de
Al Stewart
Wer auf Sonder-Editionen steht, wird hier fündig: Sieben Zusammenstellungen, die allesamt das Zeug für die "Insel" haben...

Hidden Heroes: superbe Box-Sets & Editionen, die 2022 durchgerutscht sind

2022 haben viele Sonder-Editionen um die Gunst der Musikfans gebuhlt: Queen, klar. Die Beatles sowieso. Auch Tom Petty und Cat Stevens – allesamt Mainstream-Meisterwerke, die im vorigen Jahr in aller Munde waren. Und doch blieben einige Schätze und Schätzchen weitgehend unentdeckt auf der Strecke. LowBeats hat auch diese Hidden Heroes im Blick und möchte sie unseren Lesern an Herz legen – einfach, weil die meisten von ihnen Werke für die Ewigkeit, zumindest aber für die Insel sind. Diese wären:

⇒ PJ Harvey mit „B-Sides, Demos & Rarities“
⇒ Elton John: „Madman Across The Water“ als Limited 50th Anniversary Edition
⇒ John Cougar Mellencamp mit „Scarecrow“ als Super Deluxe Edition
⇒ Gilbert O’Sullivan „The Best Of Collection“
⇒ Al Stewart mit „Admiral Lights“ als Deluxe Boxset
⇒ Dave Stewart mit dem Box Set „Ebony McQueen“
⇒ Neil Young mit „Harvest“ als 50th Anniversary Deluxe Edition

Wir starten mit PJ Harvey:

Die umtriebige alternative britische Singer-Songwriterin entlässt 59 Perlen aus ihrem Dekaden-übergreifenden musikalischen Nähkästchen. Polly Jean Harvey aus dem ländlichen Dorset/ England hat uns seit Anfang der 90er Jahre mit phänomenalen Indie-Rock-Alben und ihrer Singer-Songwriterkunst beglückt. „Dry“ „Rid Of Me“ oder „To Bring You My Love“ sowie „Let England Shake“ zählen zu ihren Top-Alben. Hinzu kamen vitale Teamworks mit John Parish oder Nick Cave (siehe Video: „Henry Lee“).

PJ Harvey
PJ Harvey mit „B-Sides, Demos & Rarities“: 59 charmant-rare Songs zum CD-Schnäppchenpreis auf 3 CDs. Oder auf Vinyl (6 LPs), interessant für Sammler und Analog-Fans. Erschienen bei Island Records

Nun kramte die 52-Jährige in ihren Archiven und pickte 59 Songs heraus, die es bislang nicht ins helle Rampenlicht schafften. Single-B-Seiten, Demos und Raritäten aus über drei Jahrzehnten, darunter 14 bislang unveröffentlichte Stücke. Das Mastering übernahm Jason Mitchell bei Loud Mastering in Somerset/ England (Depeche Mode, The Police, U2) unter der Regie von Kumpel John Parish. Mehr Infos über Equipment und Technik auf der Studio-Homepage.

Das 3 CD-Set lockt mit individuellen Innenhüllen, einem zwölfseitigen Booklet und Credits, Artwork sowie raren Fotos. Und einem Kampfpreis von kaum über 20 Euro. Das limitierte 6LP-Set, gepresst auf 180-Gramm-Vinyl, kommt mit einem doppelwandigem Außenschuber, farbigen Hüllen, Credits plus Artwork und den raren Fotos.

Elton John: „Madman Across The Water“ als Limited 50th Anniversary Edition

Verrückte, geniale Zeiten: Das 71er Album „Madame Across The Water“ des damals jungen Elton John gilt als eines seiner Meilensteine – in der Jubiläumsedition wird das Werk zum Fest. Erschienen ist es am 5. November 1971. Keines aus dem Lager der E-Musik, sondern eines, das mit Streichern verwöhnt die U-Musik dauerhaft beglückte. Allen voran Hits wie „Tiny Dancer“ oder „Levon“. Elton John in Bestform, die er bis zu seinem phänomenalen Album „Captain Fantastic And The Brown Dirt Cowboy“ aus dem Jahr 1975 beibehalten sollte, bevor der Brite in seichtere Gewässer abdriftete.

Elton John
Elton John: Opulent aufgemachtes Jubiläumswerk seines Hammer-Albums von 1971 in drei Versionen. Erschienen bei Mercury Records

Die Londoner Trident Studios waren der Ort der Sessions. Elton John heimste Doppel-Platin in den USA ein, dem Land, dem die meisten Lieder aus der Feder von Bernie Taupin auf dem Album gewidmet waren.

2016 polierte Mastering-Mind Bob Ludwig den Klassiker auf. Der Mann mit zwölf Grammy-Awards und eingerahmten Goldenen Schallplatten im Flur seines Gateway Mastering Studios weiß, was er tut und zählt neben Sir Elton John auch Größen wie Queen oder Paul McCartney zu seinen Klienten. In den 90er Jahren zu Zeiten der DVD-Audio durfte ich zusammen mit Drummer und Producer Curt Cress (u.a. Passport, Scorpions) einen Tag in Bobs Studio in Portland verbringen, inklusive Sightseeing-Tour im Privat-Pkw. Lässiger Typ. Und immer noch aktiv. Mehr Infos auf der Studio-Homepage. Der ohnehin – noch dazu gemessen am Alter der Aufnahme – plastische Klang gewinnt nochmals mit dem Feintuning Ludwigs. Die Demo- und Live-Takes können nicht ganz mithalten.
Einen Top-Song gibt’s als offizielles Remake auch als Videoclip: „Tiny Dancer“:

Die Doppel-CD vereint bereits das remasterte Album plus fünf Live-, Mono- und Extended-Song-Versionen sowie Piano-Demos.
Die „Limited 50th Anniversary Edition“ mit ihren 3 CDs, Blu-ray und Buch mit Artwork, Interviews und Items aus dem Archiv kommt mit acht Live-Tracks daher, einer BBC-Aufzeichnung vom 29. April 1972. Die Blu-ray enthält DTS-HD-5.1- plus 24Bit-/96kHz-Stereo-Tracks und HD-Video. Ein 108-Seiten-Buch garniert das Audio-Oeuvre zudem mit einem Print-Schmankerl.
Die teuerste Variante kommt als 4LP-Set (180 Gramm Vinyl) nebst 40-Seiten-Buch und Poster.

John Cougar Mellencamp mit „Scarecrow“ als Super Deluxe Edition

Chart-Schreck: 1985 hob John Cougar – Mellencamp – mit seinem fünffach-Platin-Rock-Meisterwerk „Scrarecrow“ ab und machte „The Boss“ Bruce Springsteen Konkurrenz. Nun kam das Werk als Super Deluxe Edition: remastert und um klasse Bonustracks ergänzt.

John Cougar
John Courgar: „Scarecrow“ gibt’s in der neuen Ausgabe in drei Versionen. Erschienen bei Def Jam Records

Wir schreiben das Jahr 1984. Bruce Springsteen feiert sich und sein Land als „The Boss“ und sein Knüller-Album „Born In The U.S.A.“. Ein Jahr später folgt ein weiteres, sagen wir Tribute-Album, für die USA: Von John Cougar Mellencamp, einem Rock-Bruder im Geiste Springsteens, der sein Album „Scarecrow“ denn ArbeiterInnen des Landes, den wie es im saloppen Jargon heißt, einfachen Leuten mit kleinen, feinen Stories widmet. Das Album rotierte damals oft auf meinem Technics-CD-Player in München als ich das Abitur nachmachte. Auch meine Sitz-Nachbarin Andrea in der Schule fuhr darauf ab und hörte „Small Town“ oder „Rubble Seat“ rauf und runter im Cassetten-Player ihres himmelblauen VW Käfer.

Zu dieser Zeit blickt John bereits auf Erfolgs-Alben wie „American Fool“ oder „Uh-Huh“ und die Hits „Jack And Diane“ und „Pink Houses“ zurück, wechselnd als John Cougar oder John Cougar Mellencamp. Wem’s gefällt, kann gerne noch zwei Jahre nach vorne spulen und sich „The Lonesome Jubilee“ von 1987 zu Gemüte führen – mit der wunderbaren Lisa Germano an der Violine.

Was steckt drin? Die Doppel-CD vereint das prima remasterte Original Album plus wirklich packender und charmanter, rarer Bonustracks, zum Beispiel Rough Mixe, Demos, Covers wie „Under The Boardwalk“ (The Drifters) oder „Cold Sweet“ (James Brown). Die LP kommt mit zwölf Songs.
Die Super Deluxe Edition setzt mächtig eins drauf, mit LP, Single und Blu-ray-Audio (24Bit/ 96kHz Stereo, Dolby Atmos).

Gilbert O’Sullivan „The Best Of Collection“

Bereits sein Album-Debüt „Himself“ glänzte mit seiner typischen musikalischen DNA: Der 76-Jährige steht seit über 50 Jahren für gekonnt pointierten, lyrischen Wortwitz mit teils scharfer Zunge, die er in luftige Pop-Arrangements mit teils himmlischen Melodien packt. „Alone Again (Naturally)“ und „Claire“ oder seine Debüt-Single „Nothing Rhymed“ aus dem Album „Himself“ von 1970 sind frühe Hit-Beispiele dafür.

Gilbert OSullivan
Gilbert O´Sullivans Triple Feature: 3 CDs, 67 Songs – Das Rundum-glücklich-Paket für Soft-Pop-Fans. Erschienen bei BMG Rights M. / Warner

Längst verehren den Iren auch Größen wie Paul Weller, Mick Hucknall, Crooner Gary Barlow oder Neil Diamond. Diese opulente Best-Of-Sammlung klotzt nun mit 67 Songs seiner langen schillernden Karriere, bis hin zu Stücken seines jüngsten Albums „Driver“ von 2022, inklusive Duett mit Peggy Lee oder KT Tunstall. Weit mehr als eine bloße Werkschau des zuweilen unterschätzten Singer-Songwriters, der hier und da wie Eric Carmen oder Albert Hammond klingt. Da die Aufnahmen der Stücke über fünf Dekaden verteilt entstanden, gibt es kein einheitliches Klangbild, liegen sie auf ordentlichem bis gutem Niveau.

Die 3-CD-Edition beleuchtet das Lebenswerk des irischen Singer-Songwriters im wahrsten Sinne „bestens“. Hits und Ohrwürmer, auch Nachdenkliches, zum Schnäppchen-Preis.

Al Stewart mit „Admiral Lights“ als Deluxe Boxset

Den audiophilen Pop-Fans ist er ein altbekannter Singer-Songwriter („Year Of The Cat“, „Time Passages“). Mit seinem Lebenswerk auf 50 CDs, streng limitiert auf 2000 Exemplare weltweit, beschenkt er Fans und Sammler gleichermaßen.

Al Stewart
Hammer-Paket: Sagenhafte 50 CDs plus noblem Beiwerk umfasst die Box-Set-Edition von Singer-Songwriter Al Stewart. Ein Lebenswerk. Erschienen bei Madfish Records

Das ist wahrhaftig „Super Deluxe“: 50 CDs, die das Schaffen des britischen Gitarristen und Sängers in all seinen Facetten sozusagen in 3D von 1964 bis 2009 abbilden. Die edle Box vereint die 21 Studioalben (bei denen teils auch Alan Parsons involviert war), 18-Live-Alben, unter anderem von den Londoner Bühnen des „Heath Folk Club“ oder „The Howff“ oder Auftritten im „McCabes“ in Los Angeles. Hinzu kommen acht Silberscheiben mit Demos, Out-Takes und Raritäten (teils coole Stücke, von 1964 bis 2008) sowie ein 3CD-Set mit „BBC Sessions“ (1965 bis 1972). Mehr als 300 (!) bislang unveröffentlichte Tracks tummeln sich in der mehreren Kilo schweren Box. Dazu gibt’s ein 160 Seiten-Hardcover-Buch, unter anderem mit raren Fotos, Flyern diversen anderen Goodies sowie ein 24-Seiten-Buch mit „Rarities“. Das Ganze kommt mit signiertem Art Print und noch ein paar Schmankerln mehr wie Kunstdrucken, Liner Notes und Interview. Das Oeuvre, kuratiert von Illustrator Colin Elgie, Ex-Hipgnosis, hat der 77-jährige Meister Stewart weltweit auf 2000 Exemplaren limitiert.

 

Dave Stewart mit dem Box Set „Ebony McQueen“

Der Duo-Partner von Annie Lennox bei den Eurythmics schreib solo viele klasse Alben wie „Honest“ (1991) oder „The Blackbird Diaries“ (2011). Sein jüngstes Werk veröffentlichte der Brite selbstbewusst als Box-Set, es vereint unerhört frische Songs auf 3 LPs, zwei Singles, zwei Compact-Cassetten und in einem 48-Seiten-Lyrik- und Fotobuch. Ein Klasse Alterswerk des 70-Jährigen.

Dave Stewart macht Brit-Pop/-Rock, um eine halbwegs differenzierte Stil-Schublade zu bemühen. 
Sagen wir einfach: Was für ein großer Songschreiber, Musiker und Produzent (Bob Dylan, Mick Jagger) und welch umtriebiger Zeitgenosse. Der Ex-Eurythmics-Mann verkaufte bis dato rund 100 Millionen Alben, seit 1994 auch in diversen Alleingängen mit Gästen wie Carly Simon, Lou Reed oder Laurie Anderson.

Dave Stuart
Auch solo bärenstark: Der Ex-Eurythmics-Mann Dave Stewart glänzt längst im fabelhaften Alleingang – hier mit einem neuen Klasse-Box-Set. Erschienen bei Bay Street Records

Einer der renommiertesten britischen Musikkünstler setzt uns nun nicht einfach ein Album vor die Ohren. Seine 26 Stücke bettet er in ein Gesamtkunstwerk mit 48-seitigem Lyrik- und Foto-Buch und verteilt die Musik auf drei LPs, zwei Singles und zwei Compact-Cassetten. Welch Opulenz – das gilt auch für ein großes Besteck an Orchestereinsatz mit 60 Köpfen. Ein Konzeptalbum: Stewart erzählt von einem Jungen, den es vom Blues wach geküsst, hinaus in die Welt zieht. Autobiografisches lässt grüßen. Viele Stücke schwelgen und baden nostalgisch im Geiste der Beatles in ihrer Indienphase, auch im Geiste von Bob Dylan, den Rolling Stones oder David Bowie. Und so reihen sich sonnige Popsongs als Soundtrack für Ausflüge in die Natur genauso aneinander wie souverän aufgeführte Brit-Pop-Nummern und Rockiges. Darin herrlich ausschweifende mehrstimmige Vocals und klassische Elemente, psychedelische und akustische Sessions, bluesige Rhythmen mit Trommel-Wirbel, dazwischen gewitzt britisch-humoristische Tracks.

Neil Young  „Harvest“ als 50th Anniversary Deluxe Edition

Erntezeit: Im kalten Februar 1972 wärmte der kanadische Folk- & Country-Singer-Songwriter mit Knödelstimme und Mundharmonika die Herzen weltweit, unter anderem mit dem Ohrwurm „Heart Of Gold“. Der sympathische Song reihte sich seinerzeit auf dem Lieblings-Magnetband meines Mono-Tonbandgeräts Grundig TK 126 ein, zu anderen Stücken wie „Imagine“ von John Lennon. Traumhafte Kindermusik damals. Hochkarätige Musik im Nachhinein, längst entsprechend klassifiziert.

Neil Young Harvest
Zum 50. Jubiläumsjahr spendiert uns Neil Young ein toll gemachtes Geburtstags-Werk seines Hammer-Albums von 1972, bereichert mit Outtakes und einem schön gemachten Buch

„Harvest“ lässt sich getrost als Blockbuster bezeichnen, der den Kanadier schnell zu einem Superstar seiner Zeit machte, nachdem er bereits mit Crosby, Stills, Nash & Young und „After The Gold Rush“ Furore machte. Wo soll man angesichts der grandiosen zehn Songs anfangen, geschweige denn ein Ranking vollziehen. Da prunken Youngs energetische Stimme, quäkt formidabel die Mundharmonika und das London Symphony Orchestra unter Jack Nitzsche umwölkt Songs wie „There’s A World“ überwältigend.

Die Aufnahmen fanden von Januar bis September 1971 in verschiedenen Locations statt, darunter die Barking Town Hall London, das Broken Arrow Studio #2 in Kalifornien, die Quadrafonic Sound Studios, in Nashville oder in der Royce Hall, University of California in Los Angeles.

Zum Geburtstag gibt’s das Album in verschiedenen Versionen: Paket Eins beinhaltet das originale Album, ein Live-Konzert der BBC in der Londoner Royal Albert Hall vom 23. Februar 1971 (auf CD und DVD) sowie die Doku „The Making Of Harvest“ und ein 60-seitiges, gebundenes Buch. Paket Zwei lockt Fans mit zwei LPs, Single und zwei DVDs und mit einem leckeren Lithografiedruck. Paket Drei 3 vereint spannende Outtakes von „Harvest“. Insgesamt kann man festhalten: Der Klang überzeugt bei den Studio-Takes beinahe mit audiophiler Pracht, live gibt’s Abstriche, aber dennoch eine druckvolle, klare Sound-Präsenz.

Bewertung:

Neil Young  „Harvest“ als 50th Anniversary Deluxe Edition
2023/01
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

 

Autor: Claus Dick

Avatar-Foto
Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.