Im Dezember kam es endlich heraus: Pink Floyd The Later Years. Das Vermächtnis der britischen Kultband war überfällig und LowBeats Autor Claus Dick hat diese einzigartige Sammlung späterer Werke natürlich in seiner Auflistung der 10 besten Box-Sets zum Jahresende ganz weit vorn gelistet. Allerdings hatte sich Kollege Dick nur den CDs und LPs gewidmet, doch die Blu-ray Fassungen erfordern unbedingt eine eigene Betrachtung. Die liefern wir hiermit nach.
Lange wurde über die DVDs und Blu-ray Discs spekuliert, auf denen in den vorigen Immersion Box-Sets jeweils die anderweitig nicht verfügbaren Mehrkanal-Mischungen der Alben enthalten waren. Die Blu-rays in 24 Bit mit 96 Kilohertz mit 5.1 Kanälen ohne Datenreduktion enthalten natürlich auch den hochauflösenden Stereo-Mix. Letzteren aber kann man auch online bei Highresaudio.de, Qobuz und weiteren Anbietern erwerben. Aber wer Pink Floyd noch nicht in Quadro oder Surround gehört hat, der hat wirklich etwas verpasst…

Einen kleinen Weltschmerz zu dieser Veröffentlichung muss ich leider vorneweg los werden: Wieder gibt es die Blu-ray Discs nur in der dicksten und teuersten Variante der Box-Set-Versionen. Es wird wieder enden wie bei den Immersion Box-Sets von Dark Side of The Moon: Wer eigentlich nur die Blu-rays kaufen möchte, wird gezwungen, einen dreistelligen Betrag hinzulegen. Die Folge: eine Flut an billigen eBay Angeboten mit Box-Sets, denen die Blu-ray entnommen wurde und weit verbreiteter illegaler Kopien in dubiosen Internet-Quellen. Wer immer sich solch eine Vermarktung ausdenkt, kennt entweder seine Kunden nicht oder ist eine kaufmännische Niete. So wird der legale Einkauf zu einem zähneknirschendem Prozess, der keinesfalls verstärkte Laune auf Pink Floyd macht.
Als, wie es scheint, einziges Magazin konnte LowBeats Rezensionsexemplare der begehrten Blu-ray Discs ergattern und daher möchte ich den Inhalt mal etwas sezieren. Es handelt sich um insgesamt sechs Scheiben mit tollem Kontent.
Pink Floyd The Later Years Blu-ray Disc Nr. 6 (Nr. 1-5 sind die DVDs)
– A Momentary Lapse of Reason
– The Division Bell

Die erste Blu-ray enthält die beiden Alben A Momentary Lapse Of Reason und The Division Bell plus bislang unveröffentlichtem (Unreleased) Material. Dabei liegt A Momentary Lapse Of Reason in Stereo und Surround vor – und das jeweils in 24 Bit mit 96kHz, wie die Menüs zeigen:
A Momentary Lapse of Reason ist komplett neu gemischt und klingt in Stereo hier und da ein wenig akzentuierter als die bisherigen HiRes-Versionen, die man online erwerben kann. Der 5.1-Mix fügt sich in die bestehende Pink-Floyd-Mehrkanal-Welt ein, die tendenziell vollmundig, detailliert und raumfüllend gestaltet sind, ohne dass sie einem Effekte um die Ohren hauen.
Es ist eher wie auf den in Quadro beschallten Konzerten der Gruppe: ein Vollbad in den Klangwelten der Progrocker. Wenn es die Anlage im Heimkino audiophil hergibt, erlebt man allerdings sehr viel mehr Details, Feindynamik und erst recht in den Tuttis einen zupackenden Bass, der sich schon rein technisch in Stereo gar nicht unterbringen lässt. Bereits zum Einstieg des Albums, wenn man das offenbar mit Grenzflächenmikrofonen aufgenommene Ruderboot in Surround durch das Zimmer plätschern hört, bekommt man im Geiste nasse Socken. Toll. Der Sound wurde übrigens direkt auf dem Kanal vor dem schwimmenden Studio von David Gilmore aufgenommen.
Der Mix von The Division Bell entspricht Bit für Bit dem der Blu-ray von 2014 und klingt ebenfalls fantastisch. Wer nur die Stereo-Version kennt, hat noch nie gehört, dass die Glocke in „High Hopes“ wirklich ununterbrochen in der Syncope spielt, wo sie im Stereomix irgendwann untergeht.
Der Stereomix der vorigen Blu-ray fehlt hier komplett. In Surround ist das aber ein Gedicht und klingt irrsinnig plastisch und durchhörbar. Dazu entwickelt sich dank cleverem Einsatz des LFE-Kanals eine dynamische Wucht, die man sonst nur bei Livekonzerten erleben kann. Fantastisch.

An dieser Stelle eine Warnung an OLED- und Plasma-Nutzer: Das einzige Bild zu diesen Alben besteht aus einer statischen Anzeige des laufenden Titels vor Schwarz. Hat man vorsichthalber bei früheren Pink Floyd Blu-rays die Schrift noch unmerklich wandern lassen, um Einbrenner zu verhindern, scheint man dies beim Gestalten der Scheibe vergessen oder ignoriert zu haben.
Pink Floyd The Later Years Blu-ray Disc Nr. 7
Delicate Sound of Thunder

Die nächste Scheibe präsentiert das komplett überarbeitete Livekonzert Delicate Sound of Thunder, entstanden aus Aufnahmen von fünf Konzerten aus dem Nassau Coliseum on Long Island, New York im Sommer ’88. Das Grammy-nominierte Werk wurde zu unserem heutigen Glück auf 35mm Film gedreht und erscheint nun erstmals in HD-Auflösung beim Bild. Und das sieht man. Die Aufnahmen wirken feinkörnig, aber rauscharm, scharf und plastisch mit satten Farben und schöner Dynamik.
Das ist ganz klar die beste Version, die es von diesem Live-Album, erst recht in Sachen Bildqualität gibt. Das Bild ist zwar nicht ganz so knackig wie aktuelle Digitalbilder, aber praktisch rauschfrei und das auch in kritischen Motiven mit satten, dunklen Farben. So kommen die grandiose Lightshow und Effekte wie das „fliegende Schwein“ plastisch zur Geltung und taugen auch für die große Leinwand.
Die Tonqualität „audiophil“ zu nennen, wäre sicher übertrieben. Dafür fehlt der Bühnentechnik der Achtzigerjahre die Feinzeichnung. Das 24Bit-Remaster aber ist piksauber differenziert und kristallklar. Der neue Surroundmix setzt den Zuhörer realistisch ins Publikum und steigert so die Atmosphäre, ohne dabei aufdringlich zu werden. Der LFE-Kanal liefert nur akzenturierten Subbass – mit der gleichen tonalen Balance wie bei der Stereo-Version .
Blu-ray Disc Nr. 8
Pulse

Der Konzertfilm Pulse war bislang maximal auf Laserdisc und DVD zu bekommen. Die DVD hatte die klanglich förderliche Besonderheit, dass man für die Surround-Wiedergabe eine Dolby Digital Tonspur mit nicht normgerechter, nämlich erhöhter Datenrate von 640kBps spielen konnte. Nun aber liegen Bild und Ton erstmals in hochauflösender Darstellung vor.
Pulse: Wer hatte in den Neunzigern die Doppel-CD nicht im Regal? Das Cover mit der LED, das satt rot im Rythmus eines menschlichen Herzen blinkte. Kaum jemand erinnert sich aber daran, dass das Album in Q-Sound produziert war, einem Surround-Verfahren, das über zwei Kanäle plastische Effekte erzielen kann.
Naja, besser ist es mit physischen Kanälen. Die gab es zunächst gar nicht und erst 2006 auf DVD. Das Audio liegt nun in Stereo ohne Q-Sound und in 5.1 per DTS-HD Master Audio ohne Datenreduktion in 24 bit 96kHz vor. Dahinter steckt aber auch ein deutlich geputztes Master mit spürbar besserer Durchzeichnung und differenzierteren Instrumenten als auf der DVD.
Und auch das Bild ist im Rahmen der technischen Voraussetzungen sehr gelungen modernisiert. Ungewohnt ist heute das 4:3-Format. Aber das ist besser, als alles heran zu zoomen, nur damit es formatfüllend ist, aber unschärfer wird. Und da liegt eigentlich der Casus Knacksus. Die Videokameras der Neunzigerjahre lieferten maximal PAL-Qualität, was digital einer Auflösung von nicht mal 0,5 Megapixeln entspricht. Auch war bei dunklen Motiven und satten Farben grieseliges Rauschen noch ein Thema. Vor allem aber der Dynamikumfang, also welche Helligkeitsunterschiede im selben Motiv noch abbildbar sind, war damals noch sehr eingeschränkt. Alles kontraproduktive Eigenschaften für das Filmen eines Konzerts mit Lightshow und Lasern.
Doch auch hier haben die Ingenieure gute Arbeit geleistet. Das Bild wurde im Vergleich zur DVD signifikant plastischer, der permanente Rauschschleiher gelüftet ohne gleich alles glatt zu bügeln- Die dezente Detailbetonung bringt Plastizität und auch die Lasershow wirkt wesentlich knackiger als vorher. Umgesetzt ist das Ganze jetzt auf Full-HD 1080p mit 24 Bildern pro Sekunde.
Blu-ray Disc Nr. 9
– Venice Concert 1989
– Knebworth Concert 1990

Blu-ray Nummer 9 enthält die Fernseh-Konzerte aus Venedig und Knebworth. Ich kann mich noch erinnern, das Venedig-Konzert mit Kumpels bei mir im Dachzimmer meines Elternhauses geschaut zu haben, hatte ich doch als einziger einen großen Fernseher und den Ton dazu aus der dicken Hifi-Anlage.
Das Venezianische Konzertereignis mit Pink Floyd auf einer schwimmenden Plattform vor dem Markusplatz klingt für Pink Floyd ungewöhnlich schmalbrüstig und ein wenig flach. Das muß vor Ort anders geklungen haben, zeigte doch die BBC erst vor ein paar Monaten eine Dokumentation über die Stadt der 1.000 Kanäle, in denen sich ein Denkmalschützer darüber ausließ, dass das Floyd-Konzert für einige Bauschäden an den historischen Mauern rings um die Piazza San Marco schuld sei. Seither sind derlei Events dort untersagt. Die Tonspur liegt in 24 bit 48kHz PCM vor.
Das Bild aus Venedig zeigt, dezent restauriert, zu was Sendetechnik Ende der Achtziger in der Lage war. Farben und Rauschen gehen in Ordnung, ein paar Doppelkonturen und Überschwinger zeugen noch von für analoge Wiedergabe optimierter Konturanhebung. Feine farbsatte Elemente vermissen etwas an Substanz, worunter die Lasershow leidet. Als Zeitdokument und musikalisch toll, aber technisch kein Highlight.
1975 trat Pink Floyd zum ersten Mal im Open Air Festival in der Parkanlage des Landhauses Knebworth House auf. 25 Jahre später – bei dem hier aufgezeichneten Konzert – traten sie vor 120.000 Zuschauern erneut auf. Sie waren übrigens nur einer der Super-Acts des Festivals: Cliff Richard & The Shadows, Dire Straits, Elton John, Eric Clapton, Phil Collins & Genesis, Paul McCartney, Robert Plant & Jimmy Page, Status Quo, Tears for Fears. Wenn das mal den Eintritt nicht wert war… Und auch die Gäste von Pink Floyd selbst können sich sehen lassen: mit Michael Kamen als Gast-Keyboarder und Candy Dulfer am Saxofon.
Das Bild wirkt etwas detailreicher, allerdings auch nervöser als das Venedig-Konzert, liegt aber sonst auf ähnlichem Niveau. Auch diese beiden Konzerte wurden bei der Restauration des Bildmaterials auf 1080p mit 24 Bildern pro Sekunde konvertiert. Audioseitig klingt Knebworth deutlich erwachsener als Venedig. Neben der ausgewogenen remasterten Stereospur, die aber nicht das Niveau der Pulse erreicht, gibt es eine neu gemachte Surround-Version mit dezentem Einsatz von Atmosphäre und Effekten. Beides liegt in 24 Bit 48kHz vor.
Blu-ray Disc Nr. 10
Unreleased Live Films, Music Videos & Concert Screen Films

Auf Scheibe 10 beginnt das Bonusmaterial mit einer Sammlung von Extras, Zugaben und Schnippseln. Alle Tracks spielen mit Stereo-Ton in 24 Bit, teils in 48, manches wie die Bonus-Tracks von Delicate Sound of Thunder in 96 Kilohertz Samplingrate. Die Videos und und Hintergrund-Filme der Konzerte sind in 35 mm Film produziert und zeigen daher schöne HD-Qualität. Die Videoproduktion der Proben zu Pulse und die TV-Aufzeichnung der Rock & Roll Hall of Fame machen deutlich, was aus Neunzigerjahre-Videos noch herauszukitzeln ist. Hier die Menütafeln mit den Inhalten.
Blu-ray Disc Nr. 11
Documentaries & Unrealeased Material

Die finale Blu-ray Disc wirkt ein wenig zusammengewürfelt und beinhaltet als vielleicht wichtigstes Element das geniale Abschieds-Album The Endless River hier in Form des „Ian Emes Endless River Film“. Das ist das komplette Endless-River-Album wie zuvor schon auf Blu-ray in des Box-Sets des Albums vom 2014 mit der letzten Zusammenarbeit mit Keyboarder Richard Wright († 15. September 2008). Das gesamte Album ist von assoziativen Bildern begleitet, teils abstrakt, teils konkret. Alles audiophilst produziert und separat in Stereo und 5.1 Surround gemischt und je mit 24 Bit bei 96kHz gemastert. Von der technischen Qualität her betrachtet ist diese die beste und modernste Produktion der ganzen Sammlung.
Auch nicht unspannend: die Entstehungsgeschichte der legendären Album-Covermotive von Momentary Lapse of Reason und The Division Bell. Angenehm: Die Interviews und Dokus sind alle in Deutsch untertitelbar.

Fazit Pink Floyd The Later Years
Ist das alles nun einen Straßenpreis von 350 Euro und mehr wert? Das muss jeder selbst entscheiden. Fakt ist: Pink Floyd The Later Years dürfte eine der letzten Chancen sein, die Spätwerke Pink Floyds in Surround und der bestmöglichen Archivqualität in Sachen Bild zu bekommen. Und nachdem es praktisch unmöglich scheint, jemals noch ein Pink Floyd Konzert besuchen zu können, ist das heimische Kino oder die gut bestückte Stereoanlage mit großem TV die wohl beste Option, einem Konzert nochmal so nahe wie möglich zu kommen. Und Hand auf’s Herz: Was wär’st Du bereit, für ein letztes Pink Floyd Ticket auszugeben?
Der Rest des Boxsets und neun weitere Sammelschuber in der Besprechung vom Kollegen Claus Dick.
P.S.: Auf Pink Floyds Youtube-Kanal gibts einiges zu Entdecken, auch über diese Blu-ray-Sammlung