Das australische Trio Methyl Ethel legt optisch jede Menge falsche Fährten; der obskure Gruppenname tut sein Übriges. Gucken hilft bei dieser Band jedenfalls nicht weiter. LowBeats Musikautor Christof Hammer wurde aber umso neugieriger, was es mit der Formation from Down Under und dem Album mit seinem expressionistischen Frauenakt auf dem Cover auf sich hat – und entdeckte die CD der KW 10. Methyl Ethel Everything Is Forgotten bringt frei mäandernden Elektropop mit dem gewissen Etwas.
Es gibt Menschen, die lesen bei Büchern zuerst die letzten Sätze und entscheiden dann, ob sie das Werk tatsächlich kaufen. Bei dem dritten Album von Methyl Ethel würde diese Vorgehensweise fatal in die Irre führen – der letzte Track auf Everything Is Forgotten heißt nämlich tatsächlich „Schlager“.
Aber auch, wer sich bei Büchern oder Platten an der Optik orientiert, tappt hier zunächst im Dunkeln, denn selbst das Cover mit einem expressionistischen weiblichen Akt schafft zunächst kaum Klarheit. Musiziert hier eine Singer-Songwriterin mit einem Faible für avantgardistischen Kunstpop im Stil von Björk? Oder markiert die Musik von Methyl Ethel vielleicht die Trennlinie zwischen den morbiden Moritaten eines Tom Waits und farbstarkem weiblichen Songwritertum Marke ?
Nichts von alledem: 2013 gründete Sänger und Multiinstrumentalist Jake Webb sein Projekt in Perth als One-Man-Band; nach erfolgreichen Jahren im australischen Underground surfen Methyl Ethel nun mit Chris Wright (Drums) und Thom Stewart (Bass) als Trio durch Dreampop, Indietronics und Alternative Rock.
Methyl Ethel Everything is forgotten: Never judge a book by it’s cover
Mit Falsett, fettem Bass und Tastensounds von Kirchenorgel („Weeds Through The Rind“) bis Synthiepop („Groundswell“) entwerfen Methyl Ethel einen Sound, der in seinen fluffigen Momenten an die Kollegen von Foster The People (remember „Pumped Up Kicks“?) erinnert, bleiben aber immer ein Stück weit unberechenbar.
„Drink Wine“ mit leichtem Human-League-Touch und „Ubu“ bringen prima Stoff für die Indiedisco, „Femme Maison/One Man House“ hingegen entführt mit Steeldrum-ähnlichen Klängen zunächst Richtung Karibik, um gegen Ende in ein noisiges Finale abzubiegen.
Am besten aber ist Everything Is Forgotten stets dann, wenn sich ein guter Schuss manische Getriebenheit ausbreitet – etwa in dem furiosen Elektropop-Feger „L’Heure des Sorcières“, der genau die richtige Prise Lärm in den Sound mischt. Auch „Hyakki Yakō“ klingt mit nervös wabernden Elektrosounds, leicht sperrigen Riffs und scheppernden Beats anregend hintergründig und untergründig.
Vierter Mann im Boot bei diesen elf Tracks war übrigens James Ford, der als Produzent von beispielsweise Florence And The Machine, den Arctic Monkeys oder den Last Shadow Puppets eine deutlich erfolgreichere Karriere absolviert denn als Musiker – an seine Bands Indie- bzw. Dancerock-Bands Simian bzw. Simian Mobile Disco dürften sich nur intimere Kenner der englischen Musikszene erinnern.
Ach ja, bleibt noch der vermeintliche Schlager des Albums: „Schlager“ lässt diese rund 42 Minuten mit einem relaxten Dialog aus Gitarren, Elektronik und Dancefloor-Beats angenehm sphärisch und fast beschwingt ausklingen.
Methyl Ethel Everything Is Forgotten erscheint bei 4 AD im Vertrieb von Beggars/Indigo und ist erhältlich als Audio-CD, als Vinyl P + Download-Code und als MP3-Download.
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