Eine sanfte Revolution? Von wegen! Selten wurde eine eingeführte Lautsprecher-Linie so radikal auf den neuesten Technik-Stand gebracht wie jetzt diese B&W Diamond Serie 800 D3. Die Veränderungen sind absolut schlüssig, aber bei der Gelegenheit wird mal eben mit einer vierzigjährigen Tradition gebrochen. Ein spannender Prozess. Zusammen mit LowBeats Heimkino-Spezialist Raphael Vogt war ich im Epi-Zentrum der B&W-Entwicklung und bekam Einblicke bis ins letzte Detail …
Das Bild links zeigt die Darstellung einer B&W 800 Diamond D2 – immerhin das Flaggschiff der mit Abstand erfolgreichsten High-End-Lautsprecherserie aller Zeiten. Rechts davon die Bestandteile, die B&W noch für gut genug befand, auch in der neuen Serie Diamond D3 mitzuwirken: Zählen wir einmal mit: drei Kondensatoren (vorn links), vier Anschlussklemmen und die – immer noch einzigartige – Hochtonkalotte aus gezüchtetem Diamant. Mehr nicht.
Die neue Mitteltoneinheit: Das Ende von Kevlar? Aber hoppla! Da war doch was. Die neue Linie 800 Diamond D3 sieht ja in vielen Belangen anders aus als ihre Vorgänger-Serie D2. Aber was dem Kenner vor allem sofort ins Auge sticht, ist das Fehlen des charakteristischen gelben Farbtupfers: Der Mitteltöner mit Kevlar-Membran, der wie ein Markenausrufezeichen alle größeren B&W-Modelle seit 1974 kennzeichnete. Und nun nach über 40 Jahren kaltlächelnd das Aus?
Nein. Kevlar ist der bei B&W am intensivsten untersuchte Stoff und wird ja auch weiterhin eingesetzt – einfach weil es akustisch Sinn macht. Dennoch suchten die B&W-Entwickler bereits seit 2007 ein neues Material, bei dem man die Resonanzen noch besser kontrollieren konnte.
Mit dem Firmen-prägenden gelben Kevlar war ein solcher Schritt wie jetzt zu 800 D3 nicht mehr möglich – und Kevlar hatte auch bei Bowers nicht nur Freunde. Manche unterstellten der gewobenen Kunstfaser einen nicht immer angenehmen Eigenklang und in den HiFi-Foren wurde viel gegen den Kevlar-Sound gewettert.
Ich persönlich kann das nicht bestätigen und würde den gern kennenlernen, der die obligaten Mittelton-Materialien (Papier, Keramik, Kevlar etc. im Blindtest klanglich auseinanderhalten kann. Aber ich stimme all jenen zu, die B&W seit der ersten Nautilus-Serie in den Mitten einen nicht immer natürlichen Eigenklang unterstellten. Der ist mit dem neuen Continuum-Material – mein Eindruck nach mehreren Stunden Hörtest – komplett weg.
Das neue Continuum-Material hat ebenfalls eine gewobene Struktur und sieht auf den ersten Blick aus wie grau angemaltes Kevlar. Aber ich kann Ihnen versichern: ist es nicht. Die Materialprobe, die mir in die Hand gedrückt wurde, fühlte sich eher an wie fester Anzugstoff. Es ist ausgesprochen reißfest, aber weich und bekommt lediglich durch die Konusform Stabilität.
Die innere Dämpfung von Continuum, das kann man schon durch das einfache Anfassen erfühlen, ist extrem hoch. Die B&W-Entwicklungsabteilung in Steyning hat das Verhalten der Continuum- im Vergleich zur Kevlar-Membran per Laser vermessen und anschließend simuliert – siehe Animation.
Deutlich wird, dass Continuum sehr viel schneller zur Ruhe kommt als Kevlar – und somit viel resonanzärmer ist. Oder wie Produktmanager Andy Kerr im Interview sagt: “Kevlar war ausgereizt. Erst mit Continuum konnten wir unsere hochgesteckten Ziele erreichen.”
Die Membranen sind das Eine, Antrieb und Form das Andere. Schon seit 1998 vertraut B&W auf den sogenannten sickenlosen Mitteltöner (exzellente Membranbedämpfung, verringerte Taumelbewegung, aber wenig Hub). An diesem Ideal wurde auch in der neuen Serie B&W 800 D3 nicht gerüttelt.
So gibt es den Continuum-Mitteltöner als sickenlose Variante im 13 Zentimeter- (804 + 803 + HTM2 D) und 15-Zentimeter-Format (802 + 800 + HTM1) – siehe auch Übersicht.
Wie auch bei den Vorgänger-Modellen erfolgt die Befestigung des Mitteltöners nicht klassisch über Schrauben am Korb, denn das würde nur Resonanzen vom Gehäuse auf das klangsensible, gute Stück ermöglichen.
Früher wurde der Mitteltöner mit einer langen Gewindestange an das Gehäuse gepresst, die längs durch den Mittelton-Kopf aus Marlan führte und an dessen Ende mit einer Schraube arretiert war. Mit dieser konnte man die Zugkraft auf den Mitteltöner justieren – was zu allerlei Experimenten verführte.
Diamond D3: Das Ende der Feinstjustage am Mitteltonklang
Was haben wir uns da früher abgebrochen: Klingt es mit einer halben Umdrehung mehr Anpressdruck nicht vielleicht doch noch etwas knackiger oder muss man der Musikalität wegen wieder zwei Umdrehungen zurück? Diese Form der (meist) eingebildeten Klangbeeinflussung gibt es bei der B&W 800 D3 nicht mehr.
Die Verankerung für den neuen Mitteltöner sitzt direkt hinter seinem Magnetsystem und wird mit einer Schraube (arretierbar durch das abnehmbare Phaseplug) fixiert oder gelöst. Und weil Bilder mehr sagen als tausend Worte, hier die kurze Bilderabfolge, die wir geschossen haben, als B&W-Mitarbeiter einen schon verbauten Mitteltöner eigens für uns noch einmal herausnahmen und wieder einsetzten.
Ich glaube, diese neue, nicht mehr für jeden zugängliche Fixierung ist ein Segen für alle: Die kurze Distanz zum Verankerungsplatz verbessert den festen Sitz und das leidige Herumexperimentieren (und damit die Unsicherheit) entfällt für Kunden und Händler.
Ein weiterer, ganz zentraler Punkt bei der Weiterentwicklung der gesamten Generation B&W 800 D3 war die Vermessung aller Bestandteile per Laser. B&W hatte schon immer einen Vorsprung durch Messpark-Technik, konnte aber in den letzten Jahren Software-mäßig noch einmal ordentlich nachlegen.
Höchste Präzision durch Laser-Technik
In diesen Verfahren werden Chassis, Körbe, Membranen – schlicht alles, was beim Lautsprecher relevant ist, mit Schallenergie bestrahlt und Quadratzentimeter pro Quadratzentimeter abgetastet. Die Analyse zeigt dann genau, an welchen Stellen das geprüfte Stück zu Resonanzen neigt: Blau heißt, alles OK, Grün ist befriedigend, aber Gelb und vor allem Rot bedeuten: Vorsicht, Resonanz-Ungemach. Da muss man handeln. Die folgenden Bilder zeigen Teile des Messparks und das Ergebnis einer B&W-Untersuchung zum Schwingverhalten der Mitteltonkörbe. Die Darstellung war von B&W-Seite etwas übertrieben. Ich möchte dieses Beispiel dennoch nutzen, um Ihren Blick darauf zu lenken, wie stark selbst festeste Teile schwingen, wenn sie selbst in Resonanz kommen. Und wie drastisch die Unterschiede sein können.
Der neue Mitteltonkorb neigt erstaunlich wenig zu Eigenresonanzen und ist über einen festen Viskosering auf der Korbvorderseite zusätzlich bedämpft. Wie gut (oder besser gesagt: wie akustisch “tot”) der neue Korb ist, hat für uns der deutsche Produktmanager Ulf Soldan im kleinen LowBeats YouTube-Video Ringing Test demonstriert.
Er startet mit dem neuen Hochtöner-Gehäuse und kommt dann – begleitet von emsigem Fotografieren meines Kollegen Vogt – zu den Mitteltonkörben. Das ist kein Fake: Der neue Korb ist tatsächlich fast ohne jeden Eigenklang. Wer nun Sorge hat, dass ein extrem resonanzbedämpfter Korb mit einer genauso stark bedämpften Membran unmöglich einen wie auch immer gearteten lebendigen Klang erzeugen kann, sei hier schon einmal beruhigt: Die neuen B&W-Modelle 800 D3 klingen lebendiger, offener und richtiger als alles, was vorher aus diesem Hause kam.
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