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Anton Schalkamp mit mit einem Breitband-Chassis aus der Bose 901, 2013 (Foto: R. Vogt)
Anton Schalkamp prägte lange Zeit als Bose-CEO die hiesige UE-Branche. Nun verstarb der Erfolgs-Manager bei einem Auto-Unfall (Foto: R. Vogt)

Die S-Klasse fährt nicht mehr: Nachruf auf Anton Schalkamp

Wer von oben auf unsere kleine HiFi-Welt schaut, versteht schnell, dass Anton Schalkamp ein Großer war. 1977 kam er als Handelsvertreter zu Bose, bereits 1985 (da war er gerade einmal 33) wurde er Bose-Geschäftsführer für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Er übernahm die Leitung, als kaum noch jemand einen Pfifferling auf die Marke gegeben hätte. Aber Anton Schalkamp bewies einen untrüglichen Instinkt für die richtigen Mitarbeiter, das richtige Marketing und die richtige – stets Fachhandels-orientierte – Herangehensweise.

Unter seiner Ägide bekam das (eigentlich verpönte) Bose-Image einen unglaublichen Schub: Die legendären Sub/Sat-Systeme traten ihren Siegeszug an. Es wurde cool, Bose zu besitzen. Fragt man heute Vertreter der Babyboomer-Generation nach HiFi-Produkten, fällt ihnen meistens nur eine Marke ein: Bose.

Trotzdem wiesen die Amerikaner Anton Schalkamp 2015 die Tür: Seine klaren Vorstellungen kollidierten mit jenen der Erben von Professor Amar Bose. Wie gut Anton Schalkamp seinen Job verstand, wird man in der amerikanischen Chefetage mittlerweile wohl schmerzlich verstehen: Aktuell ist Bose in der Audio-Welt kaum noch wahrnehmbar.

Nun hätte man vermuten können, dass jemand, der so lange so e(h)rfolgreich gearbeitet hat, sich mit knapp über 60 Lenzen einfach zur Ruhe setzt. Wer Anton Schalkamp kannte, wusste, dass dies keine Option war. „Krönchen gerade rücken, weitermachen“, sagte er bei solchen Gelegenheiten – und machte genau das. 2016 wurde er in den Verwaltungsrat der schwächelnden HFi-Ikone Revox berufen und auch hier zeigt sein Wirken längst Erfolge.

Anton Schalkamp bei einem Revox Presse-Event in den Bauer Studios
Wenn er sprach, hörten alle zu: Anton Schalkamp bei einem Revox Presse-Event in den Bauer Studios/Ludwigsburg (Foto: H. Biermann)

Doch bei allen Erfolgen ist Anton Schalkamp immer Mensch und auf dem Teppich geblieben. Er kam aus dem westfälischen Städtchen Ennigerloh und blieb dort auch Zeit seines Lebens wohnen. Und auf höchst angenehme Weise erfüllte er fast alle positiven Klischees, die man Menschen aus diesem Landstrich unterstellt: Er redete nicht um den heißen Brei, ein Handschlag galt und ein gut gezapftes Bier war ihm allemal lieber als ein nobler Cognac. Er war ein heller Geist, kritikfähig und er hörte zu – und zwar jedem. Als ich mein erstes Gespräch mit ihm führte, war ich noch ein kleiner Volontär bei der Audio und er schon der große Bose-CEO. Und trotzdem konnte er sich 25 Jahre später noch an dieses Gespräch erinnern. Bemerkenswert für einen solchen Firmenlenker.

Wenn man Anton Schalkamp zu Hause besuchte, kam es schon einmal vor, dass er gar nicht dort war, sondern zur Entspannung mit seinem Fendt-Traktor über die Äcker des elterlichen Hofs kurvte. War man dann zu Kaffee und Gebäck im Wohnzimmer gelandet, durfte (ich möchte sogar sagen: musste) man sich seine Anlage anhören und der Hausherr freute sich dabei diebisch, wie gut Musik mit diesen Komponenten aus der HiFi-Gründerzeit klingen kann.

Anton Schalkamp mit seiner Studer/Revox- und Bose-Sammlung zu Hause, 2013 (Foto: R. Vogt)
Anton Schalkamp 2013 mit seiner Studer/Revox- und Bose-Sammlung zu Hause. Gehört wurde über die Bose 901 – natürlich Generation 1 (Foto: R. Vogt)

Doch nicht HiFi, nicht der Traktor, nicht die elterliche Scholle, sondern ein Auto war jener Bestandteil in seinem Leben, das ihn vielleicht am besten charakterisiert: der Mercedes W140, die S-Klasse der Kohl-Ära, natürlich als 12-Zylinder-Variante. Anton Schalkamp liebte dieses Auto und er war alleiniger Weltrekordhalter im Sammeln gefahrener W140-Kilometer. Fliegen oder Zugfahren waren nicht sein Ding: Er fuhr mit dem 600er vor. So kamen weit über eine Million Kilometer zusammen. Die Zahl war so ungewöhnlich hoch, dass auch Mercedes auf ihn aufmerksam wurde. Die Stuttgarter wollten den Schalkamp‘ schen Benz für ihr Museum. Aber Anton Schalkamp winkte ab: „Ein besseres Auto gibt es für mich nicht. Außerdem: Woher bekomme ich denn heute noch einen Zwölfzylinder?“

Die Liebe war groß, aber nicht kritiklos. Weil er die überschwere Limousine gern sehr zügig in die Kurven lenkte, waren die originalen Bremsen schnell überfordert. Wir haben teils Tränen gelacht, wenn Anton augenzwinkernd und sehr humorvoll seine vielen vergeblichen Versuche beschrieb, bis er endlich die adäquate Bremsanlage gefunden hatte. Irgendwann war der Wagen dann tatsächlich auch für Anton perfekt.

Und doch starb er am 13. April an den Folgen eines Auto-Unfalls. Die Ironie der Geschichte wollte es, dass er in einem Leihwagen unterwegs war. Sein 600er hätte ihn vielleicht vor dem Schlimmsten bewahrt.

Der Tod von Anton Schalkamp ist aus vielen Gründen bitter. Man könnte all die Dinge anführen, die er noch vorhatte. Am bittersten aber ist wohl, dass mit ihm ein Typ stirbt, den es heute nicht mehr so oft gibt – von denen wir aber viel mehr bräuchten….

Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.