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Luluc Sculptor
Zusammen bildet das australische Duo die Band Luluc und liefert mit „Sculptor“ ein stilles Juwel zwischen alternativem Songwritertum, Indie-Folk und akustischem Dream-Pop (Foto: C. Demezamat)

Luluc Sculptor – das Album der KW 29

Luluc Sculptor ist Zuhörmusik vom Feinsten: Das australische Duo glänzt auf seinem dritten Album Sculptor mit kammermusikalisch zurückgenommenen Indiefolk-Pretiosen, die auf angenehme Weise ziemlich anders klingen, als es das line-up dieser Produktion vermuten lässt.

Ein australisches Indiefolk-Duo, dazu deren trommelnder Landsmann Jim White, seines Zeichens Schlagzeuger beim Postrock-Trio Dirty Three, The-National-Saitenmann und-Keyboarder Aaron Dessner sowie Dinosaur-Jr.-Wüterich J Mascis. Das Ganze angedockt beim längst nach allen Seiten offenen, aber nach wie vor stilsicheren Sub Pop-Label, der Walhalla des Grungerock? Das müsste doch allemal genügen, um aus Luluc Sculptor ein hübsches Album zwischen alternativen Zupfereien und einem guten Schuss Premium-Lärm der Güteklasse A zu machen, denkt sich der Rock-Kenner der 2000ff-Jahre. Okay, beim Klang wird man wohl ein paar Abstriche machen müssen, aber ein bisschen grobkörniges Grieseln und herzhaftes Scheppern ist ja auch mal wieder ganz apart, solange es nicht klingt, als wäre es in einer Telefonzelle aufgenommen.

Luluc Sculptor
Zuhörmusik mit Sternchen: Steve Hassett und Zoe Randell beherrschen die Kunst der leisen Töne (Foto: C. Demezamat)

Dann rotiert Luluc Sculptor im Player – und alles kommt anders als erwartet. Fangen wir beim Klang an: noch einen Tick mehr Höhenglanz und einen etwas fetteren Bass/Drumsound drauf – und man hätte einen fast audiophilen Höreindruck. Dass Luluc-Leader Steve Hassett als verantwortlicher Produzent, Mixer und Toningenieur allerdings genau auf diese Extraportion an loudness-artigem Studio-Makeup verzichtet hat, bringt ihm umgekehrt schon wieder ein paar Sympathie-Zehntelpunkt zusätzlich ein. In Noten gesprochen: 4,5 Zähler.

Die Musik von Luluc Sculptor

Und die Musik von Luluc Sculptor? Bringt auf angenehmste Weise ebenfalls nicht das, was die personelle Konstellation signalisiert. Das mit den Zupfereien ist zwar nicht ganz falsch, aber auch nicht so sehr richtig, als dass man hier von bloßem Alternative Folk sprechen könnte. Dass das in Melbourne gestartete Duo Hassett / Zoe Randell schon mit Father John Misty, den Fleet Foxes oder eben The National als support act unterwegs waren, taugt zwar grob als Anhaltspunkt. Ebenso sehr wie in die Szenegefilde der 90er- oder 00er-Jahre geht der Luluc-Style aber auch zurück bis in die frühen Seventies und hin zu den Carpenters und deren vordergründig amerikanisch-cleanen, aber unter der Oberfläche so abgrundtief melancholischen, gebrochenen und die amerikanische Vorstadthölle vertonenden Sound zwischen Easy Listening, Seventies-Pop und Countryfolk. Das liegt vor allem an der Stimme von Zoe Randell. Gleich mehrmals erinnert deren glockenklares Timbre an Karen Carpenter – man höre nur „Genius“ oder den auf einem japanischen Gedicht basierenden Eröffnungssong „Spring“. Steve Hassett setzt dazu unauffällige Kontrapunkte; ab und an – sehr hübsch in „Me And Jasper“ – sind die Stimmen der beiden Lulucs aber auch sanft miteinander verzahnt.

Das Instrumentarium von Luluc Sculptor drum herum? Mit doppelten Akustikgitarren, Piano, Orgel, Synthie, Flöte und Mellotron auf sanfte Melancholie angelegt, oft kammermusikalisch reduziert, bisweilen auch von fast kirchenmusikalischer Erhabenheit. Ab und an gibt ein bisschen was on top; in „Heist“ etwa einen etwas prägnanteren Rhythmus, sanft kräuselnde Saitensounds, feierliche Tastenklänge und wohldosierte Bläserbegleitung von Dave Nelson (The National, Beirut) an Posaune und Trompete. In „Me And Jasper“ greift dann J Mascis mit einer dezenten E-Gitarre sehr moderat ins Geschehen ein. Zurückgenommen und subtil bleibt diese Musik, die aber gerade durch ihre leise Gangart beachtlichen Tiefgang erreicht. „Kids“ etwa verdichtet sich vom leisen Folksong zum nur einen Tick lauteren Noisefolk-Drama: eine beklemmende Vorstadtmilieustudie über das Nichtmiteinandersprechen und Aneinandervorbeileben zwischen Teens, Twens und Thirtysomethings. So bezaubert Luluc Sculptor als wunderbar semiakustische Antithese zum elektronischen Dream-Pop, wie ihn Szenebands wie Beach House und Konsorten mit volldigitalen Mitteln erzeugen.

Auch das ebenfalls from the land downunder stammende Duo Angus & Julia Stone kommt einem im Lauf dieses zehn Songs starken, mit dem leichten rhythmischen Puls des Titelsongs „Sculptor“ ausklingenden Programm in den Sinn; wenngleich der Sound der Young-Geschwister zuletzt einen deutlichen (und wunderbar gelungenen) Schlag in Richtung Westcoast Music trägt. Luluc Sculptor hingegen lässt die Musik auf sehr spezielle Weise zwischen englischen und amerikanischen Welten, zwischen Vergangenheit und Gegenwart schweben und erzeugen so ein „lost in translation“-Gefühl – und 35:12 exzellente „Zuhörmusik“ mit Sternchen.

Luluc Sculptor
Luluc Sculptor (Cover: Amazon)

Luluc Sculptor erscheint bei Sub Pop im Vertrieb von Rough Trade und ist erhältlich als CD, LP und MP3-/hi-res-Download.

 

Luluc Sculptor
2018/07
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

 

Autor: Christof Hammer

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Seit vielen Jahrzehnten Musikredakteur mit dem Näschen für das Besondere, aber mit dem ausgewiesenen Schwerpunkt Elektro-Pop.