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Other Lives For Their Love Band
Wirklich originell: Other Lives For Their Love ist ein besonders gelungenes Album

Other Lives For Their Love – das Album der Woche

Die Americana-Folk-Rocker von Other Lives evolutionieren auf ihrem ersten Album nach fünf Jahren Pause ihren handgemachten, sehr eigenständigen akustisch geprägten Sound: Mit – Überraschung – einem beherzten Schuss süßlich-dramatischer Ennio-Morricone-Spaghetti-Western-Einsprengsel. Other Lives For Their Love ist unser Album der Woche.

Der „Cooper Mountain Nature Park“ lässt sich vom nicht allzu fernen Pazifikdunst verwöhnen – in dieser Ecke von Beaverton/ Nordwest-Oregon liegen zudem immer mal wieder feingeistig gesponnene Melodien in der Luft: Jedediah Gilchrist betreibt dort sein Studio „Cooper Mountain Sound“ und hat als Gastmusiker von Other Lives auch am neuen Album mitgewirkt.

Other Lives For Their Love Band 2
Studio „Cooper Mountain Sound“

Aufnahmeort war ein wunderbar holzbewehrtes Spitzdachhaus, schneckelig eingebettet am Fuße der Hügel in der Küstenregion, inmitten von fruchtbarem Baumbestand. Dort tummelten sich alle möglichen akustischen Instrumente neben verschiedenstem Aufnahmeequipment auf und neben üppig dimensionierten Perserteppichen sowie hoch aufragenden Pflanzenarrangements. Das Video zur ersten Single-Auskopplung „Lost Day“ zeigt die ganze Pracht des Aufnahmeortes von Other Lives For Their Love.

Offensichtlich ein Ort beseelter kreativer Intelligenz. Denn die Band, gegründet in Stillwater/ Oklahoma, versteht es seit über einer Dekade souverän, einen geschmeidigen, poetischen Cinemascope-Soundstil zu entwerfen, der Soundtracks zu Roadmovies mit endlosen Horizonten am laufenden Band zu generieren scheint.

Die Band von Other Lives For Their Love

Dabei verschmelzen Sänger Jesse Tabish (Gitarre, Piano, Orgel), Jonathon Mooney (Violine, Trompete, Vibraphone, Marimba, E-Gitarre, Keyboards), Josh Onstott (Gesang, Bass, Kesseltrommel, Harmonium, Akkordeon, Glockenspiel), Danny Reisch (Trommeln, Percussion) und Jesses Ehefrau Kim (Gesang und Percussion) eben diese verschiedensten Instrumente auf harmonische Weise. Diesmal gesellten sich im kreativen Prozess der zehn Songs noch Patti King (Violine), Heather Blackburn (Cello), Alexander Bekuhrs (Saxofon), Jennifer Crockett (Klarinetten) sowie der erwähnte Trompeter, Perkussionist und Studio-Mastermind Jedediah Gilchrist hinzu. Die Gegend in Oregon nahe Portland liebt Bandleader Tabish wegen der üppigen Vegetation – aber auch wegen der eher kritischen politischen Einstellung der dortigen Bürger.

Anders als auf dem Vorgänger Rituals mussten Computer und Spuren-Spielereien diesmal draußen bleiben, da Tabish die damals allzu emsig eingesetzten technischen Tools nun einfach nicht mehr abkonnte. Das Album produzierte das Kerntrio selbst, Tabish gab dabei die Parole aus, Wiederholungen und „Reparaturen“ an Songs tunlichst zu vermeiden, indes die Stücke lieber „ohne Tricks“ aus dem Bauch heraus gespielt aufzunehmen. Die Lyrik fokussierte Tabish, dessen Optik schonmal etwas an einen holden Minnesänger erinnert, auf tiefschürfende aktuelle und zeitlose Themen. Und die sollten jeder seiner Meinung nach am besten in einem selbst reflektieren Prozess lösen, ohne anderen predigen zu wollen. Dass dennoch Tabishs dezent pastoral-beschwörender Ton manche Songs durchfließt – sei’s drum, da genau dieser teils unterschwellig dramatisierend den Nerv der Themen prima trifft, die unsere aktuellen in vielerlei Hinsicht turbulenten Zeiten beleuchten.

Die Musik

Das Home Recording unter Support von Studio-Mann Jedediah Gilchrist geriet recht ausgewogen. Klangfarben, Stereobandbreite und räumliche Tiefe überzeugen, wenngleich letztere sicherlich noch greifbarer geraten wäre, wenn die Auflösung des Klanggeschehens insgesamt mehr Feinheiten und Plastizität hergeben würde.

Wie gesagt, durchwehen viele der Songs herrlich süßliche Streicherwolken im Geiste der Western-Soundtracks eines Ennio Morricone – Tabishs Reminiszenz an sein großes Faible für das Breitleinwand-Kino der 60er und 70er Jahre und dessen orchestralen Pop. Den lebt er hier aus. Wir erinnern uns an „The Good, The Bad And The Ugly“, Filmmusik mit Westernromantik und Choreinsprengseln. Die Band köchelt hier jedoch kein Spaghetti-Western-Fertiggericht à la Miracoli, sondern kreiert zu ihrem Americana-Sound eine wunderbare Salsa aus aufwallenden Streichern und sonoren Stimmen.

Der Opener „Sound Of Violence“ bildet in diesem Sinne schonmal eine schwelgerische Blaupause – traumartige Sequenzen mit Textbausteinen wie „golden gates…“ schillern im imaginären orangenem Abendlicht. Dazu ein Wiege-Rhythmus, der nicht nur sehnsuchtsvoll romantische Herzen erwärmt.

„Lost Day“ vereint akustische und optische Ingredienzen – der fantastische Flow mit ein bisschen Carmina-Burana-Feeling geht im Video eine Liaison mit dem beinahe mystisch anmutenden Aufnahmeort des Spitzdachhauses im Grünen ein.

Der Titelsong betritt als zweiteilige Sound-Saga die Bühne: Bedächtig startend mit einer knisternden High-Noon-Atmosphäre, die sich dann mit einem Break löst um sich dann vehement im orchestralen Galopp in klanglich sphärische Lüfte zu schwingen.

„Nites Out“ jagt mit peitschenden Drums einen imaginären James Bond durch 60er-Jahre-Krimiambiente; ein leicht dystopisches Unterfangen mit apokalyptischem Touch.

„We Wait“ versöhnt dann mit gemächlichem Country, der unbekümmert in einen Wilden (Italo-)Westen trabt. Winnetou winkt freundlich hinterm Fels. „Hey Hey I“ flirtet mit treibenden Rhythmen und hält dabei das Piano als Taktgeber hoch.„Who’s Gonna Love Us“ fragt das bedächtig mit Piano und Tabishs Stimme, um dann energisch davon zu driften.

„Sideways“ beschließt das Album mit akustischer Gitarre, Piano und einer Stimmung, mit der man sich prima vorstellen kann, vom VW Bulli aus an einem endlosen Strand in Oregon auf den Pazifik hinausblinzeln zu können.

Alle Klischees erfüllt. Und dann eben doch wieder nicht: Ein emotional kluges Album, das sehr, sehr lange Freude bereiten wird.

Other Lives For Their Love Cover
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Videos zu Other Lives For Their Love

Lost Day
Hey Hey I

Home Session in Nordwest-Oregon:

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 Cover von Leonard Cohens „The Partisan“

Other Lives For Their Love
2020/05
Test-Ergebnis: 4,3
SEHR GUT
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Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

 

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.