Rund zwei Dutzend der weltbesten Gitarrist*innen zwei Abende lang am selben Ort – wo gibt’s das denn? Klarer Fall: bei Eric Claptons “Crossroads Guitar Festival” natürlich. Im September 2019 veranstaltete „Slowhand“ sein längst schon legendäres Gipfeltreffen der Saitenstars zum mittlerweile fünften Mal; nun gibt’s den Mitschnitt als prächtiges Set auf Vinyl LP, CD, DVD und Blu-ray: eine vorweihnachtliche Bescherung der Extraklasse für Fans von Blues, Country, Rock und Blues-Rock. Oder anders herum: Eric Clapton’s Crossroads Guitar Festival 2019 ist unser Album der Woche.
Was gibt es Schöneres für einen Musiker, als auf einem richtig tollen Festival aufzutreten und stundenlang mit hochkarätigen Kollegen ein musikalisches Feuerwerk der Extraklasse zu inszenieren? Nun – auf seinem eigenen richtig tollen Festival zu spielen! Seit 1999 gönnt sich Eric Clapton diesen Luxus in Form seines Crossroads Guitar Festivals – und das nicht nur aus rein musikalischen Gründen: Ins Leben gerufen hat „Slowhand“ dieses Gipfeltreffen der weltbesten Gitarrist*innen aus Blues, Country, Folk und Classic Rock bekanntlich als Benefizprojekt für das 1998 von ihm selbst gegründete Crossroads Centre in Antigua, einer Therapieeinrichtung zur Behandlung von Alkohol- und Drogenabhängigkeit. Nach der gelungenen Premiere im New Yorker Madison Square Garden und der zweiten Ausgabe 2004 im Cotton Bowl Stadium von Dallas versammelt Clapton seither im Drei-Jahres-Rhythmus die crème de la crème der Saitenszene. Lediglich 2016 pausierte man aufgrund einer unglücklichen Verkettung diverser nicht überwindbarer Faktoren – damals war, salopp gesagt, echt der Wurm drin und eine Realisierung schlicht unmöglich.
Umso mehr Spielfreude und musikalische Klasse brachte dann am 20. und 21. September 2019 die fünfte Ausgabe dieses internationalen Gitarren-Gipfeltreffens auf die Bühne. Schauspieler und Musikfan Bill Murray empfing als Gastgeber des Abends ein gut zwei Dutzend Köpfe starkes Line-up, das sich wie ein Who Is Who der Saitenszene liest. Mit dabei im American Airlines Center (AAC) von Dallas: Könner wie Jeff Beck, Robert Cray, Sheryl Crow, Buddy Guy, Sonny Landreth, Los Lobos, Keb’ Mo’, Bonnie Raitt, die Tedeschi Trucks Band oder Jimmie Vaughan – um nur einige der prominentesten Namen zu nennen.
Das liest sich glänzend – und hört sich von Sekunde 1 an auch genauso an, wenn Sonny Landreth das AAC mit einer vorwärtsstürmenden Fassung von „Native Stepson“ vom Start weg auf Betriebstemperatur bringt und ein erstes Feuerwerk auf der Slide Guitar entzündet. Fortan reiht sich Highlight an Highlight – zum Beispiel, wenn der Meister selbst zur Gitarre greift: Zunächst glänzt Clapton akustisch in „Wonderful Tonight“ – hier lauscht das Publikum so ergriffen, dass man wirklich eine Stecknadel fallen hören würde. Munter wird es danach mit „Lay Down Sally“, und beide Male erweist sich Andy Fairweather Low als glänzend disponierter Saitenpartner. Insgesamt siebenmal gibt es den Hausherrn im Verlauf dieses Mitschnitts noch zu hören (die komplette Tracklist gibt es am Ende des Textes) – zu genießen unter anderem mit John Mayer und Doyle Bramhall II, wenn man im Trio eine funkensprühende Version von „Layla“ entfesselt. Oder in dem vor Dynamik strotzenden 1973er-Frühwerk „Badge“ oder in „While My Guitar Gently Weeps“, wenn Clapton sich zusammen mit Peter Frampton tief emotional vor den Beatles verneigt.
Die Highlights von Eric Clapton’s Crossroads Festival 2019
Die weiteren Highlights im Programm? Zu viele, um sie alle aufzuzählen – aber einige besonders spektakuläre Momente müssen an dieser Stelle doch hervorgehoben werden. Da wäre zum Beispiel der musikalische Hochprozenter „Cognac“ von Buddy Guy zusammen mit Johnny Lang. Oder Sheryl Crows Topsong „Every Day Is A Winding Road“ im Duett mit James Bay. Oder das Zusammenspiel des hierzulande vergleichsweise unbekannten amerikanischen Gitarristensängers Clarence Greenwood aka Citizen Cope mit dem immerhin etwas bekannteren Kollegen Gary Clark Jr: Was dieses Duo in „Son’s Gonna Rise“ veranstaltet, ist nicht nur ganz große Saitenkunst, sondern auch ein höchst raffinierter Grenzgang zwischen Blues und Reggae.
Überhaupt Gary Clark jr.: Wer diesen fantastischen Texas-Man aus Austin noch nicht auf dem Radar hat: bitte schleunigst nachholen! Hörtipp: sein 2019er-Album This Land oder die Tracks 34 bis 36 auf diesem Album hier. Einen ebenfalls drei Titel starken Auftritt spendierte die Festivalregie auch dem nicht minder großartigen Jeff Beck, der sich mit einer hochsensiblen Version des Beach-Boys-Songs „Caroline, No“ oder dem stupenden „Big Block“ das Prädikat „schlicht großartig“ verdient.
Erst fast unplugged, dann großartig aufbrausend, servierte Bay in der Mitte des Abends dann seinen Hit „Hold Back The River“, etwas später bringt die famose Lianne La Havas eine tüchtige Portion Soul sowie viel weibliche Grandezza ins Programm. Amerikanische Roots Music auf Topniveau gibt es, wenn Country-Ikone Vince Gill im Quartett mit Albert Lee, Bradley Walker und Bluegrass-Star und Dobro-Gott Jerry Douglas durch eine extrem zurückgelehnte Version von „Tulsa Time“ shuffeln. Und dass Conferencier Bill Murray nicht nur über einen feinsinnig-trockenen Humor, sondern auch über musikalische Qualitäten verfügt, beweist der 70-jährige Altmeister der amerikanischen Bühnenunterhaltung, wenn er zusammen mit Doyle Bramhall II, Susan Tedeschi, Derek Trucks und Jim Keltner den Stooges-Klassiker „I Wanna Be Your Dog“ zum Besten gibt.
Mit Ensemble-Versionen des Prince-Klassikers „Purple Rain“ sowie – Extraklasse! – von Joe Cockers Zwölfminüter „High Time We Went“ als Zugaben schießen der Hausherr und die komplette Mannschaft des zweiten Festivalabends dann endgültig die Lampen im AAC aus – und ernten völlig zu Recht Standing Ovations eines restlos begeisterten Publikums. Alles zusammen: ein knapp vierstündiges Fest für Fans von Blues, Rock, Country und allen erdenklichen Genres amerikanischer Roots Music. Perfekt wird dieser musikalische Genusshappen durch eine prachtvolle Bild- und Tontechnik: Der Klang – bestens ausgesteuert, mit tollem Live-Feeling und dennoch quasi auf Studioproduktionsniveau – erreicht fast audiophile Sphären, und die Bildsprache verzichtet dankenswerter Weise auf jegliche Extravaganzen, sondern konzentriert sich ganz aufs Wesentliche: die erstklassige Musik und die prickelnde Konzertatmosphäre.
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert
Gesamt
Das komplette Tracklisting:
- Introduction
- „Native Stepson“ – Sonny Landreth
- „Wonderful Tonight“ – Eric Clapton & Andy Fairweather Low
- „Lay Down Sally“ – Eric Clapton & Andy Fairweather Low
- „Million Miles“ – Bonnie Raitt, Keb’ Mo’ & Alan Darby
- „Son’s Gonna Rise“ – Citizen Cope with Gary Clark Jr.
- „Lait / De Ushuaia A La Quiaca“ – Gustavo Santaolalla
- „I Wanna Be Your Dog“ – Doyle Bramhall II with Tedeschi Trucks, Band
- „That’s How Strong My Love Is“ – Doyle Bramhall II with Tedeschi Trucks Band
- „Lift Off“ – Tom Misch
- „Cognac“ – Buddy Guy & Jonny Lang
- „Everything Is Broken“ – Sheryl Crow & Bonnie Raitt
- „Every Day Is A Winding Road“ – Sheryl Crow with James Bay
- „Retrato“ – Daniel Santiago & Pedro Martins
- „B-Side“ – Kurt Rosenwinkel with Pedro Martins
- „Baby, Please Come Home“ – Jimmie Vaughan with Bonnie Raitt
- „I Shiver“ – Robert Cray
- „How Long“ – The Marcus King Band
- „Goodbye Carolina“ – The Marcus King Band
- „While My Guitar Gently Weeps“ – Peter Frampton with Eric Clapton
- „Space For The Papa“ – Jeff Beck
- „Big Block“ – Jeff Beck
- „Caroline, No“ – Jeff Beck
- „Cut Em Loose“ – Robert Randolph
- „Hold Back The River“ – James Bay
- „When We Were On Fire“ – James Bay
- „Mas y Mas“ – Los Lobos
- „Am I Wrong?“ – Keb’ Mo’
- „Slow Dancing In A Burning Room“ – John Mayer
- „How Blue Can You Get?“ – Tedeschi Trucks Band
- „Shame” – Tedeschi Trucks Band
- „Is Your Love Big Enough“ – Lianne La Havas
- „I Say A Little Prayer“ – Lianne La Havas
- „Feed The Babies“ – Gary Clark Jr.
- „I Got My Eyes On You (Locked & Loaded)“ – Gary Clark Jr.
- „Pearl Cadillac“ – Gary Clark Jr.
- „Tonight The Bottle Let Me Down“ – Vince Gill with Albert Lee & Jerry Douglas
- „Tulsa Time“ – Vince Gill with Albert Lee, Bradley Walker, Albert Lee & Jerry Douglas
- „Drifting Too Far From The Shore“ – Bradley Walker with Vince Gill, Albert Lee & Jerry Douglas
- „Badge“ – Eric Clapton
- „Layla“ – Eric Clapton with John Mayer & Doyle Bramhall II
Zugaben:
- „Purple Rain“ – Eric Clapton & Ensemble
- „High Time We Went“ – Eric Clapton & Ensemble
- „Going Going Gone“ – Doyle Bramhall II with Tedeschi Trucks Band