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Soltis Ring Remastered Edition
Die Decca hat Wagners Ring mit Solti noch einmal feinsäuberlich remastern lassen. Ein ganz seltenes Meisterwerk (Foto: Decca)

Solti – das neue „Ring“-Mastering: Heldentaten damals, Heldentaten heute

Kaum ein Kult geht über Wagners „Ring“ bei der Decca. In der Frühphase der Stereophonie aufgenommen und noch immer ein Markstein für das feinste High-End. Nun kommt die ultimative, wahrscheinlich letzte Neuauflage: Solti – das neue „Ring“-Mastering. Ok, ganz billig ist der Spaß nicht. Aber es klingt unfassbar frisch und herzergreifend.

Soltis Ring Remastered Edition
Die Decca hat Wagners Ring mit Solti noch einmal feinsäuberlich remastern lassen. Ein ganz seltenes Meisterwerk (Foto: Decca)

Keine Diskussionen. Die größte Heldentat der Schallplattengeschichte der vergangenen hundert Jahre ist eindeutig Wagners „Ring des Nibelungen“ unter der Regie der Decca. Aber wie eine Zitrone hat die Plattencompany diese Aufnahmen ausgepresst. Zuerst eine Auflage für den englischen Markt – noch heute ein Fetisch für Sammler. Dann jedes Jahrzehnt eine neue Überspielung. Um 1990 herum schließlich die letzte Pressung auf Vinyl und in DMM. Näher konnte man dem analogen Original nicht kommen. Dann der Druck der Silberscheibe. Das erste CD-Master war gruselig. Kein Raumeindruck, viel Rauschen und eine brutale Härte. Vor zehn Jahren dann ein neuer Transfer der Masterbänder bei 24 Bit und 48 Kilohertz. Klang superb und ich hatte das Gefühl, dass nunmehr alles gesagt sei. Aber zum 25. Todestag des legendären Dirigenten Sir Georg Solti legt die Decca nun eine Edeledition in 24 Bit und 192 Kilohertz auf. Hat die Welt, haben wir darauf gewartet?

Solti – das neue „Ring“-Mastering: die Besonderheiten

Ja. Das ist ein Geniestreich von den Heldentagen der Vergangenheit und den Heldentaten der heutigen Remastering-Studios. Es klingt tatsächlich perfekt. Wie gestern aufgenommen, faszinierend frisch und high-endig. Doch geht es hier mit rechten Dingen zu?

Immerhin: Von den vier Teilen wurde das „Rheingold“ als erstes im Jahre 1958 aufgenommen. Verflucht lange her. Da ist die Frage nach dem Zustand der Masterbänder angebracht. Und tatsächlich: Die Decca-Ingenieure mussten die Bänder frisch aufbacken. Im Wortsinn: zehn Stunden im Ofen bei 50 Grad Celsius. Die Kunststoffwindungen hatten sich zu sehr verklebt. Dann auf eine Studer-Bandmaschine, die Feinheiten für die Kalibrierung stammen noch vom Ur-Produzenten daselbst. John Culshaw hatte die Decca damals in Griff. Er durfte alles und er hatte lang gesucht. Zuerst wollte die Company live in Bayreuth mitschneiden, verwarf den Plan aber angesichts der nicht beherrschbaren Hürden. So ist aber immerhin ein Ring unter Joseph Keilberth entstanden, den das Sublabel „Testament“ vor einiger Zeit in Stereo ausgegraben hat. Dann ein Experiment mit Hans Knappertsbusch, schließlich ein Akt mit Georg Solti. Der gebürtige Ungar bekam den Zuschlag und eine weiße Karte – alle ästhetischen Spielregeln wurden neu gewürfelt.

„Ring“-Mastering
Der Meister am Pult: der 1997 verstorbene, zum KBE (Knight Commander of the Most Excellent Order of the British Empire) geadelte Georg Solti (Foto: Decca)

Culshaw mietete die Sofien-Säle in Wien an. Nicht so golden wie der Saal im Musikverein, aber perfekt für eine Tonaufzeichnung. Die Wiener Philharmoniker spielten vor einer realen Bühne mit Schachbrettmuster. Die Sänger bewegten sich darauf nach konkreten Regieanweisungen. Da wurde nichts mit Reglern künstlich erzeugt. Man wollte den Live-Charakter und nahm bewusst in langen Takes von über 20 Minuten auf.

„Ring“-Mastering
Die Sofien-Säle sind von der Akustik her vorbildlich (Foto: Decca)

Das österreichische Staatsfernsehen hat sich einmal zu einem Aufnahmetag eingeschlichen. Auch dies ein wunderbares Dokument bis heute. Solti schwitzte, brauste, war am Rande des Herzinfarkts. Man schleppte sogar ein echtes Pferd neben die Sängerin der Brünnhilde.

„Ring“-Mastering
Ein Pferd, ein Pferd: Culshow ließ sogar ein Pferd auflaufen, um der Sache mehr Authentiziät zu geben (Foto: Decca)

Alle Männer vor den Mikrofonen wurden mit Turnschuhen ausgestattet, auf dass nur kein Nebengeräusch entstand. Ein echter, gewaltiger Scheiterhaufen wurde zum Einsturz gebracht – unfassbar, welche massive Tiefe noch heute die Lautsprecher erreicht. Beim Rheingold wurde eine Schulklasse engagiert, die über die Klangbühne als geknechtete Nibelungen tapsen musste. Im höchsten Irrwitz wollte John Culshaw sich sogar von der österreichischen Staatsbank ein paar Barren aus reinem Gold ausleihen, um das Aufstapeln des Rheingoldes akustisch zu illuminieren.

Die Bank spielte natürlich nicht mit, die Decca musste sich mit Blei-Barren behelfen. Aber genau dies alles macht die Faszination aus: es gab damals keine Tricks, nur wenige Mikrofone, eine weite Stereobühne und das beste Opernorchester schlichtweg.

„Ring“-Mastering
Die Mikrofonierung folgte damaligen Idealen (Foto: Decca)

Im aktuellen Mastering erlebt man die Wiener Philharmoniker als eine Versammlung von Meistern an jedem Pult. Klangen die bestehenden Kopien vor allem nach Dicker-Backen-Musik, so zaubert das neue Mastering erstaunliche Feinheiten herbei. Die Binnendynamik habe ich nie schöner, nie feiner erlebt. Solti konnte tatsächlich auch leise. Wer einmal hineinlauschen will: Bei Siegfrieds „Trauermarsch“ in der Götterdämmerung schleichen sich die tiefen Streicher wie ein Tiger an – piano, mezzoforte, dreifaches Forte, dann ein Schlag in die Magengrube. Das ging nur damals, heute würde jeder Dirigent den Effekt scheuen. Aber gerade diese unbedingte Klanglust nimmt wunderbar gefangen. Das lieben die Klassikfans, das werden die High-Ender in den Himmel loben.

Aber wir müssen uns bewusst sein: Das Ende ist nahe – mehr lässt sich aus den alten Bändern auch mit noch so hoch entwickelter Computertechnik nicht saugen. Um ganz ungeschminkt zu sein: die analogen Master sind nun verstorben, ein letzter Auftritt und der Vorhang fällt.

Die Decca ist sich dieser Grenze bewusst. Aber sie hat Großartiges geleistet. So gibt es eine LP-Pressung, entstanden bei Optimal in Mecklenburg-Vorpommern. Das sind 180-Gramm-Scheiben im Luxussound in höchster Qualität. Toll die Verpackung, edel das Booklet. Aber die Veröffentlichungsstrategie bleibt seltsam: Alle Bänder werden erfrischt worden sein. Doch im Download und auf SACD gibt es ein „Best-of“ from the Golden Ring. Nett und sicherlich eindrucksvoll.

Soltis Ring Remastered Edition
Wenn schon, denn schon: Die LP-Edition ist natürlich mit 180-Gramm Exemplaren bestückt (Foto: Decca)

Gerade ist frisch das beginnende „Rheingold“ auf LP erschienen, auch im HD-Download, aber nicht auf SACD. Alle zwei Monate folgt ein weiterer Schub. Im Mai will die Decca komplett sein. Die Überspielungen wurden an der Abbey Road in Half-Speed in die Matrizen geritzt. Wer die Füße stillhalten kann, wartet noch bis Juni. Dann gibt es das Über-Fest: Der komplette Ring in einem LP-Schuber plus Blu-ray-Disc mit den High-Res-Files und einem Dolby-Atmos-Mix.

Soltis Ring Remastered Edition
Die komplett Edition inklusive LPs, Blu-ray und jeder Menge Info (Foto: Decca)

Aber, aber: Die Decca setzt dafür schon heute für die Vorbesteller die sagenhafte Summe von 725 Euro an. Die Millionäre wird es nicht abschrecken, die High-End-Fans werden fleißig sparen. Aber für den Normalverdiener ist das Jenseits aller Optionen. Deshalb unser Spartipp: Wer beispielsweise ein Qobuz-Abonnement unterhält, bekommt die Files zum halbierten Sonderpreis. Unter hundert Euro wäre man dabei. In sagenhafter Auflösung und dem goldenen Glanz eines Jahrhundertwerks.

Fazit Solti – das neue „Ring“-Mastering

Da gibt es kein Halten, kein Wenn, kein Aber. Dies hier ist tatsächlich die beste Version des legendären Rings. Das Mastering vor zehn Jahren war toll, aber nun brennen die Wiener Philharmoniker mit feinerer Dynamik, die Sänger haben Lunge und Körper auf einer fantastisch organisierten Bühne. Das ist Hörspiel, das ist Experiment, das ist Legende und Heldentat. Wer Wagner nicht mag, legt sich das Best-Of-Album zu. Wer Wagner erträgt, nimmt die High-Res-Files. Wer Wagner erlegen ist, muss das LP-Paket ordern. So teuer es auch sein mag. In zehn Jahren wird es seinen horrenden Preis verdoppelt haben.

Bewertung:

Solti – das neue „Ring“-Mastering
2022/11
Test-Ergebnis: 4,8
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.