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Spacig, krautig, jazzig: C.A.R. aus Köln inszenieren ein Multi-Stilmix-Happening mit Krautrock-Anleihen

Das Audiophiles Album: C.A.R. „Gästeliste“

„Wir könnten erstmal weit ausholen und über deutsche Nachkriegsmusikgeschichte wie Krautrock, Kosmische Musik und Jazz-Rock schwadronieren und was das jeweils für uns bedeutet. Wir könnten aber auch einfach sagen: Hallo, wir sind C.A.R. aus Köln und wir spielen Musik, wie sie uns gefällt: Ein bisschen akustisch, ein bisschen elektronisch; auf einem Trip, aber ohne genaues Ziel; intensiv, aber nicht brutal; sphärisch, aber nicht beliebig; ausschweifend, aber doch präzise. Hilft euch das weiter? Nein? Dann bleibt ein Weilchen und hört zu!“

Gut, bitte, dann holen wir erstmal weit aus und hören später gerne zu. Denn das Quartett kocht immerhin schon ein Dutzend Jahre lang nach ganz eigenem Arrangement- und Stil-Rezept. Vielleicht kann man ihre Musik leichtsinnig Kraut-Jazz nennen, eine Art elegantere, moderne Schwester von Kraut-Rock. Kenner wissen: Der kochte einst um die bundesdeutschen 70er Jahre hoch und brachte brave, biedere Bürger schonmal ins Schwitzen. Das Experiment, die Improvisation lebten hoch, ebenso wie Elektronik und Synthies. Nix Schlager.

Mit „Krauts“ bezeichneten angelsächsische Bürger während des Zweiten Weltkriegs ja gerne mal deutsche Soldaten. So viel zur Historie. Aber vergessen wir diese Zeiten: Die Musikküche listet einige patente Köche des Krautrock auf, wie Embryo, Faust, Guru Guru, Birth Control oder natürlich Can. Agitation Free aus Berlin gingen sogar für das Goethe-Institut im Nahen Osten auf Tour, während Amon Düül II eher im heimischen Bayern vor sich hin dampfte. Coole Jungs und Mädels.

Jazz an Kraut als Genre-Rezept des Quartetts zu benennen wäre dennoch zu verkürzt. Die Vier aus Köln, Leonhard Huhn (Saxofone, Electronica, Vocals), Christian Lorenzen (Wurlitzer, Synthies, Schlagzeug), Kenn Hartwig (Bass, Gameboy, Electronica) und Johannes Klingebiel (Schlagzeug, Synthesizer, Vibraphon) luden für ihr neues Album ebenso spielfreudige „Gäste“ ein. KollegInnen wie Pegelia Gold (Vocals), Max Loderbauer (Synthies, Moog One u.a.) und Niklas Wandt (Percussion) erspielen sich im Gesamt-Team ein noch größeres, schillerndes Sound-Spektrum.

Die Musik von C.A.R. „Gästeliste“

Zunächst zum Klang: Der punktet mit tollem Raumgefühl, feiner Auflösung, Körperhaftigkeit und authentischen Klangfarben. Die fünf Stücke schwingen allesamt eher zeitlich opulent im Bereich zwischen gut sechs und knapp zehn Minuten.

Im Opener „A Signal From A Mouth“ schmiegen sich glockenklare Vocals hinreißend an Ambient-Pop, sphärisch aufwallend, Synthie-getränkt.  In „Major Step In Your Career“ blasen dannn experimentell aufgeladene Elektronikteilchen zur Hetzjagd auf Synthie-Sounds, kriegstrommelartig begleitet.
In „Take Out The Schmutz“ (haha…) flirten wiederum feinst aufgelöste Percussion-Partikel mit dunklen Grooves und aufmüpfigen Elektronikblubbern. Und auf dem „Osaka Highway“ blühen strahlende Percussion und sonores Altsaxofon zu leicht polternden Drums im gediegenen Ambient-Soundgewand auf, Jan Garbarek lässt grüßen. „Ein bisschen akustisch, ein bisschen elektronisch; auf einem Trip…“ eben. Da kocht die Laune hoch.

CAR Gästeliste Cover
C.A.R. mit „Gästeliste“ erscheint bei Bimba / The Orchard-Membran, auf LP oder online, zum Beispiel auf qobuz.de
C.A.R.„Gästeliste“
2024/01
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.