auch die Musik der Krall ist irgendwie … verdächtig: Barjazz deluxe, piekfein gestylt, ohne Fehl und Tadel gesungen. Wenn irgendwo in edlen Lounges und teuren Restaurants zu vorgerückter Stunde das Personal die Champagnerflaschen entkorkt und der Abstand zwischen den letzten Gästen am Tisch gen Null zusammenschmilzt: Die Musik von Diana Krall ist meist nicht weit.
All das ruft Kritiker und bisweilen auch Neider auf den Plan. Zu viel Kontrolle, zu wenig echtes Gefühl, keine Hingabe, heißt es immer mal wieder über ihre Musik. Und tatsächlich klingt der Krall-Sound gerne mal ein wenig unterkühlt, fast streberhaft. Hier sitzt jeder Ton, nichts geschieht aus Zufall. Wenn man mal zwei, drei Platten der kanadischen Sängerin gehört hat – am Stück womöglich – relativiert sich der Zauber ein wenig. Aber er kehrt auch wieder zurück. Michelle Pfeiffer und Lauren Bacall lassen einen auch nie wieder ganz los.
Diana Krall Turn Up The Quiet – ein perfekt aufgenommenes Fest
Nun lockt ein neues Album dieser derzeit vielleicht größten Diva des Vocal-Jazz, und für Freunde dieses Genres ist Diana Krall Turn Up The Quiet ein Fest. Das Vergnügen beginnt beim Klang: Dieser audiophilst produzierte Luxussound federt und atmet, ist weder zu höhenhell noch zu basslastig abgemischt und steht konturenscharf in einem klar definierten Raum. Man könnte die übliche Metapher verwenden und konstatieren, dass dieser Klang die Musiker zum Hörer nach Hause ins Wohnzimmer holt, aber es ist eher umgekehrt: Bei Diana Krall Turn Up The Quiet ist der Hörer zu Gast in einem akustisch perfekten Aufnahmestudio.
Stilistisch zeigt sich Diana Krall nach dem Abstecher in Popgefilde mit Wallflower (2015) nun wieder in den vertrauten Gefilden und bringt jenen Stoff aus ihren Anfangsjahren, als sie mit dem Album-Drilling Love Scenes (1997), When I Look In Your Eyes (1999) und The Look Of Love (2001) zur Grammy-dekorierten Sensation und Multi-Millionen-Sellerin des zeitgenössischen Vocal-Piano-Jazz wurde.
Auf dem Programm von Diana Krall Turn Up The Quiet: Evergreens des Great American Songbook wie Cole Porters „Night And Day“, „Dream” von Johnny Mercer oder „Blue Skies“ von Irving Berlin, eingespielt mit einem Ensemble exquisiter Musiker in Fußballmannschaftstärke. Ton für Ton, Silbe für Silbe untermauert Diana Krall hier ihren Rang als First Lady des Genres. Gesungen ist das im bewährten Stil – also kein bisschen gesäuselt, sondern trocken swingend und voll kontrollierter Sinnlichkeit. Ihr Pianospiel dazu: zwar nicht maßstabsetzend, aber wohldosiert und formvollendet – mehr verlangt das Genre nicht.
Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn zugleich verblüfft Diana Krall hier mit neuem Gestaltungswillen. Dem berüchtigten Faible ihres Produzenten Tommy LiPuma für üppige Streicherarrangements setzte sie hier klare, eng definierte Grenzen – kein Vergleich zu den Streicherteppichen, die LiPuma sonst gerne bei Aufnahmen auslegt. So wurde Diana Krall Turn Up The Quiet auch zu einem würdevollen Abschied dieses Grandseigneur der amerikanischen Old-Sschool-Jazzproduzenten – LiPuma starb im März mit 80 Jahren.
Zudem zeigt sich die Krall als eloquente Bandleaderin, die Raum für eine Fülle unterschiedlicher Klangfarben und Musizier-Konstellationen schuf. Gleich drei verschiedene Formationen hört man hier an ihrer Seite. Intim ist die Gangart im kleinen Trio mit Christian McBride (Bass) und Russell Malone (Gitarre); nachzuhören etwa in „Sway“, einem sechsminütigen Schleicher der Extraklasse aus der Feder von Norman Gimbel. Edel der Ton im Quartett mit Anthony Wilson (Git.), John Clayton Jr. (Bass) und Drummer Jeff Hamilton, zu dem noch ein von Alan Broadbent arrangiertes Streichorchester hinzutritt – und in Richard Rodgers „Isn’t It Romantic“, Stefon Harris mit einem feinen Vibraphon-Solo.
Eine echte Überraschung aber ist die Quintettformation mit Gitarrist Marc Ribot, Bassist Tony Garnier, Karriem Riggins (Drums) und Stuart Duncan. Wenn der seine Fiddle so seufzen und schnurren lässt, als wär’ er der Stehgeiger bei einem Wiener Heurigen, besticht dieser Barjazz der Luxusklasse nicht nur mit Perfektion und Emotion, sondern verblüfft – man höre nur „I’m Confessin’ That I Love You“, „Moonglow“ und „I’ll See You In My Dreams“ – mit Witz, Sentiment und balkaneskem Swing.
Turn Up The Quiet erscheint bei Verve/UMG Recordings und ist erhältlich als Audio-CD, Vinyl LP und MP3 Download.
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