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Andreas Vollenweider
Andreas Vollenmweider hat eine neue Form der Musik eingeführt und ist sich auch mit Quiet Places treu gebleiben. Auch im Klang: die Aufnahme klingt fantastisch (Foto: R. Ruis)

Andreas Vollenweider Quiet Places: das Album der Woche

Der Harfenist als HiFi-Botschafter: Andreas Vollenweider machte das Saiteninstrument Anfang der Achtzigerjahre dank hervorragender Aufnahmequalität auch für HighEnd-Enthusiasten hoffähig. Diese Tradition führt der Schweizer auch mit seinem neuen Album fort – weshalb Andreas Vollenweider Quiet Places unser Album der Woche ist. Doch es gibt noch so ein audiophiles Werk, in dem die Harfe eine wesentliche Rolle spielt. Bei ihrem Label-Debüt für Stockfisch Records hat Ulla van Daelen Mandala eingespielt, ebenfalls eine wunderbare Aufnahme. Und weil wir uns nicht entscheiden mochten, küren wir dieses Mal zwei Alben der Woche

Dass ein klassisches Musikinstrument Furore im Pop macht, dafür sorgten beispielsweise vor einem halben Jahrhundert ein Sir Elton John oder Billy Joel mit Piano respektive Flügel. Die Harfe verschaffte sich einst über Folk und New Age Gehör, mit Protagonisten wie der Kanadierin Loreena McKennitt, dem Bretonen Alan Stivell oder dem Züricher Andreas Vollenweider – ebenso wie mit der Rheinländerin Ulla van Daelen, die auch populäre Klassik und Jazz fokussiert.

Immerhin zählt das imposante Instrument, das die Saitenebene senkrecht zur Resonanzdecke verlaufen lässt, zu einem der ältesten Musik-Tools überhaupt. Bereits vor 5.000 Jahren sollen Musiker in Mesopotamien und Ägypten beherzt in die Saiten gegriffen haben. Als beliebte Version beeindruckt die Konzertharfe mit einer Höhe von bis zu 1,9 Metern und mit 42 Kilogramm Gewicht als eines der größten und schwersten Orchesterinstrumente überhaupt.

Andreas Vollenweider wurde sozusagen mit den HiFi-Zeitschriften Audio und Stereoplay „groß“, nachdem er 1981 auf dem Montreux Jazz Festival famos debütierte – schließlich fanden 1983 gleich drei seiner Stücke ihren Weg auf das audiophile Halfspeed-Album „Highlights 13“ von Stereoplay . Und Audio empfahl Vollenweiders Debüt Behind The Gardens … als audiophilen Tipp. Der Harfenist hat seither über 15 Millionen Tonträger verkauft und live in Locations wie der Carnegie Hall New York oder der Town Hall Sydney Erfolge gefeiert.

Seit seinem Debüt veröffentlichte der Schweizer über ein Dutzend Alben und entwickelte zudem für ein Forschungsprojekt der Neonatologie des Universitätsspitals Genf eine spezielle Musik: Im Mittelpunkt stehen die häufig großen Entwicklungsprobleme von Frühgeborenen und die Frage, welche positiven Auswirkungen Klang und Musik auf sie haben können – laut National Geographic Magazine so einige, denn in der Januar-Ausgabe 2019 beschreiben die Experten das Projekt als „eine der zwölf Innovationen, die die Zukunft der Medizin revolutionieren werden.“

Andreas Vollenweider
Kann mehr als nur Harfe: Andreas Vollenweider gibt auch manchmal den Romancier (Foto: R. Ruis)

Überdies widmet sich der 67-Jährige neuerdings nicht nur dem Notenblatt, sondern Romanseiten. Sein 450-seitiges Schriftstellerdebüt gibt er mit Im Spiegel der Venus. Der Clou: Dazu gibt’s einen von ihm komponierten Soundtrack, eine Hör-Trilogie; das aktuelle Album Quiet Places macht den Anfang, eine kammermusikalische Liaison zwischen Harfe, Piano, Percussion und Drums – bearbeitet von seinem langjährigem Rhythmusbegleiter Walter Keiser – und dem virtuosen Cellospiel der 32-jährigen Isabel Gehweiler. Vollenweiders „ruhigen Orte“ schmeicheln sich, gediegen arrangiert, mit zarter Melancholie ins Gemüt.

Ulla van Daelen blickt ebenso auf eine langjährige, intensive Beziehung zu Musik und Harfe zurück. Mit fünf Jahren spielte die heute 58-Jährige bereits Klavier, ab zehn heimste sie Preise ein, so bei „Jugend musiziert“. Mit ihrem „Trauminstrument“ startete die geborene Düsseldorferin dann mit zwölf durch, gewann Harfenwettbewerbe, studierte mit Auszeichnung, sammelte mit Stipendien und Engagements an führenden Opernhäusern und auf Konzertreisen bis in die USA oder Japan Erfahrungen. Sie spielte zudem 20 Jahre als Solo-Harfenistin beim renommierten WDR-Rundfunkorchester und arbeitete mit Kollegen der Jazz-, Pop- und Weltmusikszene. Bei ihren Kompositionen lässt sich Ulla van Daelen gerne von der Natur inspirieren. Und nun gibt sie ihr Debüt auf dem Label Stockfisch Records.

Ulla van Daelen mit Harfe
Ulla van Daelen mit ihrer Harfe

„Anfangs war ich fast ein bisschen verwundert, als Günter Pauler von Stockfisch Records mit mir Aufnahmen machen wollte. Ein Produzent, der sich überwiegend mit Singer-Songwriter-Musik befasst – was will der mit einer (klassisch ausgebildeten) Harfenistin, fragte ich mich. Offensichtlich hatte ihn aber etwas an meiner Musik „gepackt“ – und das wiederum schmeichelte mir – und machte mich zugleich neugierig. Wenn er sich auf das Experiment einlässt, warum sollte ich das nicht auch tun, sagte ich mir – und begann mit ersten Einspielungen in den berühmten Stockfisch-Studios, wo ich mich auf Anhieb pudelwohl fühlte. Nachdem wir meine große Konzertharfe mit vereinten Kräften und List und Tücke die steile Gewölbetreppe hinuntergehievt hatten, öffnete sich mir ein magischer Kreativ-Raum, aus dem ich mich nach einwöchiger Aufnahmetätigkeit nur ungern wieder entfernen mochte. Wichtig ist mir zu betonen, dass wir keinerlei Overdub-Verfahren oder andere ‚Tricks’ angewandt haben – und ich mich bemüht habe, alle Stücke möglichst in ‚einem Guss’ zu spielen. Was Günter durch seine spezielle Aufnahmetechnik noch an Klangschönheit und Kraft aus der Harfe herausholt, kann ich nur als ‚magisch’ bezeichnen – und ihm und seinem Team gebührt mein großer Dank!“

Beide Aufnahmen klingen überragend

Aufnahmetechnisch steht Andreas Vollenweiders Neuling felsenfest in der Tradition seiner bisherigen audiophilen Einspielungen: Raum, Auflösung, Feindynamik und Tieftondruck überzeugen. Günter Pauler fing das lebendige Saitenspiel von Ulla van Daelen wie von ihm gewohnt fantastisch ein: Sein berühmtes „Kellergewölbe“ und Paulers HighEnd-Aufnahmeequipment gepaart mit langjähriger Erfahrung entlockt dem Instrument all seine filigranen Details und zarten akustischen Botschaften. Die Musik strahlt mit schöner Körperhaftigkeit und wunderbaren Klangfarben. Und all dies bettet Paulers Aufnahmetechnik bravourös plastisch in ein feines, dreidimensionales Raum-Ambiente.

Während die Harfe im Orchester meist nicht mikrofoniert wird, steht die Tontechnik im Nahbereich vor Herausforderungen: „Da wird die Sache schon komplizierter,“ so Günter Pauler. „Die vielen Nebengeräusche wie Schnarren und stehende Wellen (Wölfe), die man im Konzert nicht hört, müssen mühsam mechanisch fixiert werden. Aber gerade das macht für mich eine Aufnahme spannend. Als Mikrofon kommt für mich nur ein aktives Stereo-Bändchen wie das HUM RS-2 (Anm. d. Red.: gut und teuer; über 6.000 Euro) in Frage. In X/Y Position entsteht kein Mittenloch wie bei zwei separaten Mikrofonen. Zusätzlich benutze ich einen Piano-Tonabnehmer, der auf der Decke befestigt ist. Das ergibt eine kräftige (dosierbare) Bass-Amplitude.“

Zum Studioequipment zählt auch eine kleine keltische Harfe (Dusty Strings aus Seattle). „Bei ihr nehme ich kein Mikrofon, sondern nur zwei Piano-Tonabnehmer, die im Korpus an den Schwingungsknotenpunkten befestigt sind. Der Klang hat eine wunderbare Direktheit und den Raumanteil im Inneren des Korpus.“ Wohl wahr. Übrigens sollen bis Ende 2020 noch vier sehr unterschiedliche HighEnd-Aufnahmen bei Stockfisch erscheinen. Wir werden berichten.

Die Musik von Ulla van Daelen Mandala

17 Stücke vereint „Mandala“. Ein kurzweiliges, lebendiges und vielschichtiges Vergnügen von folkig über balladesk bis zackig-rhythmisch, dank dem virtuosem Spiel Ulla van Daelens. Ein paar Schmankerln im Detail:

Der Opener „Country Song“ wiegt die Seele ruhig trabend, bis das zweite Stück in einen quirligen, hell leuchtenden „Celtic Dream“ entführt.

Als Cover-Version von Mike Oldfield betört „Tubular Bells“ unerhört: „Zu Günters und meiner großen Freude lernte ich bei der Gelegenheit auch eine kleine keltische Harfe schätzen und lieben, die dieses Gewölbe zusammen mit ca. hunderttausend Gitarren, Mandolinen, Gamben, Xylophonen, Krummhörnern und diversen anderen Instrumenten bewohnt. So kam es, dass auf dieser „kleinen Schwester der Konzertharfe“ u. a. eine Hommage an „Tubular Bells“ von Mike Oldfield entstand, die auch als Youtube Video vorliegt,“ so Ulla. Ein wunderbar minimalistischer Flow mit Gänsehauteffekt.

Ulla van Daelen Mandala Cover
Ulla van Daelen Mandala ist erschienen bei Stockfisch Records auf SACD und CD (Cover: Amazon)

Die Musik von Andreas Vollenweider Quiet Places

Andreas Vollenweider ging mit der Cellistin Isabel Gehweiler eine feinsinnig-harmonische musikalische Liaison ein, begleitet vom pointierten Drum- und Percussion-Einsatz der Schweizer Koriphäe Walter Keiser. Ein durchgängig emotional kluges und beherztes Unterfangen, das viele schöne Assoziationen an die frühen Zeiten Vollenweiders generiert – plus Cellobegleitung; Beispiele:

„The Pyramidians“ entführt mit einem beschwingt-grazilen, federleichten Noten-Flug über vom Cello pastellig getönte Wolken.

„Bella Smiling“
 glänzt als typisches Vollenweider-Stück; die Harfe dominiert das Geschehen mit beherzten Saiten-Griffen, wogend, rhythmisch pointiert.

Andreas Vollenweider Quit Places Cover
Andreas Vollenweider Quiet Places erscheint bei AVAF-MIG / 375 (CD, LP, Stream),
Ulla van Daelen mit Mandala auf Stockfisch Records / in-akustik (Hybrid-Stereo-SACD, LP oder Digital-Download mit 24Bit/88kHz FLAC) (Cover: Amazon)
Andreas Vollenweider Quiet Places
2020/09
Test-Ergebnis: 4,5
Überragend
Bewertung
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Videos:

Andreas Vollenweider gab unter „Live@Home“ am 9. September sein „Mini-Concert #9“. Nummer eins bis acht stehen ebenso auf seiner Homepage abrufbereit:

Ulla van Daelen hält ebenso mehrere Videos parat:

https://www.ullavandaelen.de/videos/
Tubular Bells

 

 

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.