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Midnight Oil
Midnight Oil, die Down-Under-Band um Peter Garrett, hat erneut zugeschlagen. "Resist" ist unser Album der Woche (Foto: R: Hambling

Midnight Oil „Resist“ – das Album der Woche

1a-Alternative-Rock, klare gesellschaftspolitische Ansagen, großes Ohrenkino: Die Aussie-Band Midnight Oil entflammt mit ihrem neuen Album „Resist“ ein packendes, engagiertes Werk mit großem Spaßfaktor. Unser Album der Woche.

Australien. Unendliche Weiten. Vor allem an den hell leuchtenden Sandstränden des Pazifiks. Wir schreiben das Jahr 1971. Drei Jungs, Gitarrist und Keyboarder Jim Mogine, Drummer Rob Hirst und Bassist Andrew James bespielen die Surfer der Aussie-Küste und heizen auf Uni-Parties mit Coverversionen von Led Zeppelin oder Cream ein. Als 1976 der Jura-Student Peter Garrett als großer, schlaksiger Leadsänger der Band mit seiner unerhörten Nölstimme beitrat, ging die Post richtig ab mit eigenen Songs – unter dem Bandnamen Midnight Oil. Eine Assoziation zum Hendrix-Song „Burning Of The Midnight Lamp“, was auf arbeitsreiche Nachtschichten hinweisen soll.

Midnight Oil
Outback-Rocker: Das Down-Under-Quartett Midnight Oil lässt’s auf Album Nummer 13 wieder klug und melodienverliebt krachen (Foto: D. Distortion)

In ihrer frühen Zeit brannten die „Oils“ noch für klug arrangierte Punk-Überfälle, später auch für kantigen Prog-Rock und fanden schließlich mit ihrem eigenständigen Alternative-Rock ihren Platz in der globalen Musikszene. Auch deshalb, weil die Jungs in ihren Texten kein Blatt vor den Mund nahmen (und nehmen) und gesellschaftliche wie politische Missstände lautstark aufzeigten. Und sich auch persönlich für die Rechte der australischen Ureinwohner, Umwelt- und Klimaschutz einsetzten – bissiger als manche ihrer KollegInnen im Weichspül-Weinerle-Modus. Peter Garrett schaffte es sogar zum Minister für Umwelt, Kulturerbe und Kunst sowie zum Ministeramt für schulische Bildung, Kinder und Jugend.

Ein Event charakterisiert die politische DNA der Band: Zur Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2000 in Sydney traten sie in schwarzen Sweatshirts mit der Aufschrift „sorry“ auf – eine öffentlichkeitswirksame Aufforderung an dem damaligen Premierminister John Howard sich endlich für das geschehene Unrecht an den Aborigines offiziell zu entschuldigen.

Zu ihren früheren Top-Alben zählen beispielsweise „10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1“ von 1983. „Diesel And Dust“ mit dem Hit „Beds Are Burning“ von 1987 steht auf der Liste der „100 Best Australian Albums of All Time“ sowie das klasse Album „Blue Sky Mining“ aus dem Jahr 1990, das ich als Jung-Journalist in der Musikredaktion von stereoplay bei Matthias Inhoffen und Frank Erdle rezensieren „durfte“: „Wir wählen eine Regierung mit Äxten in den Augen, wir füttern eine Wirtschaft, die Blut an ihren Händen hat. Der Fluss färbt sich rot, schwarzer Regen fällt. An einem Ort auf der Welt muss das Wasser wenigstens noch natürlich und klar bleiben“, so Garrett damals.

Heute fügt er hinzu: „Wir wissen alle, dass die Zeit nicht stillsteht. Aber nach vielen gemeinsamen Jahren ist der Bandspirit immer noch so stark wie unsere Musik und unsere Worte. Unsere Ideen und Aktionen sind so spektakulär, wie es uns möglich ist. Wir haben die Menschen auf Wegen erreicht, die wir uns nie hätten vorstellen können. Unser Drang, kreativ zu sein und unsere Stimme zu erheben, ist ungebrochen. Wir hoffen, dass jeder, der ‚Resist’ hört oder eine der Shows besucht, sich um die Zukunft unseres Planeten Gedanken macht. Wir sind jede Tour so angegangen, als wäre es unsere letzte – und dieses Mal ist es wirklich so weit.“ Ein Hinweis darauf, dass die Jungs es künftig etwas ruhiger angehen möchten. Jim Mogine ergänzt jedoch: „Man könnte es eine Abschiedstournee nennen, aber Midnight Oil werden in irgendeiner Form weiter existieren. Denn wir sind Brüder, wir sind eine Familie.“

2017 feierte die Band nach 18 Jahren Pause ihr Comeback mit dem energiegeladenem „The Makarrata Project“, das in Australien die Chartspitze erklomm – im traurigen Schatten vom Tod des langjährigen Bassisten Bones Hillman. Nun folgen mit „Resist“ weitere zwölf Songs der damaligen Studiosessions.

Die Musik von Midnight Oil „Resist“

Für ein Rock-Album beeindruckt der Klang mit verblüffender Durchhörbarkeit und Differenziertheit, prima Auflösung – und satter Dynamik. Well done. Die zwölf Songs bergen jede Menge Polit-Power und Kompositionen mit starker EQ.

Der Opener „Rising Seas“ thematisiert den Klimawandel mit beschaulichem Intro und Orgelschwaden –zack, dann geht’s los, die Drums peitschen, E-Gitarren drehen auf und mehrstimmige Vocals umrahmen Garrets Stimme in hellen Refrains.

„The Barka-Darling River“, „At The Time of Writing“ und „Nobody’s Child“ setzen mit rüder Gangart, Synthie-Salven oder harschen E-Gitarren klare Rock-Akzente – teils mit schönen Breaks und Wendungen, in denen Piano und Garrets Stimme um die Wette schmusen oder der Frontmann lauthals aufdreht.

„Tarkine“ schmiegt sich als Alternative-Pop-Nummer mit einem beinahe außerirdischem Refrain ins Ohr, die Kollegen von Crowded House würden Standing Ovations klatschen. Auch „Reef“ betört mit ähnlicher Manier, glänzt dabei aber mit zwei Akustikgitarren und Folk-Faible – nicht ohne später mit einem E-Gitarrensolo zu punkten. Einfach klasse: „We Are Not Afraid“, das in feinem Arrangement einer spanische Gitarre Raum verschafft und dazu später Cello und Streicher dazu bittet.

Den gelungenen Abschluss bildet „Last Frontier“ mit Sound-Einsprengseln, singenden E-Gitarren und sich hymnisch aufschwingenden mehrstimmigen Vocals. Peter Garrett wird am 16. April 2022 69 Jahre alt. Wer weiß, ob und wann nochmal ein „Oils“-Album erscheinen wird. Doch wir sind äußerst zuversichtlich. Denn bei ihrem Comeback-Pub-Gig 2017 in Sydney’s legendärem Club „Seline“ fand er klare Worte: „Rage, rage, against the dying of the light“ – ein Zitat des walisischen Poeten Dylan Thomas, in dem er daran appelliert, doch bitte auch im fortgeschrittenem Alter Angriffslust und Konfliktbereitschaft beizubehalten.

Midnight Oil "Resist"

Midnight Oil mit „Resist“ erscheint bei Sony Music als CD, Doppel-LP (180 Gramm Red Vinyl) oder als Stream sowie MP3-Download (Cover: Amazon)

 

Videoclips

„We Resist“

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„At The Time Of Writing“

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„Rising Seas“

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Midnight Oil Resist
2022/03
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

 

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.