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Porcupine Tree "Closure / Continuation“Edition
Porcupine Tree, die großartige Artrock-Band um Steven Wilson, hat mit "Closure / Continuation“ ein wunderbares Reunions-Album vorgelegt. Vor allem die exklusive Limited Edition ist unser Musiktipp der Woche (Foto: C. Dick)

Porcupine Tree „Closure / Continuation“ – das Album der Woche

Porcupine Tree standen einst für 1a-Art-Rock – vor dem Split der Band 2010. Mastermind Steven Wilson verfolgte über die vergangenen Jahre hinweg andere Pläne. Nun kommt er mit seiner Truppe zurück und präsentiert ein teils ekstatisches Werk zwischen klugem Progressive-Rock und hymnischem Folk-Metal – noch dazu in feinem Klangbild. Porcupine Tree „Closure / Continuation“ ist unser (Reunion-) Album der Woche.

Wir müssen reden, Mister Wilson. Der Botschafter der High End 2019 betonte gerne, wie wichtig ihm doch seine Solo-Arbeiten seien, er wolle partout nicht rückwärtsgehen. Und nun das: Ein neues Album mit dem naheliegenden pragmatischen Titel „Schließung / Weiterführung“. Ein Fest für Fans sehr kluger Progressive-Rock-Kompositionen – in diversen Veröffentlichungsformaten, unter denen sich auch drei formidable Bonustracks tummeln.

Das Material sammelte sich seit dem letzten Album „The Incident“ von 2009 über die Jahre an. Die Songs „befanden sich zunächst auf einer Festplatte in einer langsam wachsenden Computerdatei mit der Bezeichnung ‚PT2012’, später umbenannt in ‚PT2015’, ‚PT2018’ und so weiter. Es gab Zeiten, in denen wir sogar vergaßen, dass sie da waren“, so die Band, die nach dem Weggang von Bassist Colin Edwin nun zum Trio geschrumpft ist. Porcupine Tree formieren sich aktuell aus dem ehemaligen Markenbotschafter der HighEnd-Messe, Steven Wilson (Gesang, Gitarre, Bass, Keyboard), Richard Barbieri (Keyboards, Sound Design) und Gavin Harrison (Drums; The Pineapplethief, King Crimson). Meister Wilson schöpft seine Talente als Produzent, Toningenieur, Gitarrist, Keyboarder und Sänger aus.

Porcupine Tree
Art-Rock-Meister: Steven Wilson, Ex-Markenbotschafter der HIGH END-Messe München, trumpft mit seinen beiden Kollegen in einer Reunion auf: Porcupine Tree sind aktuell (von links nach rechts) Richard Barbieri (Keyboards, Sound Design), Steven Wilson (Gesang, Gitarre, Bass, Keyboard) und Gavin Harrison an den Drums (Foto: Porcupine Tree)

Der umtriebige Wilson listet auf seiner Schaffens-Vita neben Soloprojekten auch andere Kollaborationen wie mit Mindfuck oder Blackfield. Und als Produzent steht er dort beispielsweise für Arbeiten mit Marillion oder Emerson Lake & Palmer. Die Evolution der britischen Prog-Rocker wandelte sich über die Jahre gemächlich von Psychedelic- und Space-Rock über Alternative-Rock zu Progressive-Rock mit Metal-Beschlägen.

Die Musik von Porcupine Tree „Closure / Continuation“

Eines vorneweg: High-End-Fan Wilson schuf ein fulminantes Klangbild mit aberwitzigem Bassdruck und gleichzeitig schöner tonaler Balance und Auflösung trotz komplexer Strukturen. Und so verwöhnt das Album in diversen Formaten zusätzlich, auch als Blu-ray, wie erwähnt mit drei klasse Bonustracks, Instrumentalversionen, 5.1- und Dolby-Atmos-Versionen plus 96/24-Stereo nebst Artbook.

Was für eine Wand, nein: was für ein Wall an Tiefton-Druck. Drums und Bass sind sich hier einig, treibend, schnell. Packend. Dazwischen besänftigende Breaks, mit Gänsehauteffekt, sphärisch inszeniert. So stürmt „Harridan“ los, Synonym für die übrigen IQ-Arrangements, die immer wieder versöhnliche Breaks einbetten, um beispielsweise mit sanft gestreichelten Akustik-Gitarren eine E-Gitarren-Gewitterfront abzulösen.

Aber auch hoffnungsfroh gestimmte Songs wie „Of The New Day“ streicheln die Seele im psychedelischen Schwebezustand, aufgelockert mit harschen E-Gitarren und der sonoren Stimme Wilsons. In „Herd Culling“ oder „Walk The Plank“ entlassen dann Computer und KI ihre lebendigen Sound-Kinder, tickende Elektronika mit wimmeligen Rhythmen und U-Boot-Sonar-Ambiente, dazu Synthies im Psychedelic-Modus, von imaginären Engelszungen aufgemischt. Meisterhaft!

„Rats Return“ bedroht den Hörer mit sperrigem E-Gitarren-Feuer, Synthie-Wimmeln und –Wuseln und spinnt dennoch einen akustisch zarten roten Faden in die Struktur. In „Dignity“ schweben Synthie-schwaden mit Akustikgitarren um die Wette, Wilsons Stimme erhebt sich sanft wie ein Lämmlein auf der Folk-Weide, wie in einem Wiegenlied. So geht Hymne. Ein Achtminüter der Extraklasse. Das gilt auch für „Chimera’s Wreck“, einem knapp zehn Minuten langem Werk mit orientalischem Flair und vehementem akustischen Instrumenteneinsatz.

Porcupine Tree "Closure / Continuation“ Cover
Porcupine Tree „Closure / Continuation“ erscheint bei Music For Nations / Sony Music in verschiedenen Ausführungen: (CD; 2CDs/1Blu-ray/Buch; 3LPs ltd. Ed Clear Vinyl 45RPM; 2LPs, Ltd. Ed. Für jpc Sky Blue Vinyl; 2 LPs; Compact Cassette) sowie als Download (Cover: Amazon)

Die drei Bonustracks „Population Three“, „Never Have“ und „Love In The Past Tense“ halten das Niveau mit heiter-griechischem Soundambiente mit Strandgefühl oder schillerndem Piano und einem sogar mit einem Touch Alan-Parsons-DNA. Macht ja nix, der war ja schließlich auch Markenbotschafter der HIGH END…

Vielen Dank Mister Wilson, wir sind keine Spur mehr sauer wegen der Porcupine-Tree-Pause.

Porcupine Tree „Closure / Continuation“
2022/07
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.