Ihr 2013er-Debüt Pure Heroine und der Tophit „Royals“ machten sie zum frühreifen Star auch weit jenseits der Girlpop-Szene, denn auch ihre Musik war weit mehr als nur Girlpop. Vier Jahre später nun meldet sich die neuseeländische Sängerin Lorde mit einem weiteren Album aus weiblicher Perspektive zurück. Lorde Melodrama, die LowBeats CD der KW 24, ist weit mehr als oberflächenfixierter, femininer Hochglanzpop. Es sind Stücke mit Aura und Substanz.
War das 2013er-Debüt Pure Heroine die Geburt eines Stars, so markiert Lorde Melodrama die Geburtsstunde eines Topstars. Und: Die Skala der internationalen Top-Acts scheint für Lorde nach oben offen zu sein – the sky’s the limit.
Die neuseeländische Sängerin, kaum 20 Jahre alt, ist das, was man im Sport ein Jahrhunderttalent nennen würde. Die rein musikalische Begabung ist dabei nur eines von mehreren Elementen, das eine große Karriere ausmacht.
Der Wille zur gestalterischen Kraft von Songs, die über den Tag hinaus reichen, das Ego, gesund austariert zu sein zwischen Ehrgeiz und Reflexionsfähigkeit, das passende Team um sich herum zu haben (also nicht nur Claqueure): All das scheint bei Lorde Melodrama passgenau miteinander verzahnt.
Ella Marija Lani Yelich-O’Connor aus Auckland, so ihr Geburtsname, wirkt klug, aber nicht altklug, das Team mit Produzent Jack Antonoff (dem selbst als Musiker bei der US-Band .fun ein eher kurzes Startum beschert war und der aktuell mit dem Projekt Bleachers unterwegs ist) passt in ihrer momentanen Arbeitsphase bestens zu ihr.
Am faszinierendsten an Lorde Melodrama ist aber der Widerspruch zwischen Introvertiertheit und Exponiertheit – dem Zustand, in größtmöglicher Privatheit als Star voll im Rampenlicht zu stehen.
Diesen Status auszubalancieren, das gelingt ihr auch auf Melodrama bemerkenswert gut. Lorde stellt sich nicht aus, nicht zur Schau – sie ist einfach da. Und beobachtet sich selbst beim Erwachsenwerden.
War das Debüt Pure Heroine noch eine Ode an das Teenagerdasein, so gehe es auf Album Nummer 2 nun „um das, was als nächstes kommt“, wie Lorde selbst auf Facebook postete.
Was das nun genau ist? Eigentlich nichts Außergewöhnliches für diese Lebensphase: Partys und der Kater danach, Beziehungen, Zusammenbrüche, Umbrüche, Aufbrüche, Selbstfindung. Und Lorde stilisiert diese Themen nicht zu überkandidelten Melodramen hoch.
Ihre Texte bleiben analytisch, die Musik bleibt zwar wie auf dem Debüt tastenbetont, doch zum elektronisch unterkühlten Atmen, Pochen und Pulsieren tritt nun des öfteren ein feierliches Grand Piano hinzu. Entfesselter Party-Pop („Green Light“, „Supercut“) ist da nur eine von vielen Tonarten, die diese Musik beherrscht.
Ein Hauch von Kate Bush durchzieht etwa die Klavierballade „Writer In The Dark“ und der Schlagzeugbreak in der Mitte von „Hard Feelings/Loveless“ erinnert (während drum herum die Synthies klingen, als würden gerade der Schiffsrumpf der Titanic vom Eisberg aufgerissen werden) an Phil Collins‘ Klassiker „In The Air Tonight“. Und spielt die E-Gitarre in „The Louvre“ nicht eine kleine Variation auf das Thema von Bruce Springsteens „Born To Run“?
All diese Zitate und Verbeugungen sind integriert in weite Hallräume und elektronische Arrangements, die spannende Ambientsounds auffahren und die Kunst des Andeutens beherrschen.
So sind diese elf Tracks weit mehr als nur „songs from a teenage opera“, sondern Lieder mit Substanz und einer Aura, die nachvollziehbar machen, warum David Bowie einst schon in der 16-jährigen Lorde eine Hoffnungsträgerin für den Pop der Zukunft gesehen hat.
Die Karriere von Lorde hat erst begonnen, aber sie verspricht noch jede Menge feine Musik.
Lorde Melodrama erscheint bei Republic im Vertrieb von Universal und ist erhältlich als Audio-CD, Vinyl LP und MP3-Download.
Bewertungen
MusikKlangRepertoirewertGesamt |