Dieser Typ weiß, wie man verbal auf die Pauke haut. „Ich mache Musik für die Sekunde, bevor du von Pfeilen durchbohrt wirst“, sagt IAMJJ über sich. Doch Ehre, wem Ehre gebührt: Der 25-jährige Däne hat nicht nur kernige Sprüche auf Lager, sondern glänzt auf seinem Debütalbum auch mit intensive Soundscapes zwischen Songwritertum und Elektropop. IAMJJ Bloody Future ist unsere CD der KW 16.
Wer sich gut auskennt, weiß selbstverständlich um die Qualitäten der dänischen Musikszene. Ob Dancefloor-Acts wie Whomadewho, Electrozauberer Marke Trentemøller, Singer-Songwriterinnen wie Tina Deco oder die prachtvolle Indierockband Kashmir: Der nördlichste Zipfel des europäischen Festlands hat einiges zu bieten. Und noch viel mehr – auch wenn Acts wie die R&B-Newcomer Liss, die Post-Punker Yung oder die Synthiepopper First Hate und Gents bislang eher Spezialisten ein Begriff sind.
Die Nischen also sind ordentlich besetzt, doch zu mehr als nur zum einschlägig bekannten Szenetipp brachte es zuletzt nur Lukas Graham, die Kopenhagener Band um den Soulpop-Sänger Lukas Graham Forchhammer. Kommt mit IAMJJ nun der nächste Kandidat, dem mit zeitgemäßer Qualitätsmusik der Sprung ins Rampenlicht und hin zu höheren Chartpositionen gelingt? Die Chancen stehen ziemlich gut für diesen … tja: was eigentlich? Indiepopper? Elektrotüftler? Laptop-Folker? Nicht stilistische Stringenz dominiert allerdings seinen Sound, sondern der Wille zu charismatischen Klängen, die unter die Haut gehen – egal, aus welchen Quellen sie sich speisen. „Ich will `entschiedene´ Musik machen“, sagt der 25-Jährige aus Kopenhagen. „Die Leute sollen IAMJJ Bloody Future entweder haben wollen – oder sie verbrennen wollen“.
Doch es geht noch eine Nummer drastischer: „Ich schreibe meine besten Songs, wenn etwas Existenzielles auf dem Spiel steht“, beschreibt IAMJJ seine Musik – „der Moment, wenn Du mitten in einer Schlacht stehst, alle deine Freunde sind schon tot und alle Pfeile fliegen in deine Richtung. Es ist Musik wie die letzte Mahlzeit in der Todeszelle; sie entsteht wenn das Hässliche und das Schöne miteinander verschmelzen.“ Wortgewaltig ist dieser Typ also auf alle Fälle. Aber Ehre, wem Ehre gebührt: IAMJJ liefert nicht nur flotte Sprüche, sondern auch Soundscapes von beträchtlicher Intensität. „Bloody Future“ ist ein Album, das auf sich aufmerksam macht, das Ohr fesselt – tief gründelnd und reizvoll ästhetisch, bisweilen gar stylish im Auftreten.
Dass IAMJJ, äußerlich ein Typ wie der junge Morrissey, Leonard Cohen und Tom Waits als Vorbilder nennt, überrascht dabei nur wenig. „Du brauchst Schwarz, um Weiß zu sehen. Es ist so wie Cohen sagt: ‚There’s a crack in every wall – that’s how the light gets in“. Mindestens ebenso sehr aber kommt einem auch das bedeutungsschwangere Raunen von Yello-Vokalist Dieter Meier in den Sinn. Ganz in diesem Sinn will auch IAMJJ Stimmungen und Effekte kreieren, Momente, in denen Schwarz und Weiß aufeinandertreffen.
Wie sich IAMJJ Bloody Future anhört? Erhaben und melancholisch tönt die Musik von „Bloody Future“, aber auch dramatisch aufgepeitscht, dabei sehr minimalistisch und nordisch klar strukturiert – egal, ob im elektronischem Duktus oder mit akustischen Gitarren, ob von schweren Drumsounds vorangepaukt („Susie May“) oder mit fluffigen Dancebeats unterlegt wie in „Truckers“ mit leichtem Milky-Chance-Touch. Fein ziselierte Gitarren wie zum Auftakt in „Clyse“ sorgen für einen Hauch an The-xx-Feeling, dunkle, „lynchige“ Stimmungen wie im Titelsong wechseln mit sanft groovenden Songwriter-Kompositionen oder kleinen Flirts mit karibischen Sounds – „Super Hero Eva“ etwa biegt nach 2:25 plötzlich Richtung Reggae ab; und „Lion On The Beach“ walzt und schlurft mit lässigen Riffs und weiträumig verhallten Beats durch eine zwielichtige, reggaenahe Soundkulisse.
Selbst bluesige Metren oder ein paar Country- und Twang-Gitarrenzupfer mischen sich gelegentlich in die Arrangements, und in „If I Took You To The Ocean“ musiziert IAMJJ so relaxt und entspannt-melodienselig, als wäre er der Kumpel und brother-in-mind des hawaiianischen Surffolk-Barden Jack Johnson, während zugleich die Rap-Vocals eher an LL Cool J erinnern. Der Türöffner hinein in die Radioplaylisten und bis zum ARD-/ZDF-Morgenmagazin heißt schließlich „Bomay Roof“, ein cleverer und doch leichtfüßiger Ohrwurm, klar und kühl wie eine Eiswürfeldusche„„Susie May“ zeigt zum Abschluss schließlich den „Crooner“ IAMJJ in ganzer Pracht und sorgt mit verzerrten E-Gitarren für großes Kino – und einen Hauch von „Purple Rain“ für die „Generation Instagram“.
IAMJJ Bloody Future erscheint im Vertrieb von Warner Music und ist erhältlich als CD, LP und MP3-Download.
Bewertungen
MusikKlangRepertoirewertGesamt |