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Trio Tapestry Lovano
Joe Lovano ist der Kopf des Trio Tapestry, das nun mit "Garden Of Expression" ein auch klanglich herausragendes Album vorlegt (Foto: ECM)

Die audiophile Aufnahme: Trio Tapestry Garden Of Expression

Was für ein zart blühender, audiophiler Jazz-„Garten“: Saxofonist Joe Lovano bildet mit der Pianistin Marilyn Crispell und dem Drummer Carmen Castaldi ein perfekt aufeinander eingespieltes Trio, das mit seinem neuesten Werk ein nuanciertes Klangfeuerwerk abbrennt: Trio Tapestry Garden Of Expression ist unser neuester audiophiler Tipp.

Trio Tapestry
Trio Tapestry sind (von rechts): Joe Lovano, Marilyn Crispell, Carmen Castaldi (Foto: ECM)

Das Saxofon wurde Joe Lovano quasi in seinem Geburtsort Cleveland/ Ohio in die Wiege gelegt: Schon der Papa blies als Tony „Big T“ Lovano in das edle Instrument. Später besuchte der heute 68-Jährige die renommierte Berklee School Of Music in Boston, unter anderem als Schüler von Gary Burton. Unter seinen früheren und bisherigen Teamspielern finden sich prominente Namen wie Bill Frisell, Carla Bley, Lee Konitz, Charlie Haden oder Joshua Redman. Ein ausgezeichneter Musiker: Sein Album „Quartets At The Village Vanguard“ erhielt beispielsweise 1997 zwei Grammy-Nominierungen. Lovano kollaboriert zudem mit dem Trompeter Dave Douglas im Quintett Sound Prints. Und in puncto Hochschule schloss sich für ihn der Kreis, indem er an seiner „alten“ Uni selbst dozierte, ebenso wie 1983 bis 1990 am William Patterson College in New Jersey und an der New York University.

Mit dem Trio Tapestry debütierte Lovano 2019 zusammen mit den langjährigen musikalisch verwandten Seelen Marilyn Crispell am Piano und Carmen Castaldi am Schlagzeug. Eine „flüsternd geäußerte Sicherheit, Lyrik und Spannung“ attestierte der Boston Globe dem Debüt.

Das Nachfolgerwerk spinnt diesen subtilen Tenor souverän weiter. Lovano betört dabei sein Tenor- und Sopransaxofon aus der Werkstatt der italienischen Nobelmarke Borgani (mit handgemachten Mundstücken, unter anderem von Francois Louis). Aber auch zum Tarogato greift er, ein der Klarinette ähnliches Holz-Saxofon, das in Ungarn als Nationalinstrument gilt.

Die Musik von Trio Tapestry Garden Of Expression

Betreten wir nun diesen zauberhaft intuitiv gestalteten „Garten“. Ein Garten der musikalisch feinen Sinne, der sich rhythmisch eher gerne losgelöst denn im Fluss spiegelt. Die Drei wirken dabei wie verschmolzen, setzen eigenständige Nuancen, schälen sich hier und da selbstbewusst und Ton-angebend heraus, hören wiederum sensibel aufeinander und bringen sich punktgenau intuitiv ein. Ein kammermusikalisches Jazz-Vergnügen. Pointiert, konzentriert und doch leichtfüßig wirkend. Und ein leichtes Maß an Konzentration fordernd.

Gut, Zusammenspiel beruht logischer Weise auf Dialog. Aber das WIE klingt hier beeindruckend. Außergewöhnlich. Man merkt: Die kennen sich scheinbar ewig, erspüren sich akustisch, erahnen und antworten punktgenau mit pastelligen Phrasierungen. Ohne permanentem Flow. Sondern gerne mit Pausen und Atem holen. Lovano selbst beschreibt diese Interaktion als „magisch“.

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Trio Tapestry Garden Of Expression Bildband
Auch das Begleitheft ist wirklich hübsch gemacht und zeigt …
Trio Tapestry Garden Of Expression Bildband
… auch Impressionen der Aufnahmen (Foto: C. Dick)
Trio Tapestry Garden Of Expression Bildband
(Foto: C. Dick)
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Womit wir zur exzellenten Aufnahme kommen. Die Akustik des Auditorio Stelio Molo RSI, oberhalb des schönen Luganer Sees im Tessin gelegen, gilt als direkt und wenn man so will detailverliebt. Genau die richtige Atmosphäre um die teils filigran gespielten und tontechnisch von Stefano Amerio (Chef-Toningenieur des Studios „Artesuono“) fein ausbalancierten Trio-Klänge klasse einzufangen und herauszuarbeiten.

Stefano Amerio
Stefano Amerio, der Chef-Toningenieur des Studios „Artesuono“, gilt als Mann mit audiophiler Note. Der feine Klang von Trio Tapestry Garden Of Expression unterstreicht diese These.

Das heißt: herrliche Auflösung und Plastizität trifft auf halbrundtiefe Raumakustik und authentische Klangfarben. Hinzu kommt eine sehr subtile Feindynamik, die sozusagen das Gras im „Garden Of Expression“ wachsen hört. ECM-Mastermind Manfred Eicher hat übrigens – wie ja meistens – produziert. Lovano hat sämtliche acht Stücke komponiert.

Mit dem „Chapel Song“ fängt der Reigen an. Ein zart-bedächtig beginnende Ton-Kollage, schillernd, akribisch, smooth mit schönen Saxofonschattierungen und klar getupften Pianoanschlägen. Die „Night Creatures“ ertönen danach vor allem mit einem chilligen Flow und pastellig-gediegenem Piano, eher freundlich denn bedrohlich. Das Titelstück wärmt später mit sonorem Saxofon, dezentem Drum-Rollen und einem im Verlauf kralligem Piano.

„Sacred Chant“ zeigt was die Drei in puncto intuitivem Zusammenspiel drauf haben. Ein fabelhafter Dialog, ein „Trialog“ wenn man so will, mit pulsierend-minimalistischen Einsprengseln. „Dream On That“ rüttelt wiederum wach mit federndem Rhyhtmusgespinst, und aufmüpfigen Piano, konterkariert von Lovanos beinahe rotzigem Saxofonspiel und polternden Drums. Die Post geht ab. Exotisch-asiatisch endet die Gartenschau, indem Lovano auf „Zen Like“ selbst Gongs behämmert und Piano und Percussion dazu passgenaue Akzente liefern.

Oder wie meint der Sax-Meister dazu? „Life’s music is full of Treasured Moments in the Garden of Expression“.

Trio Tapestry Garden Of Expression erscheint bei ECM (Universal Music) als CD, LP sowie als Stream sowie MP3-Download (Cover: amazon)
Trio Tapestry Garden Of Expression
2021/03
Test-Ergebnis: 4,8
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

 

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.