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Van Daelen & Ciuche
Anne Clarke, die in den 1980err Jahren ein neues Kapitel in der elektronischen Musik aufschlug, nahm jetzt ein audiophiles Album mit akustischen Instrumenten auf. Spannend. Und klanglich ein Hammer! (Foto: Stockfisch)

Die audiophile Aufnahme: Anne Clark „Borderland“

Sie gilt als eine der Begründerinnen der elektronischen Musik und des New Wave in den 1980er Jahren. Anne Clark verschrieb sich aber auch anderen Kunstformen wie der Lyrik. Aber sie pflegt auch eine große Liebe zur akustisch geprägten Musik – wie hier im wunderbaren Zusammenspiel mit Harfe und Violine (Ulla van Daelen & Justin Ciuche) deutlich wird. Und weil das Werk auch noch liebevollst beim Northeimer Vorzeige-Label Stockfisch aufgenommen wurde, ist Anne Clark „Borderland“ unser betörendes audiophiles Album der Woche. Wobei ich an dieser Stelle der Vollständigkeit halber anfügen müssen, dass der komplette Titel des Albums Anne Clark with Ulla van Daelen & Justin Ciuche „Borderland – Foud Music For A Lost World“ lautet. Doch ich belasse es während des Textes bei der Kurzform.

„Entschuldigung, können Sie mir bitte sagen, wo die Straße der Hoffnung ist?
Straße der Hoffnung.
Sie haben noch nie davon gehört? Okay, trotzdem vielen Dank.
Verzeihung! Entschuldigung? Oh, ‚tschuldigung…
Verzeihen Sie, können Sie mir bitte sagen, wie ich zur Straße der Hoffnung komme?
Straße der Hoffnung.“

So startet einer ihrer bekanntesten Songs „Hope Road“, akustisch umrahmt von Sounds und Samples, ihres Klasse-Albums „Hopeless Cases“ von 1987. Ein typisches Clark-Stück, das sich einreiht in ihre Pionierarbeit der 80er Jahre in Sachen Elektronische Musik und ihre Rolle als Lyrikerin. Doch da war und ist mehr, viel mehr, das Anne Clark auszeichnet als Künstlerin und als Mensch. Musikalisch durchdrang die heute 62-Jährige immer wieder den Kosmos akustisch geprägter Musik und gab hin- und mitreißende Konzerte an außergewöhnlichen Orten wie der Passionskirche in Berlin Kreuzberg 1994 (Album „Psychometry“) – und erneut diesen Sommer.

In jungen Jahren holte sie frische Bands und Musiker wie Paul Weller oder Siouxsie And The Banshees ins Londoner „Warehouse Theater“ bevor sie schließlich selbst die Bühne betrat und dabei „Im Cabaret Futura“ mit Depeche Mode spielte. Die irisch-britische Musikerin liebt Spoken Words, die Melancholie und die Kraft, die lyrische Tiefe möglich machen kann. Und nun „Borderland“. Ein akustisches Album voller Kraft, Magie und Energie. Ein wenn man so will, minimalistisches Werk für die eher ruhigen Momente. Schwer zu beschreiben, ohne ins blumige Schwärmen zu geraten.
Lassen wir sie es selbst sagen:

„Ich möchte dich mitnehmen / oder eher näher bringen / näher zu Dingen / näher zu dir selbst / Tiefer / Borderland ist ein Platz wo zwei / oder sogar mehrere die Welt treffen / um etwas Neues zu entdecken / etwas Uraltes / etwas außerhalb der Zeit /

Womit wir bei den Songs, besser den Stücken, wären.

Die Musik von Anne Clark „Borderland“

Zunächst einmal: Günter Pauler und die Stockfisch-Crew haben ganze Arbeit geleistet. Wieder einmal. Denn die zarte Liaison zwischen Violine, Harfe und Anne Clarks sonorer Stimme fingen die audiophilen Label-Geister formidabel ein: Raumambiente, Auflösung/ Plastizität, Farbschattierungen und Feindynamik brillieren, ebenso wie Körperhaftigkeit. „Vielen Dank Günter und allen bei Stockfisch Records, dass ihr uns Dreien die Möglichkeiten geschaffen habt, diese Reise zu machen“, lobt Anne Clark die Sessions in Northeim. Und weiter: „An einem Ort und in einer Zeit, in der so viele von uns so wenig Kontrolle über die Umstände und Ereignisse haben, fühle ich mich privilegiert, dass mir die Möglichkeit gegeben wurde, Ideen und Themen rund um Sprache und Musik zu entwickeln und zu erforschen, die sich in der großartigen Umgebung des Stockfisch Records Studios spontan entwickelt haben.“

Wenn Harfenklänge im Spiel sind, dürften viele HiFi-Freunde an die wallenden Sound-Wogen von Andreas Vollenweider aus den 1980er Jahren denken. Während der Schweizer akustisch sein Instrument gerne in Ambient-Gefilden zupft und streichelt, fokussiert Ulla van Daelen eher den klassischen Flow, inklusive keltischem Touch wie hier zusammen mit Anne Clark. Vollenweider und van Daelen solo hatten wir übrigens auch schon vorgestellt – siehe Andreas Vollenweider „Quiet Places“.

Doch zurück zu den gemeinsamen Weisen der drei MusikerInnen im Stockfisch-Studio. Die 13 Stücke scheinen von innerer Strahlkraft getränkt. Mit zart besaiteten Violinen- und Harfentupfern pastellig abgefedert. Und von Anne Clarks wärmender, eindringlicher Stimme glaubhaft intoniert, ohne dominant zu wirken. Und mit schillernder Poesie gespickt. Ein fein verschmolzenes Wechselspiel, getragen von eigener Lyrik aber auch von Zeilen Altvorderer.

„The Stolen Child“ schrieb der irische Literatur-Nobelpreisträger William Butler Yeats.
… Come away, O human child!
To the waters and the wild
With a faery hand in hand
For the word’s more full of weeping
Than you can understand …

„The Bluebird“ stammt aus der Feder von Mary Coleridge, die ihrer Zeit Ende des 19. Jahrhunderts weit voraus war. Doch die Eigenkompositionen beeindrucken ebenso: Die Soloparts von Harfe und Violine berühren die Seele. Insgesamt waren die Sessions ein durchaus mutiges Unterfangen: „Mein Co-Autor und Bandmitglied, der Geiger Justin Ciuche, trat mit der Idee an mich heran, zusammen mit der Harfenistin Ulla van Daelen ins Studio zu gehen und eine komplette ‚Live‘-Session aufzunehmen – ohne Plan und ohne vorherige Absprachen, außer ein paar Notizen mit Ideen für meine Texte“, so Anne Clarke. Dafür wurde es ein wundervoll stimmiges Gesamtwerk.

Anne Clarke Borderland Cover
Anne Clark „Borderland“ erscheint bei Stockfisch / in-akustik als Hybrid-CD/SACD sowie als HiRes-Download (FLAC 24Bit/88kHz mit pdf-Booklet) oder DMM-Doppel-LP mit vierseitigem Inlay-Blatt (Cover: Qobuz)

 

Videoclip „The Stolen Child“ live im Studio:

 

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Anne Clarke Borderland
2022/10
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.