Wo können wir denn einmal so richtig tief die Nase in den HiFi-Rausch stecken? Diese Box mit 10 SACDs bringt das ganz große Stimulans. Alle legendären Aufnahmen des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons. Ganz frisch, ganz heftig: The SACD Recordings.
Wollen wir mal wieder auf das Zehn-Meter-Brett im Freibad und uns ins kalte Wasser stürzen? Unter audiophilen Vorzeichen ist recht frisch eine Box des Bayerischen Rundfunks erschienen. Die Münchner hegen eines der besten Orchester der Welt. Sie müssen weder den Vergleich mit den Wiener noch den Berliner Philharmoniker scheuen. Doch der Name klingt etwas wenig glitzernd, fast beamtlich: das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Doch erst kürzlich haben die Kritiker der Welt das SO des BR zu einem der zehn besten Orchester der Welt gewählt. Ritterschlag.
Was die BRler so singulär macht: Hinter ihnen steht ein mächtiger Apparat. Der Bayerische Rundfunk gibt das Geld – für die Live-Konzerte wie für die Übertragungen und die Aufnahmen. So ist eine mächtige SACD-Box entstanden: der Chef Mariss Jansons dirigiert auf zehn SACDs, von Beethoven bis Schostakowitsch. Über einen Zeitraum seiner Herrschaft von fast zwanzig Jahren. Was der BR bei der Premiere dieser Box nicht wissen konnte: Mariss Jansons ist seinem schwachen Herzen erlegen, tot – jeder Takt dieser Box ist ein Vermächtnis. Das SO des BR ist aktuell auf der Suche nach einem neuen Chef. Ein schwieriges Verfahren. Die alten Herren sehnen sich nach dem Ruhestand. Die mittleren Herren sind vergeben, an die ganz Jungen traut man sich noch nicht, obwohl in Finnland und Russland so einige Stars aufschimmern.
Mariss Jansons The SACD Recordings in der Übersicht
10 wunderbare SACDs umfasst der Schuber:
SACD 1: Ludwig van Beethoven – Symphonie Nr. 9 d-Moll
SACD 2: Johannes Brahms – Symphonie Nr. 2 D-Dur
SACD 3: Anton Bruckner – Symphonie Nr. 7 E-Dur
SACD 4: Anton Bruckner – Symphonie Nr. 8 c-Moll
SACD 5: Joseph Haydn – Sinfonia D-Dur / Overtura / Symphonie G-Dur / Messe für Soli, Chor und Orchester B-Dur „Harmoniemesse“
SACD 6: Gustav Mahler – Symphonie Nr. 5 cis-Moll
SACD 7: Gustav Mahler – Symphonie Nr. 7 e-Moll
SACD 8: Gustav Mahler – Symphonie Nr. 9 D-Dur
SACD 9: Dmitrij Schostakowitsch – Symphonie Nr. 7 C-Dur „Leningrader“
SACD 10: Peter I. Tschaikowsky – Symphonie Nr. 5 e-Moll
In der folgenden Slideshow haben wir alle Basis-Informationen aufgelistet:
Wie auch immer. Man muss der SACD-Box mit Ehrfurcht begegnen. Einerseits angesichts des Lebenswerks von Mariss Jansons. Andererseits als High-End-Freund. Hier hat sich der BR zum letzten Mal zu den Höhen von DSD-Aufnahmen in Multikanal aufgeschwungen. Mittlerweile wird eine Schicht tiefer gegrast. Die jüngsten Live-Mitschnitte der Wagner-Opern von „Rheingold“ und „Walküre“ unter Sir Simon Rattle sind „nur“ in PCM zu haben, zwar bei 24 Bit, aber der Edelhauch der SACD weht nicht mehr, gepresst wird mittlerweile einzig auf der banalen CD. Eine vergebene Chance, lieber BR. Nicht gänzlich verständlich. Schade.
Deshalb wollen wir uns laben und in den letzten SACDs des Hauses baden. Welches ist die Superaufnahme? Da bin ich mal ganz forsch und sage: alle zehn SACDs sind famos. Weil sie eine akustisch neue Welt schaffen. Die meisten Aufnahmen sind in der Münchner Philharmonie entstanden – einem der schlechtesten Konzertsäle der Welt, gefürchtet von vielen Kennern und Dirigenten. Das kann man nicht schönreden. Die Tontechniker des BR blenden ihn aus, sie erschaffen eine vollständig eigene Klangwelt. Nichts hüstelt hier von dem heiklen Nachhall, der wabernden Präsenz, dem Affront gegen die billigen Plätze. Subtext: Viele der hier live mitgeschnittenen Konzerte habe ich selbst in der Münchner Philharmonie erlebt. Es war manchmal zum Weglaufen und teuer und traurig. Aber per SACD klingt es sinnlich, konkret, stark. Noch vor der Leistung der Musiker und des Dirigenten, geben wir die Krone unseres Schallplattenpreises an die Tontechniker.
Geht es noch schlimmer als in der Münchner Philharmonie? Rhetorische Frage. Ja, da ist noch Luft nach unten. Beispielsweise in der Aula Paolo VI im Vatikan. Hier versammelt der Papst seine Schäfchen, sollte es vor dem Petersdom schneien. Und genau hier hat das BR-Orchester ein legendäres Gastspiel vor den Ohren von Benedict gegeben – Beethovens Neunte Symphonie. Ohne arrogant zu wirken – ich war 2007 dabei. Und schauderte. Das Orchester verschwand wie ein Wattebausch in der gewaltigen Halle. Doch die Aufnahme kaschiert die Wahrheit – plötzlich wird alles direkter, es bebt, es pulsiert, Mariss Jansons war deutlich gezeichnet von dem kraftfressenden Aufgebot dieses Ausnahmemoments. Dies live auf Tonträger zu erleben, ist ein Geschenk höchsten Grades.
Der Preis für die Gesamtbox ist erstaunlich human. Die japanischen SACD-Fans würden auch das Vierfache zahlen.
Bewertungen
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