Ballaké Sissoko gilt als Koriphäe der Lautenharfe Kora. Auf seinem neuen Album spinnt er einen interdisziplinären Bogen mit anderen MusikerInnen, die das Werk mit Vocals, Cello oder Klarinette beflügeln. Und die Aufnahmen ist klanglich extrem gut geworden. Und so ist Ballaké Sissoko Djourou unser audiophiler Tipp der Woche.
Aus Westafrika schweben wunderbar beseelte Harfentöne der Kora zu uns herüber – aber nicht nur das: Der Malier Ballaké Sissoko, seines Zeichens einer der versiertesten Kora-Spieler des Kontinents, lädt auf Djourou zum interdisziplinären Happening mit gleichgesinnten Musikern unterschiedlicher Couleur. Ein hinreißend beherztes Unterfangen, das dank feinem Klang noch über sich hinauswächst.
“Djourou ist das Band, das mich mit anderen verbindet“, erklärt Ballaké Sissoko, Meister der Stegharfe oder auch Harfenlaute genannt. „Djourou“ stammt aus der Bambara-Sprache aus Mali und vereint noch eine zweite Bedeutung, nämlich „Saite“. Und so verschmilzt der Albumtitel die Kora als Instrument sowie in der Musik gleichermaßen das Einzelne mit dem Vielfältigen – was sich auch in der illustren Gästeliste widerspiegelt: Mit auf den poetischen Roadtrip begeben sich Sona Jobarte, Koraspielerin aus Gambia, der Cellist Vincent Sega, Klarinettist Patrick Messina, die Sänger Salif Keita und Piers Faccini sowie die Sängerin Camille. Hinzu gesellen sich der Pariser Rapper Oxmo Puccino und Arthur Teboul, Sänger der französischen Rockband Feu! Chatterton.
Ballaké Sissoko ließ bereits 1997 mit seinem Album „Déli“ als überaus virtuoser Solokünstler aufhorchen. Im Laufe der Jahre gab es dann einige Teamworks, unter anderem mit Toumani Diabate auf dem Album „New Ancient Strings“, dem Nachfolger des legendären Kora-Ur-Werks von 1970, das ihre beiden Väter Djelimady und Sidiki eingespielt haben („Ancient Strings“). Zudem gab sich der heute 54-Jährige mit dem Pianisten Ludovico Einaudi auf dem jazzigen „Diarió Mali“ die Ehre. Im akustischen Mittelpunkt strahlte stets die Kora, diese mit beiden Händen von Daumen und Zeigefingern bespielte, kuhfellbespannte Kalebasse mit ihrem senkrecht stehenden Steg. Für die 21 Saiten nahm man früher Antilopenhaut, heute Nylon. Seine Neugier auf Instrumente, die einen poetischen Dialog mit der Kora bilden, brachten den jungen Ballaké zu Sitar, Oud oder dem Cello – und damit zu seelenverwandten MusikerInnen, mit denen er genreübergreifend spielt. Seine große Liebe ist jedoch die Kora.
„Ballaké repräsentiert ein Stück der Musikgeschichte Malis“, so der französische Rapper Oxmo Puccino, „es ist eine kraftvolle Stille, eine sakrale Musik.“ Die sanften Klänge der Harfenlaute gelten als das musikalische Symbol für Westafrika. Ballaké Sissoko genießt einen hohen Status, den er sich als Sohn des Koraspielers Djelimady Sissoko als Erstgeborener aber erst einmal erarbeiten musste. Als der Vater starb, übernahm Ballaké die Verantwortung für die Familie und wurde gleichzeitig Mitglied des „National Instrumental Ensemble“, einem renommierten Staatsorchester, indem er die traditionelle Erziehung genoss. Das Leitmotto lautete, das man unbedingt zuhören solle, bevor man spricht. Ein wichtiger Aspekt, den ihn als Transferwissen auch bei seiner Arbeit mit MusikerkollegInnen beflügelt.
Die Musik von Ballaké Sissoko Djourou
Das Album ist Spielwiese und Happening, Treffen von Gleichgesinnten gleichermaßen. Zum Kora-Spielen gesellt sich traditionell gerne Gesang. Kein Wunder also, dass sich im Reigen der Gäste patente VokalkünstlerInnen finden. Das Klangbild, das die neun Stücke rahmt, lässt audiophile Herzen höherschlagen: Feindynamik, Raumgefühl, Farben und Plastiziät verbinden sich extrem harmonisch mit den feinen Klängen von Kora und Stimmen.
So die Sängerin Camille in der zärtlichen Hommage an die „Kora“. Die Französin schmeichelt dem Instrument mit zart-samtiger Stimme und spinnt einen herzerwärmenden Dialog mit dem Spiel Ballakés. Mit „Frotter Les Mains“ begibt sich Sissoko mit dem Pariser Rapper Oxmo Puccino auf eine Reise in die Vergangenheit: Die „uralten Töne finden ihren Widerhall auf dem gesamten Weg bis hin zu den Vorfahren“, so Puccino. Die Lyrik widmet sich den Händen, der Freude am Berühren in Zeiten, die immer „kontaktloser“ und „distanzierter“ zu werden scheinen. Wenn Ballaké Sissoko über das Händereiben singt, wirkt sein Spiel wie bei „einem Fingerballett auf einem Dutzend Saiten, wunderschön anzusehen. Es ist, als ob er die Musik zusammenstrickt.“
Das Teamwork mit Piers Faccini, einem musikalischem Weggefährten Ballakés, erfährt mit sonorer Stimme in „Kadidja“ Erfüllung. Auf dem gut neunminütigen „Un Vêtement Pour La Lune“ erhebt Arthur Teboul, Sänger der französischen Rockband FEu! Chatterton seine Stimme, um in eine mystische Aura abzutauchen. Salif Keita wiederum lässt seine Stimmbänder im fünfeinhalbminütigem „Guelen“ angeraut zu flirrenden Saiten-Sprüngen erklingen. Der französische Cellist und Kontrabassist Vincent Segal, der zusammen mit Patrick Messina, seines Zeichens Solo-Klarinettist beim „L’Orchestre National de France“ spielt, widmet zusammen mit Ballaké Sissoko dem Komponisten Hector Berlioz auf „Jeu Sur La Symphonie Fantastique“ eine herrlich strahlende Reminiszenz. Die Koraspielerin Maya Sona Jobarteh aus Gambia wiederum stimmt mit Ballaké im Titelstück ein schillernd filigranes, facettenreiches Kora-Duett an. Und solo greift Ballaké Sissoko auf „Demba Kunda“ und „Mande Tabolo“ beherzt und sanft in die Saiten.
Quintessenz: Ein herzerwärmendes Album, das ewig jung und frisch bleiben dürfte.
Bewertungen
MusikKlangRepertoirewertGesamt |
Videoclip Ballaké Sissoko & Camille – „Kora“
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