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Steffen Linck alias Monolink
Steffen Linck alias Monolink schafft mit "Under Darkening Skies" Digital-Pop“ der Premiumklasse – gleichermaßen geeignet für den Dancefloor wie auch für den heimischen Hörraum (Foto: L. Wassmann)

Monolink Under Darkening Skies – das Album der Woche

Technoides mit Tiefgang, Synthiepop mit Stil, Ambient für Anspruchsvolle: Unter dem Pseudonym Monolink beliefert der Hamburger Musiker Steffen Linck die Elektroszene seit 2014 mit exquisiten Tracks zwischen Dancefloor und Lounge. Zusammen mit Kollegen wie Jan Blomqvist oder Ben Böhmer gehört der Anfangsdreißiger damit zu jenen Acts, denen man auch als etwas älterer Musikfan gerne Einlass ins heimische Wohnzimmer oder in den Hörraum gewährt. Monolink Under Darkening Skies ist deshalb das Lowbeats Album der Woche.

Augen auf beim Konzertbesuch, denn auch da kann schnell mal ‚was schief gehen. Nehmen wir etwa den Fall jenes Anfangvierzigers, der vor einigen Jahren zum Münchner Technofestival Isarrauschen wollte und von den Sheriffs am Eingang kurz und trocken abgewiesen wurde: zu alt, passt nicht in unsere Zielgruppe – und tschüss! Der Mann klagte gegen dieses von ihm als Altersdiskriminierung empfundene Vorgehen und kassierte sowohl vor dem Amtsgericht wie auch beim Landgericht München eine Abfuhr. „Bei derartigen Disco-Veranstaltungen steht nicht allein die Musik im Vordergrund, sondern das gemeinsame Feiern. Daher ist eine Auswahl der Gäste, um einen gelungenen Abend zu gestalten, vernünftig, um den Interessen der Gäste und des Veranstalters gerecht zu werden”, urteilten beide Kammern uniso.

Kompliment an die Herren der Justiz: Besser hätte man das (bis auf die herrlich altertümliche, eindeutig dem Boomer-Wortschatz entspringende Bezeichnung „Disco“) auch als Kulturwissenschaftler oder Feuilletonist kaum sagen können. Denn genau so ist es – die Musik selbst ist bei derlei Veranstaltungen nur eines von vielen und im Zweifel ein eher untergeordnetes Kriterium: Hauptsache, sie stört möglichst wenig und taugt als möglichst niederschwelliger Soundtrack für’s gemeinsame Amüsement.

Und deshalb muss da auch schon ein Typ wie Steffen Linck kommen, um uns etwas ältere und anspruchsvollere (aber sehr wohl jung gebliebene) Fans von zeitgemäßer elektronischer Musik auf einen solchen … äh: Tanzabend zu locken. Denn unter dem Alias Monolink bespielt der gebürtige Hamburger, inzwischen in Berlin gelandet, die Szene eben nicht mit stumpfen Four-to-the-floor-Stampfern oder billigen hohohoho-Chören, sondern mit wohltuend erwachsenen Tracks, die Coolness mit Emotionen, modernistisches Sounddesign mit klassischen Songwriter-Qualitäten verbinden. Voll am Puls der Zeit groovt die Musik von Monolink deshalb trotzdem, und tanzbar ist sie allemal.

Steffen Linck alias Monolink
Viel mehr als nur ein exzellenter Knöpfchendreher: Steffen Linck aka Monolink vereint in seinen Tracks klassisches Songwriting mit facettenreichen elektronischen Soundscapes (Foto: L. Wassmann)

Dabei startete Steffen Linck anfangs in Folkgefilden, traf aber partout nicht auf die richtigen Partner und Produzenten, um seine Soundvision zu verwirklichen. Nicht nur Songs und Atmosphärisches schwebte ihm vor, sondern eine Mischung aus tendenziell klassischem Singer-Songwritertum und elektronischen Klängen. Intelligente, melodische und facettenreiche Tanzmusik mit einer breit gefächerten Palette an Emotionen und Stimmungen eben – nur weit moderner umgesetzt. „Ich hatte genau diese Musik im Ohr, die ich hören wollte, aber die gab es noch nicht so richtig“, sagt Steffen Linck. Also machte er sie selbst: als Sänger, Songwriter, Multiinstrumentalist, Produzent und Live-Act – und zwar mit schnell wachsendem Erfolg. Über zehn Millionen Musikfans haben sich etwa bis heute bei YouTube davon begeistern lassen, wie Monolink auf dem kultigen „Burning Man Festival“ in der Wüste von Nevada hoch oben auf dem in tausend Farben strahlenden Truck der Mayan Warriors die Sterne vom Himmel spielte. Auch auf Events wie dem Coachella, dem Tomorrowland, dem Melt oder gar auf dem Montreux Jazz Festival erspielte er sich ein Publikum, das sich seither quasi im exponentiellen Wachstum befindet.

Dem Debüt „Amniotic“ (2018) folgt mit „Under Darkening Skies“ nun das zweite Album als Monolink – und bietet auf ganz eigene Weise Klänge, die im Hier und Jetzt hin- und hermäandern und vom Zeitgeist und vom Gefühl des Wandels und Umbruchs erzählen. „Ich habe mich gefragt, ob es etwas ist, das in uns liegt oder mit der aktuellen Zeit zu tun hat“, sagt Monolink zur Thematik seiner zwölf neuen Tracks: „Dieser rasant schnelle Wandel, der uns umgibt – alles scheint sich in Kurven zu zeigen und die Frage ist: Wo führt das hin?“

Monolink antwortet auf diese Fragen mit einer Musik, die zum Reisen und zum Tanzen einlädt, die live ebenso begeistert wie daheim im Hörraum oder unterm Kopfhörer und zugleich zum in-Bewegung- als auch zum bei-sich-Bleiben animiert. „Mir waren verschiedene Facetten wichtig, ich wollte es diverser haben, nicht nur eine Stimmung ausdrücken“, erläutert Steffen Linck seine Herangehensweise.

Die Musik von Monolink Under Darkening Skies

Sein Sound- und Stimmungsspektrum reicht dabei von Ambient über Spaciges und Technoides bis hin zu Synthiepop und umfasst Saitensounds (gerne mit dezent bluesigen bis explizit psychedelischen Untertönen) ebenso wie digital generierte respektive verfremdete Klänge. „Laura“ eröffnet mit einer Synthese aus langgezogenen Riffs im Stil von David Gilmour, einem prägnanten, aber gelassenen Beat und allerlei Elektronischem, das sich von einem sphärischen Intro über 7:20 hinweg hin zu einem wuchtigen Midtempo-Track entwickelt.

„The Prey“ nimmt danach etwas den Fuß vom Gas und dokumentiert Steffen Lincks Faible für eine subtile Mischung aus Radiohead und Apparat, dem Projekt seines deutschen Kollegen Sascha Ring: Melodische Elemente und elektronische Soundscapes werden in dezente Abstraktion überführt und kehren wieder zum Ursprung zurück. „We Don’t Sleep“ verzahnt dann ebenso gekonnt ein klassisch schönes Piano mit einem Midtempo-Beat. „Otherside“ hingegen schielt explizit Richtung Dancefloor; noch einen Schritt weiter geht anschließend „Don’t Hold Back“, das auch auf die Playlist des Berliner Techno-Tempels Berghain passen würde.

Das verträumt-doppelbödige „Falling“ schlägt dann eine Brücke zwischen Elektropop, digitalem Folk und ambientartigen Stimmungen, während „Under Dark“ Tempo mit Wucht und Atmosphäre kombiniert. „Reflections“ an Position 10 lebt prächtig von seinem Kontrast aus gläsernen Synthies, knarzig-wabernden Digitalsounds und einem Handclap-Bassdrum-Beat lebt, und „Take Me Away“ verbindet zum Finale einen entspannten Groove mit gemächlich blubbernden Loops und einer geschmackvollen Synthiegarnitur. Und stets ist da Monolinks Stimme: melancholisch im Timbre, suchend und sehnend in der Haltung.

Alles zusammen ergibt Musik für Kopf, Körper und Seele, die auf dem stilvollen Techno-Event ebenso gut aufgehoben ist wie daheim auf der Couch. Denn auch klanglich bekommt man hier rund sechzig Minuten lang ein Programm auf Premiumniveau: „Under Darkening Skies“ tönt nicht nur extrem sauber, dynamisch und räumlich, sondern haucht seinem digitalen Equipment eine immense Vitalität ein: Hier meint man die Synthies förmlich atmen zu hören und den Puls der Chips geradezu körperlich zu spüren. Und sollte Elon Musks Weltall-Airline SpaceX demnächst wirklich zu ihren Flügen zu den Sternen durchstarten: Einen passenderen Soundtrack als Under Darkening Skies lässt sich derzeit kaum denken.

Monolink Under Darkening Skies Cover
Monolink Under Darkening Skies erscheint bei Embassy One im Vertrieb von Tonpool und ist erhältlich als 2 x 12“-Vinyl, als CD und (via Zebralution) als Download/Stream (Cover: amazon)
Monolink Under Darkening Skies
2021/06
Test-Ergebnis: 4,5
Überragend
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Christof Hammer

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Seit vielen Jahrzehnten Musikredakteur mit dem Näschen für das Besondere, aber mit dem ausgewiesenen Schwerpunkt Elektro-Pop.