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Beatles
Wieder ein Remaster der Pilzköpfe. Doch anders als die vorherigen ist Beatles „Revolver“ klanglich ein Reinfall... (Foto: Apple)

Beatles „Revolver“ als Remaster: Die Kuh ist tot

Die Pilzköpfe aus Liverpool leben ewig. Und bringen fleißig Geld in die Kassen der Rechteinhaber. Nach etlichen großartigen Remasterings von Alben wie etwa „Abbey Road“ oder das „Weiße Album“ kommt nun auch Beatles „Revolver“ in den Handel – und verwirrt maximal.

Wie lange kann ich eine Kuh melken, bis sie tot umfällt? Im Falle der Beatles scheint das unendlich zu sein. Ganz frisch tönt der Lockruf zum neuen Mastering von „Revolver“. Ein Ritt auf der Rasierklinge. Denn die Beatles haben hier noch in Mono gedacht und eben auch die Masterbänder mit nur einem Kanal freigeben. Die Basis hingegen ist ein Magnetband mit vier Spuren. Da zieht man den Hut. Großartig, was die Band 1966 mit so einem schmalen Equipment zu zaubern verstand. Zudem lösten sich die Vier von ihrem bisherigen Image. Das waren die netten Jungs mit dem eigenwilligen Haarschnitt. Da wurde zumeist Popmusik produziert, überaus erfolgreich, aber nicht immer sättigend.

Beatles
Die sympathischen Pop-Beatles: Ein Bild aus der Vor-Revolver-Zeit (Foto: Apple)

Was Beatles „Revolver“ so besonders macht

„Revolver“ markiert einen Befreiungsschlag. Jetzt gibt es keine Riffs, sondern faktisch neue Klangbilder. Schon der zweite Track macht es deutlich: „Eleanor Rigby“ wird von einem Streichquartett begleitet. Hier hatte natürlich der großartige Produzent George Martin seine Finger und seine Kunst im Spiel. Sein Sohnemann Giles Martin durfte nun neu an die Masterbänder. Als Produzent. Also als Meister der Ästhetik. Zu seiner Seite stand Sam Okell als oberster Tontechniker. Wer verdient mehr Lorbeeren? Schwierig. Vor allem der Mix von Okell bestimmt. Giles Martin wird eher den Rahmen der Spielregeln vorgegeben haben.

Ist das nun die tote Kuh oder tatsächlich ein Geniestreich der neuen Ackermänner? Schwierig. Bei den anderen Neuauflagen habe ich echt gejubelt. „Sgt. Pepper“ machte den Auftakt, dann das „Weiße Album“, „Abbey Road“ und im Finale „Let it be“. Nun plötzlich ein Schritt rückwärts in der Historie. So wird die Uhr bei Universal Music wahrscheinlich auch weiter ticken – bis zu den ersten Aufnahmen von 1962.

Der remasterte Klang

Doch hier dreht sich meine Meinung. Waren die bisherigen Alben regelrecht beglückend, so klingt „Revolver“ seltsam brachial. In den späten Aufnahmen hat insbesondere Paul McCartney mit seinem Bass gewonnen. Nun aber wirkt „Revolver“ seltsam fundamentlos. Wo ist der Bass? Alles klingt hell – und leider auch über die Grenze des Aggressiven.

Beatles "Revolver" Cover
„Revolver“ ist ien tolles Werk, aber das aktuelle Remastering ist nicht sonderlich gelungen

Retten die alternativen Tracks diesen Eindruck? Nicht wirklich. Das sind nette Vorstufen, die aber wenig über den kreativen Prozess verraten. Holt uns die LP aus der Schmollecke? Auch nicht. Das ist ein wirklich feines Half-Speed-Mastering, doch die Nähe zur nunmehr digitalen Basis bleibt. Die Beatles schreien uns an, insbesondere bei den Doppelmixes oder Mehrfachstimmen flirrt es in den Ohren.

Kann es sein, dass die alten Magnetbänder so viel Kraft verloren haben? Zumindest wurde der neue Mix an der Abbey Road kräftig von Rauschen befreit, da gibt es keine Nebengeräusche. Aber das wirkt auch nicht mehr als nur leicht auf Brillanz gebürstet. „For No One“ verliert seinen Charme, das elegante Hornsolo ist Nebensache. Es scheppert regelrecht. In den weiteren Tracks wirkt vor allem Ringos Schlagzeug wie eine Peitsche. Bei „Got To Get You Into My Life“ schneiden die Blechbläser ins Trommelfell, bis sich körperliches Unwohlsein einstellt. Überraschender Griff in die schlechtesten Werte der digitalen Wandlung. Sind die Masterbänder tatsächlich so lausig?

Fazit Beatles „Revolver“

Wahrscheinlich nicht. Und so klingt es fast wie Polemik, ist aber nicht so gemeint: Wer den besten „Revolver“-Klang haben will, sollte sich die deutsche Erstpressung unter dem „Hörzu“-Label von 1966 zulegen. Gar nicht so teuer. Das klingt weitaus authentischer und im besten Sinne auch audiophiler.

Echte Fans werden natürlich trotzdem zuschlagen: Wer wenig Geld ausgeben möchte, wird sich die einzelnen CD zulegen. Wer mehr Geld hat und in der Moderne angekommen ist, der lädt den High-Res-Datensatz in 24 Bit und 96 Kilohertz herunter. Wer auf die Euros überhaupt nicht achten muss, wartet auf den Postboten und ein Luxusalbum mit vier LPs und fettem Bildband. Das stellt man sich ins Regal und hofft darauf, dass die weltweiten Fans in zehn Jahren bei eBay hysterische Summen zahlen.

Beatles "Revolver" Edition
Beatles „Revolver“ in der noblen Vinyl-Deluxe-Edition: 4 LPs, eine EP plus Bildband für knapp 300 Euro

Mein Tipp: Am besten die über 60 Tracks der Neuedition per Download sichern, dazu die einfache LP mit der originalen Track-Abfolge in Stereo. Tut finanziell am wenigsten weh. Bringt aber den höchsten Einblick.

Bewertung:

Beatles „Revolver“
2022/10
Test-Ergebnis: 4,0
GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Weitere Beatles Remasterings:

Beatles Abbey Road remastered: ein Muss für den Fan
Das Weiße Album der Beatles: remastered und auf LP
The Beatles: The Beatles 1 und The Beatles 1+

Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.