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Katie Melua
Katie Melua hat seit ihrem Karrierestart viel erlebt – einen Burnout inklusive. Im Sommer ist sie wieder auf Europatournee und im Juli auch in Deutschland unterwegs (Foto: KBK GmbH)

Interview mit Katie Melua: Das Leben hat mir eine zweite Chance gegeben

Katie Melua wurde 1984 in Georgien geboren. Über Tiflis und Belfast kam sie 1993 mit ihrer Familie nach London, wo sie die „London School for Performing Arts & Technology“ besuchte und ihre Ausbildung 2003 mit Auszeichnung  abschloss. Bereits mit ihrem ersten Album Call Off The Search gelang ihr 2003 der internationale Durchbruch. Unter den Fittichen des englischen Produzenten und Musikers Mike Batt gelangen ihr Hits wie „The closest Thing to Crazy“, „Nine Million Bicycles“ und „If you were a Sailboat“ erreichten Popfans in aller Welt, ehe Katie 2010 durch einen Burn-Out massiv aus der Bahn geworfen wurde. „Danach hat mir das Leben eine zweite Chance geboten“, sagte die heute 35-Jährige. Im Sommer kommt die georgisch-britische Songwriterin für einige Konzerte nach Deutschland – einige neue Lieder inklusive. LowBeats Autor Christof Hammer hatte sie im Gespräch.

Katie Melua im LowBeats Interview

LowBeats: Katie Melua, auf Ihrer kommenden Tournee bilanzieren Sie Ihre bisherige Laufbahn mit einem Best-of-Programm. Drehen wir die Uhr also um rund fünfzehn Jahre zurück: Wie erinnern Sie sich an den Beginn Ihrer Karriere? Sie waren damals eine junge Frau …

KM: … eine sehr junge Frau. Ich war 18, 19 Jahre alt, absolvierte mein letztes Schuljahr und begann, mein erstes Album vorzubereiten. Dann traf ich auf Mike Batt. Er war ein ungemein visionärer Mensch, sprühte vor Ideen und ich liebte die Songs, die er schrieb. Einige meiner Freunde zweifelten damals, ob es eine gute Idee wäre, mit ihm zu arbeiten, weil er so viel älter war als ich. Aber ich habe darüber gar nicht so sehr nachgedacht. Ich war voll musikalischer Leidenschaft, wollte Platten aufnehmen, Erfahrungen als Künstlerin sammeln. Mike war so professionell, besorgte die Tonstudios, brachte großartige Musiker mit … für mich war das eine extrem aufregende Zeit.

LowBeats: Auch heute haben wir turbulente Zeiten; politisch, aber auch in technischer Hinsicht. Man kann inzwischen Platten produzieren, ohne auch nur eine Sekunde mit anderen Musikern zusammenzuspielen – nur, in dem man mit digitalen Soundfiles oder Samples arbeitet. Wann haben Sie bemerkt, dass hier etwas Fundamentales in Bewegung geraten ist?

KM: Für viele Musiker hat sich ganz bestimmt enorm viel verändert, das stimmt. Aber ich bin noch in der glücklichen Lage, mit richtigen Livemusikern spielen zu können. Viele junge Kollegen heutzutage können sich das nicht leisten. Für die sind die neuen technischen Möglichkeiten ein Glücksfall. Samples oder Sounddateien zu verwenden ist deutlich billiger als andere Musiker zu bezahlen. Wobei ich stets die Arbeit mit richtigen Kollegen bevorzuge. Sicherlich ist das schwieriger, manchmal auch eine echte Herausforderung. Aber als Schauspieler fände ich es auch bedeutend angenehmer, mit Menschen zu drehen anstatt mit Animationsfiguren aus dem Computer.

LowBeats: Sie leben seit vielen Jahren in England. Wie nehmen Sie die aktuelle Situation rund um den Brexit wahr?

KM: Die Lage ist tatsächlich sehr eigenartig. Ich habe England noch nie so konfus erlebt wie derzeit. Keiner weiß, wie es weitergehen soll und was das Beste für das Land sein könnte. Mittlerweile beginnt sich die Situation aber eher komisch anzufühlen. Ein Fernsehsender zeigte kürzlich beispielsweise Bilder von einer Parlamentssitzung und unterlegte das mit dem Song „Stuck in the middle with you“ (sinngemäß: „zwischen allen Stühlen dank euch“; Anmerkung der Red.). Aber egal, was politisch kommen wird: Die Verbindung zwischen England und dem Rest von Europa ist sehr stark und hat eine lange Tradition. Mit unseren deutschen Partnern – den Agenturen, Plattenfirmen, Konzertveranstaltern – werden wir auch nach einem Brexit weiter zusammenarbeiten.

LowBeats: Wie nehmen Sie die deutschen Musikfans generell wahr? Spüren Sie Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern, wenn Sie Konzerte geben?

KM: Was mir auffällt: In Deutschland scheint sich das ganze Land für Musik zu interessieren. Wenn ich in England auftrete, umfasst mein Tourplan zirka acht bis zehn Städte. Hier kann ich an viel mehr Orten spielen, die Leute kommen überall zu meinen Konzerten. Und das deutsche Publikum ist sehr treu – für einen Musiker ist das überaus erfreulich.

 LowBeats: Bringen Sie auch neue Songs auf die Bühne?

KM: Ich bin tatsächlich mittendrin im Komponieren eines neuen Albums, im Herbst wollen wir ins Studio gehen und alles aufnehmen. Den einen oder anderen neuen Titel werden wir aber jetzt schon live spielen, das ist eine gute Gelegenheit zu sehen, wie das neue Material ankommt.

LowBeats: Wie offen sind Sie grundsätzlich als Musikerin? Können Sie sich vorstellen, einmal etwas völlig anderes zu spielen als das, was Sie in der Regel produzieren?

KM: Experimentierfreude und Offenheit sind für mich unbedingter Bestandteil künstlerischer Arbeit sein. Wobei Neues in einer Tradition zum bisher Geschaffenen stehen und nicht nur reine Innovation sein sollte. Es gibt eine Fülle an Projekten, die ich gerne machen würde, aber weil ich nur ein Leben habe, muss ich mir gut überlegen, was ich davon umsetzen kann.

LowBeats: Und wenn Sie mit anderen Musikern spielen – zum Beispiel mit Lang Lang wie kürzlich bei der Verleihung der „Goldenen Kamera“: Lernen Sie etwas aus solchen Begegnungen?

KM: Sehr viel. Ich finde es sehr spannend, wie andere Kollegen sich als Künstlerpersönlichkeiten definieren, wie sie denken und fühlen. Mit Lang Lang sprach ich etwa darüber, wie man sich auf Konzerte vorbereitet oder Kompositionen analysiert. Er erzählte, dass er dafür unter anderem in verschiedenen Geschmäckern oder in Farben denkt: erst Rot, dann Blau und so weiter. So etwas finde ich extrem spannend. Es gibt auch viele amüsante Momente – wir haben zum Beispiel über unsere Reisegewohnheiten gesprochen, oft sind wir ja per Tourbus unterwegs. Er mag das überhaupt nicht, weil er während der Fahrt immer in seinem Bett hin- und herrollt. Das liegt daran, dass er im „Star-Bus“ fährt und in einem Doppelbett schlafen kann. Ich habe ihm dann vorgeschlagen, dass er doch eine Koje nehmen solle, so wie die übrigen Crewmitglieder; dann würde er nicht so viel herumrollen.

LowBeats: Generell scheinen Sie ein ruhiger, eher melancholischer Mensch zu sein.

KM: Melancholisch würde ich nicht sagen. Aber als Bühnenpersönlichkeit bin ich eher ruhig und zurückhaltend, das stimmt …

LowBeats: … und wenn Sie von der Bühne gehen, verwandeln Sie sich in eine Rock ’n ‚ Roll-Lady?

KM: Nein, auf keinen Fall. Ich bin zwar sehr optimistisch und begeisterungsfähig, aber bestimmt kein „party animal“. Sicher: Als ich Anfang 20 war, habe auch ich den „Rock ’n‘ Roll-Traum“ geträumt. Aber nachdem ich 2010 krank wurde (Katie Melua erlitt damals einen Nervenzusammenbruch; Anmerkung der Red.), habe ich meinen Lifestyle komplett geändert. Das Leben hat mir damals eine zweite Chance gegeben. Heute bin ich am liebsten draußen in der Natur oder ich lese.

LowBeats: Frau Melua, wir danken für das Gespräch.

Katie Melua & Band live – die Konzerttermine

25.07.19 Stuttgart, Liederhalle
26.07.19 Lauchheim, Schloss Kapfenburg
27.07.19 Trier, Amphitheater
29.07.19 Berlin, Theater am Potsdamer Platz
30.07.19 Dresden, Junge Garde
31.07.19 Leipzig, Parkbühne
29.08.19 Schwerin, Freilichtbühne
30.08.19 Bochum, Zeltfestival Ruhr
31.08.19 Aachen, Kurpark Classix

 

Autor: Christof Hammer

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Seit vielen Jahrzehnten Musikredakteur mit dem Näschen für das Besondere, aber mit dem ausgewiesenen Schwerpunkt Elektro-Pop.