Eine Supergroup aus dem Indie/-Alternative-Segment? Wir stutzten zunächst, als wir von der Zusammenarbeit zwischen den Britpoppern Alex Kapranos (Franz Ferdinand) und Fran Healy (Travis) mit diversen, stilistisch eher etwas retroesker disponierten Kollegen aus der US-Szene erfuhren – entdeckten dann aber mit BNQT Volume 1 eine faustdicke Überraschung – und die LowBeats CD der KW 18.
Der Begriff der „Supergroup“ ist je nach musikalischer Couleur höchst unterschiedlich besetzt. Kündigt sich ein Projekt an, bei dem die Köpfe führender Bands aus Prog-, Art- und Classic-Rock-Gefilden aufeinandertreffen (also, sagen wir: Alan Parsons, Jon Anderson, Michael Sadler und Steve Hackett), nähert sich die Zielgruppe in Windeseile der Raserei. Derselbe Effekt auch in der Hardrock-Szene: Saitenzauberer wie Steve Vai, Joe Satriani, Yngvie Malmsteen und Tony Iommi schwingen gemeinsam ihre Gitarren? Der Wahnsinn!
Gänzlich unterschiedlich fällt die Reaktion in Independent-/Alternative-Kreisen aus. Davon abgesehen, dass derartige Konstellationen in diesem Genre schon unter den Musikern selbst eher ein no-no sind: Auch das geneigte Publikum hält derlei „Supergroups“ eher für eine Belästigung aus eben jenen Gefilden, von denen man sich aus guten Gründen fernhält.
Wenn sich nun also diverse Herren von führenden angloamerikanischen Indiebands zu einer solchen Elefantenhochzeit zusammenfinden, tendiert man erst mal zu Verwunderung und danach vielleicht zu Ignoranz. Im Fall von BNQT Volume 1 wäre das allerdings schade, und zwar aus zwei Gründen. Denn erstens sind die Mitglieder dieser Formation so exzellent beleumundet, dass diese Truppe einen Vertrauensvorschuss definitiv verdient hat. Und zweitens klingt das Ergebnis derart überraschend anders, als man es angesichts des line-ups vermuten könnte – und zwar auf überzeugendem Niveau.
Initiiert hat die ganze Sache Eric Pulido von der US-Band Midlake. Der Einladung zu einem gemeinsamen musikalischen Bankett (so die ausformulierte Übersetzung des lautmalerischen Bandkürzels BNQT) folgten alsdann: Alex Kapranos, Frontmann der – phasenweise – großartigen Schottenrocker Franz Ferdinand, Fran Healy, Sänger der englischen „five-o’clock-tea-Gitarrenpopper“ Travis, Ben Bridwell von der in Seattle beheimateten US-Dreampop-/Indierockband Band Of Horses sowie Jason Lytle von den kalifornischen Kollegen Grandaddy. Von Midlake stießen zudem noch Bridwells Kumpels McKenzie Smith, Joey McClellan und Jesse Chandler zum gemeinsamen Musizieren hinzu. Wer nachzählt, kommt fix zu dem Ergebnis: USA gegen England 6:2. Und tatsächlich zeigt der Kompass auf BNQT Volume 1 deutlich gen West-Südwest. Das verblüfft natürlich vor allem, was Kapranos und Healy betrifft – und tatsächlich zeigen die beiden Angelsachsen hier ein bemerkenswertes Händchen für amerikanisches Weastcoast-Flair.
Die Sause startet zunächst allerdings mit einem Glamrock-Kabinettstück, das zwar Midlake-typische Züge trägt, aber noch etwas mehr knarzt als von Bridwell & Co. gewohnt. Danach entpuppt sich dieses BNQT Volume 1 Jointventure als ein wunderbar gelassener Ritt Richtung Sonnenuntergang, ausgeleuchtet in den warmen Klangfarben der 70er Jahre.
Streicher, Bläser und Orgel stehen im Mittelpunkt der Arrangements und die mehrstimmigen Gesangs-Parts atmen eine Homogenität, als spiele hier ein Ensemble zusammen, das einander seit zwei Jahrzehnten bestens vertraut ist. Dazu hier und da etwas Glockenspiel oder E-Piano und es entsteht ein harmoniegetränkter Sound, bei dem eine Truppe von Mittvierzigern ihre eigene musikalische Sozialisation ausblendet und sich auf Spurensuche nach der Musik ihrer Vorväter begibt.
Wohin die Reise führt, zeigen die flächig ausgebreiteten Akustikgitarren, die Erinnerungen an zum Beispiel Jeff Lynne wecken – und an eine andere Supergroup, die vor einem Vierteljahrhundert für Furore sorgte. Damals taten sich George Harrison, Bob Dylan, Tom Petty und Roy Orbison zusammen und revitalisierten (mit Lynne als Produzent) als Traveling Wilburys das Beste aus Sixties- und Seventies-Pop. (By the way: Wer bei diesem lineup den Schlagzeuger vermisst, hat natürlich recht. Als sechstes Familienmitglied kümmerte sich Buster Sidebury, sozusagen der Cousin der Wilbury-Sippe, um Rhythmus und Groove. Unter diesem Pseudonym bearbeitete damals Top-Drummer Jim Keltner die Becken und Felle. („Ham wir wieder was gelernt“, würde Markus Kavka jetzt sagen …)
Bei BNQT Volume 1 heißt der Mann an der Schießbude McKenzie Smith, und er spielt, was es braucht, um die Songs gemütlich vorandriften zu lassen – und keinen Deut mehr. Wer also Hymnen für die Indie-Disco hofft, der möge woanders suchen. Der erste Streich von BNQT führt klar Richtung Amerika, stürmischer Britpop findet nicht statt.
Diese Gangart mag Fans von Franz Ferdinand und Travis vielleicht enttäuschen – wird sie aber bei vorurteilsfreiem Hören mindestens ebenso sehr erstaunen. Kapranos und Healy gliedern sich bruchlos in die feinen Satzgesänge ein und sind zentrale Stützen des leicht psychedelischen Gruppensounds. Das immer mal wieder aufblitzende Beatles-Flair wiederum mögen sicherlich alle beteiligten Musiker im Blut haben – eine Songperlen wie „Mind Of A Man“ lässt sich also nicht unbedingt auf das Mitwirken der beiden Briten zurückführen.
Umgekehrt wird allerdings schon ein Schuh draus. Dass bei BNQT Volume 1 vieles nach dem Westcoast-Sound der 70er-Jahre klingt, manches gar dezentes Laurel-Canyon-Feeling verströmt, das ist sicher eher der Verdienst der amerikanischen BNQT-Musiker – doch auch die beiden Briten haben diesen Sound bemerkenswert gut drauf. Weitere Highlights: das psychedelisch-poppige „Hey Banana“ mit einem bestens aufgelegten Alex Kapranos als Leadsänger – und „Real Love“, das sogar charmante Bachtrompeten auffährt.
Alles zusammen: BNQT Volume 1 ist eine gelungene Fingerübung von sieben prachtvollen Musikern, die sich auf einen Sound verständigten, der ihnen hörbar eine Herzensangelegenheit ist.
BNQT Volume 1 erscheint bei Bella Union im Vertrieb von Rough Trade und ist erhältlich als Audio-CD und als LP in orangefarbenem Vinyl plus Download-Code.
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