Für sein neues Album hat Nils Wülker groß aufgefahren. So hat der sympathische Jazztrompeter mal eben das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks (unter der Leitung von Patrick Hahn) mit eingebunden, um dem Werk das nötige tonale Gewicht zu geben. Und damit nicht genug. Der experimentierfreudige Jazzer hat sich im Vorfeld der Aufnahme von den Vorzügen des immersiven Audio überzeugen lassen. Heißt: Nils Wülker „Continuum” gibt es auch als Dolby-Atmos-Aufnahme. Als der Künstler das Album in den München MSM-Studios präsentierte wurde, war LowBeats natürlich vor Ort und fand Zeit, den Meister nach seiner Motivation zu befragen.
LowBeats: Herr Wülker, die meisten Leute kennen Dolby Atmos nur aus dem Kino. Sie haben es für Ihre Musik entdeckt. Wie kam das?
Wülker: Die Leute im Studio haben mir einige Aufnahmen und Möglichkeiten vorgespielt – da war es für mich gar keine Frage und ich konnte auch meine Label-Verantwortlichen bei Warner überzeugen. Und wie? Weil es besser klingt.
LowBeats: Sie meinen wirklich, Dolby Atmos klingt besser als klassisches Stereo?
Wülker: Aber unbedingt.
LowBeats: Wo würden Sie die größten klanglichen Vorteile sehen?
Wülker: Alles klingt organischer, tonal “richtiger”. Vor allem aber finde ich, dass mit Dolby Atmos eine exakte Abbildung auch in der Höhe möglich wird. Das kann Stereo nicht leisten.
Die Präsentation machte es möglich, dass ich mir das neue Werk in den perfekt ausgestatteten MSM Mixing-Studio (Ausstattung: PMC-Speaker) anhören konnte, während Wülker das Ergebnis kommentierte. Das war eine spannende Geschichte, weil nicht in jedem Stück der gleiche Dolby-Atmos-Fokus von Künstler und Tontechniker gesetzt wurde. MSM-Tonkünstler David Merkl jedenfalls schwärmte über die Zusammenarbeit mit Wülker: „Der Nils hat sofort verstanden, was mit Immersive Audio möglich alles ist. Da hatten wir schon einige Künstler hier, die hatten es nach Tagen noch nicht so recht überrissen…“
Was aber überdeutlich hörbar wurde, war die klangliche Überlegenheit der Dolby-Atmos Aufnahme. Nach dem Umschalten auf die Stereo-Spur klang das ganze Werk eigenartig karg. Nicht nur die plastische Abbildung fiel in sich zusammen, der Ton wirkte ausgedünnt. Einen solch krassen Unterschied hatte ich nicht erwartet – was von Wülker mit einem breiten Grinsen quittiert wurde: „Hatte ich doch gesagt…?“
Hatte er. Und auch, dass er mit „Continuum” ein echt schönes Werk geschaffen hat. Tendenziell ist das Album eine Sammlung durchweg hörbarer Stücke. Wer auf Smooth-Jazz steht, wird den sanften Ton von Wülkers Trompete lieben. Vor allem das namensgebende „Continuum” ist ein herrlich schwebendes Werk in bester Tradition von Rainer Brüninghaus oder Manfred Schoof. Der stattliche Klangkörper der Münchener Symphoniker gibt den Stücken ein sattes Fundament, zieht aber auch den Raum sehr schön weit nach hinten auf.
Für mich hätte es an der ein oder anderen Stelle ruhig mal etwas knackiger klingen dürfen: Der Trompeten-Ton ist immer sehr dezent gespielt, die Bass-Drumm immer etwas füllig. Aber die Klang-Ästhetik von Continuum orientiert sich nun einmal am Smooth-Jazz. Da sind wenig Ecken und Kanten drin. Vielleicht ist „Continuum” auch deshalb ein Album, das man gern von vorn bis hinten durchhört…
Ich hatte leider nur die LP, die naturgemäß kein immersives Audio bietet, freue mich aber schon jetzt auf den Moment, wenn der Stream zur Verfügung steht…
Und an dieser Stelle leistet sich Warner eine gewisse Eigenwilligkeit: Anstatt das großartige „Continuum” auch in der fraglos besten Darreichungsvariante, also der Pure Audio, herauszubringen, muss der Klangfreund, der das Werk in Dolby Atmos erleben will, auf den Apple-Stream zurückgreifen. Nun: Es gibt Schlechteres. Aber halt auch Besseres.
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