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Martha Johnsons 1984 in Mystery Walk
Lange nichts gehört von Martha & The Muffins. Bringt die Kultband der 80er nun Neues? Bedingt. Aber Where Blue Meets Green hat nichts von der Kraft früherer Werke verloren (Foto: D. Safari)

Martha And The Muffins Where Blue Meets Green

Neues von Martha And The Muffins? Jein: Mit Where Blue Meets Green (Balearic Edits) veröffentlicht das Hamburger Echo-Beach-Label (schon klar, warum die so heißen, oder?) eine Disc der kanadischen Kultband, die ihre Entstehungsgeschichte nicht genau preisgeben will. Macht aber nix; im Gegenteil: Die Musik von Martha And The Muffins Where Blue Meets Green – wie auch das Drumherum – erinnert an eine der großen Bands der frühen 80er-Jahre und bereichert die Martha And The Muffins-Geschichte um ein weiteres Kapitel. Und beschert uns die LowBeats CD der KW 31.

Mit Kultbands ist das so eine Sache. Manche sind so kultig, dass sie wirklich fast niemand kennt, bei anderen versickert die Karriere im Nichts. Wieder andere halten es wie Marlene Dietrich, steigern ihren Mythos durch vollkommene Abwesenheit und veröffentlichen nur alle paar Schaltjahre und in homöpathischen Dosen neues Material.

Die ganz Schlauen – man denke an Kraftwerk – sind irgendwie permanent da, wissen aber genau, dass jede neue Platte ein enormes Risiko bedeuten und den eigenen Mythos gefährden könnte: also verlegen sie sich stattdessen darauf, ihr Oeuvre bestmöglich zu hegen und zu pflegen (respektive zu vermarkten).

Irgendwo dazwischen bewegt sich seit, 20, 30 Jahren die kanadische Band Martha And The Muffins. Als letztes Lebenszeichen von Martha Johnson und Mark Gane erschien 2010 das auf dem Eigenlabel Muffin Music verlegte Album Delicate. Seither: Funkstille.

Das Frühwerk der kanadischen New-Wave-Formation aber hallt unverändert stark nach und inspiriert immer wieder eine neue Generation. Ihr Megahit „Echo Beach“, einer der 20, 30 größten Songs der 80er-Jahre, erschien bereits 1980, darf aber auf keiner Party und Clubnacht fehlen, die sich mit den Themen New Wave oder Synthie Pop beschäftigt, und das brillante dritte Album Far Away In Time mit „This Is The Ice Age“ gehört zu den heimlichen Klassikern dieses unvergleichlichen Jahrzehnts.

Martha Johnson noch auf dem Mystery Walk
1884 wandelte Martha Johnson noch auf dem Mystery Walk (Foto: B. Patchett)

Was Gane und Johnson, die beiden Köpfe dieser Band, heute machen? Ungewiss. Und auch dieses Album lüftet das Geheimnis nicht; vielmehr ist es ein cleverer Schachzug, der den Mythos weiter vergrößert.

Doch der Reihe nach: Hinter Martha And The Muffins Where Blue Meets Green stecken die beiden Soundtüftler Martin „ez“ Fekl und TC Sunshine, und schon über diese beiden M+M-Fans und DJs erfährt man nur wenig.

Italiener seien sie, so heißt es. Die CD selbst gibt kaum weitere Auskünfte: kein Booklet, lediglich Songcredits und ein „edited and focused by Sir Billy, TC Sunshine und Martin „ez“ Fekl als Production Credits.

Nochmals gesteigert wird das Rätsel durch ein Zitat von Mark Gane: „Elastic steam doors and windows with sudden openings and closings short wave comings and goings hallucinogenic snapshots and trippy interludes = very cool“ heißt es im Innensleeve im Telegrammstil – eine sms oder eine Twitternachricht aus dem Nirgendwo, mehr nicht.

Was also gibt es auf diesem Album zu hören? Originalmaterial aus drei Bandjahrzehnten knöpften sich die beiden Soundtüftler Fekl und TC Sunshine für dieses Werk vor und unterlegten 14 ausgewählte M+M-Songs mit Sounds und Beats zwischen Ambient, Chill Out und Dance Musik.

Sind das nun Remixe, Coverversionen, Neubearbeitungen, Reinterpretationen der alten Songs? Von allem ein bisschen – aber auf gelungene Art. Und um es vorwegzunehmen: Nein, es gibt weder „Echo Beach“ noch „Women Around The World At Work“, „Swimming“ oder „One Day In Paris“ zu hören.

Das mag man bedauern, aber damit lenkt diese Disc die Aufmerksamkeit auf weniger bekannte Titel wie „Garden In The Sky“, „By The Waters Of Babylon“ oder „Where Blue Meets Green“ – auch mal nicht verkehrt. Und mit „Dansepark“ und „Black Stations White Stations“ sind zwei der bekannteren Songs aus der zweiten Reihe mit dabei.

„Beschwipste, aufgeheizte, heitere und groovig schwebende Edits zwischen zeitloser Melancholie und dem aufgeplusterten Charme der Achtzigerjahre“ kommentiert das für die Veröffentlichung zuständige Label Echo Beach – und woher die auf Reggae, Dub und Downbeat spezialisierte Firma des Hamburger Music Man Nicolai Beverungen ihren Namen hat, dürfte klar sein.

Was die Musik betrifft, gingen Mr. Fekl und Mr. Sonnenschein sehr behutsam vor. Keine süßlichen Ibiza-Sounds oder plakative Tropical-House-Grooves verunstalten das M+M-Werk, sondern es dominiert ein oft fast kantiger, dann wieder subtil (atmo)sphärischer Mix-Stil. Hier und da ein paar Loops und etwas dezentes Zwitschern und Blubbern, dort Delays, Hall- und Echoeffekte sowie ein paar vereinzelte Reggaebeats und Raggamuffin-Vocals („Come Out And Dance“) – und vor allem eine Reihe sehr prägnanter Breaks – hat das Duo in die Basic Tracks gemischt.

Das lenkt nie von den Themen der Songs, der großartigen Stimme von Martha Johnson und den kantigen, coolen Riffs von Mark Gane sowie dem massiven Sound des damals schwer angesagten Chapman Bass Stick ab und injiziert den Tracks eine raffinierte Spannung. So atmet diese so unterkühlte wie ungemein funky getönte Musik den typischen Style der 80er Jahre und klingt zugleich zeitlos.

Sehr reduziert, öknonomisch und wavig mondän tönt „Where Blue Meets Green“; jederzeit könnten diese Tracks eine Pariser Modenschau von Gaultier beschallen, bei der Grace Jones in einem ihrer extravaganten Outfits über die Bühne schwebt. Mark und Martha: please come back – mit einem Meisterwerk im Stil der frühen Jahre. Dieses Album, schön knochentrocken und präzise abgemischt überdies, macht Lust darauf.

Cover Art Martha And The Muffins Where Blue Meets Green
Ein Cover, das an Bekanntes anknüpft… Martha And The Muffins Where Blue Meets Green (Cover: Amazon)

Martha And The Muffins Where Blue Meets Green (Balearic Edits) erscheint bei Echo Beach im Vertrieb von Indigo und ist erhältlich als CD, Doppel-LP und MP3-Download.

Martha And The Muffins Where Blue Meets Green
2017/08
Test-Ergebnis: 4,0
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Christof Hammer

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Seit vielen Jahrzehnten Musikredakteur mit dem Näschen für das Besondere, aber mit dem ausgewiesenen Schwerpunkt Elektro-Pop.