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ShadowParty ShadowParty
ShadowParty ShadowParty: kernig-knackige Klänge zwischen Synthiepop und Gitarrenrock

ShadowParty ShadowParty – das Album der KW 30

Mit je zwei Mitgliedern von Devo und New Order ist das Quartett ShadowParty prominent besetzt – musiziert hier also eine Supergroup des Synthiepop, die den Sound ihrer beiden Mutterschiffe zu einer Art Hyperpop-Hybrid fusioniert? Nach 44:25 fällt das Urteil differenzierter aus: Nein, ShadowParty sind weder die neuen New Order noch eine Devo-Coverband – dafür aber eine Gitarren-Elektropop-Formation, die Errungenschaften der 80er-Jahre mit dem Wumms und der Schärfe der Gegenwart verbindet. Und deshalb macht ShadowParty ShadowParty auch so viel Spaß.

Auf der 80er-Jahre-Party immer die gleichen, gut abgehangenen Schinken von Depeche Mode, Ultravox oder New Order hören? Klar, feine Sache – ungefähr so wie „Dinner For One“ am Silvesterabend: geht einfach immer.

Aber mal wieder was Neues aus der Abteilung Synthiepop mit Eighties-Feeling wäre ja auch mal nicht schlecht. Und wenn dieser Sound gleichzeitig auch noch etwas aktueller klänge, eben nicht nur retro, sondern mehr retrofuturistisch – dann könnte das eine spannende Sache werden.

Ungefähr so müssen auch die Herren Josh Hager (ehemals The Rentals; heute Gitarrist/Keyboarder bei Devo) und New-Order-Bassist Tom Chapman gedacht haben. Gedacht, getan: Nach einem Treffen in Boston hob das Duo die neue gemeinsame Formation ShadowParty aus der Taufe. Lust auf einen solchen Sound signalisierten auch Devo-Drummer Jeff Friedl und der zweite (beziehungsweise dritte) New-Order-Saitenmann Phil Cunningham – und aus dem Duo wurde ein Quartett. Als Labelheimat kristallisierte sich Daniel Millers Label Mute Records heraus, die vielleicht wichtigste Firma für elektronische Popmusik der 80er Jahre und noch immer eine der spannendsten Adressen für deren zeitgemäße Transformation in die Grenzbereiche zwischen Avantgarde, Indierock und Hitparadenmusik mit Niveau.

ShadowParty ShadowParty
Würden wir von diesem Quartett einen Gebrauchtwagen kaufen? Tja … lasst uns mal mit einer CD, LP oder einem download anfangen: Tom Chapman, Jeff Friedl, Phil Cunningham und Josh Hager (von links oben im Uhrzeigersinn gesehen)

Die Gangart also steht fest – gleichwohl aber kling ShadowParty ShadowParty weder altbacken nach 80er-Jahre und auch nicht wie eine New Order- oder Devo-Coverband. Zwar dürfen auf dem Debütalbum von Hager, Chapman & Co. – ähnlich wie seit rund zehn Jahren bei New Order – Gitarren und Synthies quasi gleichberechtigt aufspielen, vom reinen Synthiepop ist dieses Album also ebenso weit entfernt wie von bloßem Rock für die Indiedisco. Aber alles klingt etwas angeschärfter und technoider verdichtet als bei Manchesters vielleicht zweitgrößter Popband aller Zeiten. Die Unterschiede sind so ähnlich wie bei einem Golf der Baureihe III und seinem jüngsten Nachkommen aus dem aktuellen Jahrgang: Man erkennt noch einen gemeinsamen Stammbaum, aber die Unterschiede überwiegen die Gemeinsamkeiten.

Zu dem ziemlich zupackenden Basissound von ShadowParty ShadowParty kommen allerlei weitere Zutaten hinzu: Joe Duddell (Elbow, New Order) arrangiert ein Streicherquartett plus Harfenspieler, The-Verve-Kollege Nick MaCabe steuert eine Reihe von Riffs bei. Und dann sind da natürlich die Stimmen von Josh Hager und Tom Chapmann, die sich ziemlich clever die Rollen teilen: der eine ist für einen guten Schuss Rock ‘n Roll verantwortlich; der andere für eine rauhraspelige Jungmänner-Romantik – das Ergebnis liegt irgendwo zwischen The-Verve-Frontmann Richard Ashcroft und Sterephonics-Shouter Kelly Jones. In „Present Tense“ wechselt dann die Tonlage: Denise Johnson (Primal Scream, A Certain Ratio) tritt ans Mikrofon und bringt einen Hauch Soul und Glampop mit einem Tick an Human-League-Atmosphäre ins Spiel.

Die Musik von ShadowParty ShadowParty

Eröffnet wird der zehn-Song-Reigen von „Celebrate“ mit weitläufigen Keyboards im Stil des Ultravox-Klassikers Reap the Wild Wind. „Taking Over“ zieht – von einem kapitalen Bassdrum-Wumms angetrieben – die Zügel dann rhythmisch merklich an, ehe von links und rechts Elektronik- und Gitarrensounds fast wie ein Wespenschwarm in die Produktion einfallen. „Reverse The Curse“ pluckert wiederum eher retroesk und die Synthies zirpen im Stil von Grandmaster Flashs The Message;„Sooner Or Later“ wiederum zeigt dann eine Liebe zu den Nuller-Jahren und Acts wie Franz Ferdinand. Zwei schwächere Momente auf ShadowParty ShadowParty seien nicht verschwiegen: „Even So“ zieht seine Kreise zwischen wolkiger Trockeneisnebelballade und streicherbetonter Kammermusik, ohne recht auf den Punkt zu kommen, und „Truth“ rückt den ShadowParty-Sound etwas zu sehr in die Gefilde von hüpfender Gute-Laune-Musik, die auch einen prima Soundtrack für eine Eiscremewerbung abgeben würde. Ähnlich im Basiston, aber genau richtig auf Kurs groovt hingegen das nachfolgende „Vowel Movement“, das gar an den unvergessenen Michael Hutchence und seine zwischen Rock, Glam-Pop und New Wave umherstreunende australische Band INXS erinnert.

Zum Abschluss einer munteren Scheibe voll kompetenter Digital- und Gitarrensounds glitzern dann in „The Valley“ nochmal schön synthetisch die Keyboards und machen Appetit auf die nächsten Produktionen von Devo und New Order gleichermaßen – jene Modernität, die ShadowParty hier bei aller Verliebtheit in die Sounds der 80er-Jahre an den Tag legen, würde beiden Bands fraglos ebenfalls gut zu Gesicht stehen.

ShadowParty ShadowParty
Cover Art ShadowParty ShadowParty (Cover: Amazon)

ShadowParty ShadowParty erscheint bei Mute im Vertrieb von Good To Go und ist erhältlich als CD, LP und MP3-Download.

 

ShadowParty ShadowParty
2018/07
Test-Ergebnis: 4,0
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

 

Autor: Christof Hammer

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Seit vielen Jahrzehnten Musikredakteur mit dem Näschen für das Besondere, aber mit dem ausgewiesenen Schwerpunkt Elektro-Pop.