In den Sechzigerjahren schleuderte ein multipler kreativer Urknall eine Vielzahl an teils stilbildenden Musikern und Bands in fantastisch schillernde Klang-Universen. Den glitzernden Planeten namens “Glam-Rock” prägte seit Ende der Dekade wie kaum ein anderer Marc Bolan, seines Zeichens Mastermind von T.Rex, der sehr früh mit 29 Lenzen starb. Kürzlich wurde der Pionier, Sänger und Gitarrist in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen. Und ein opulentes Tribute-Doppelalbum mit hochkarätigen Musiker-KollegInnen erinnert an die Ikone: AngelHeaded Hipster ist unser Album der Woche.
Für einen 13-jährigen Rock’n-Roll-Fan aus Number 25, Stoke Newington Common im Osten von London, sollte es ein denkwürdiger Tag im April 1960 werden: Bei einem Konzert im Londoner „Hackney Empire“ durfte der Junge die heilige Gitarre von Rock’n-Roll-Star Eddie Cochrane tragen, eine 956 Gretsch 6120 Chet Atkins Western. Dieser kleine Mark Feld sollte ein paar Jährchen später mit seiner Band T.Rex als Marc Bolan Weltruhm erlangen. Eddie Cochrane starb nur wenige Tage nach dem Konzert mit 21, Bolan 1977 im Alter von 29. Beide bei einem Autounfall.
Es ging alles blitzschnell in den Frühstunden des 16. September 1977. Während der Fahrt von einem Londoner Restaurant verlor seine Begleiterin, Sängerin Gloria Jones die Kontrolle über den Clubman Mini 1275 und krachte gegen eine Platane. Bolan war sofort tot. Auf dem „Queen’s Ride“ in Barnes/London starb damals ein Pionier, ein Musikkreativer, Komponist, Gitarrist und mutiger Macher. Ein Popstar, ein Lebemann, der hipper Fashion und dem schrillen Partyleben zugeneigt war. Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Sein musikalisches Erbe wirkt immer noch schillernd und es beeindruckt. Und so verwundert es nicht, dass sich einige Musiker gern an ihn und seine Songs erinnern – und seine Lieder neu interpretieren.
Als Mastermind des Tribute-Projektes AngelHeaded Hipster: The Songs Of Marc Bolan And T.Rex steht Hal Willner, ein wahrer Insider der Szene, bekannt sowohl als Sketch-TV-Musikproduzent von „Saturday Night Live“ als auch als Produzent von Marianne Faithful, Lou Reed, Bill Frisell oder Lucinda Williams (siehe LowBeats CD der Woche vom 5. Mai 2020). Zudem betreute er großartige Tribute-Alben von Komponisten wie Thelonious Monk, Kurt Weill oder Charles Mingus. Er starb dieses Jahr am 7. April an Covid-19.
Hal Willner schätzte den bunten Marc Bolan sehr. „Ich bin in diesen Künstler eingetaucht, indem ich mir alles anhörte, mit Experten und Fans sprach, seine Kritiken und Interviews recherchierte. Dabei fand ich heraus, dass über Bolan kaum jemals als ‚Komponist’ gesprochen wurde. Es ging nur darum, was für ein großartiger Rocker und wie innovativ er war, dass David Bowie sein Wesen übernommen hatte und Bolan in dessen Schatten stand… Also habe ich mit ihm dasselbe wie mit den anderen Komponisten gemacht, mit denen ich mich zuvor beschäftigt hatte. Ich wollte den Komponisten Bolan zeigen, mit Hilfe unserer zeitgenössischen Künstler aus verschiedenen Welten, die man sonst selten gemeinsam an einem Ort trifft.“
Rachel Fox, „Supervising Producer“ von AngelHeaded Hipster meint dazu: „Hal hatte eine einzigartige Vision von Marc Bolans Musik und die Arbeit an dem Tribut-Album machte ihm viel Spaß.“
Willner bezeichnete es als „sein ‚White Album’, er wollte unbedingt, dass jeder diese wunderschönen Songs hört und sich wieder mit Bolan und T.Rex beschäftigt. “Dieses Album ist ein Zeugnis von Hals Geist“, so Rachel Fox. Hinter dem Gesamtkonzept stecken Bill Curbishley (The Who, Page/Plant) und Ethan Silverman, Dozent an der New Yorker „School of Drama“.
Der Albumtitel entstammt Allen Ginsbergs Gedicht „Howl“, wo es heißt: „angelheaded hipsters burning for the ancient heavenly connection to the starry dynamo in the machinery of night …“ Das konnte man als Reminiszenz an die revolutionäre Kraft des Rock’n-Roll sehen, die für Mark Feld alias Marc Bolan Lebenselixier war.
Song-Highlights von AngelHeaded Hipster
Vorneweg ein paar Wörter zum Klangspektrum. Das Album geriet zum weltumspannenden Werk, Willner arbeitete über Jahre hinweg auf mehreren Kontinenten daran. Auf seinen Flugtickets standen Aufnahmeorte wie New York, Los Angeles, New Orleans, London, Paris oder Berlin. Die Klangbilder differieren, offenbaren jedoch insgesamt ein hohes Niveau, das bei einigen Songs wie „Life’s A Gas“ (Lucinda Williams), „Jeepster“ (Joan Jett) oder „Teenage Dream“ (Marc Almond) in schöne HiFi-Sphären vordringt.
Geht es um die Setlist der 26 Songs, kommen wir um Namedropping nicht herum. Es verkommt hier nicht zum Selbstzweck, sondern wächst zur logischen Pflichtübung – angesichts von Dutzenden beteiligten Musikern und Kreativen. Zusätzlich zu den 26 Master-Musikern gesellten sich Promis wie Donald Fagen (Steely Dan), Bill Frisell, Wayne Kramer, Van Dyke Parks oder Marc Ribot. Arrangements steuerten weitere Cracks wie Thomas Bartlett oder Steve Weisberg bei.
Unter den Songs gibt es auch Material aus Bolans Zeit vor T.Rex, die er mit Drummer Steve Took in der Band Tyrannosaurus Rex teilte und mystisch angehauchte Songs inszenierte, so wie „I Love To Boogie“ (King Khan). Das ging ein Weilchen (über drei Alben hinweg), bis Took psychisch immer mehr abdrehte und Bolan seinen eigenen Weg beschritt. Took soll 1980 an einer Cocktailkirsche erstickt sein.
Und los geht’s:
Als Opener setzt der Drama-Kracher „Children Of The Revolution“ ein kraftstrotzendes Zeichen mit harschen E-Gitarren, rollendem Piano und jauchzenden mehrstimmigen Vocals – Kesha ist da als Dance-/Elektropop-Rap-Queen genau die Richtige. Wunderbar souverän und gediegen entlässt Nick Cave mit sonorer Stimme am Piano seinen „Cosmic Dancer“ ins Bolan’sche Universum. Wieselflink und zackig macht sich dann Joan Jett an „Jeepster“ ran, inklusive sägender E-Gitarren. Devendra Banhart schwebt in „Scenescof“ mit einem psychedelischen Alternative-Folk-Trip davon. Und mit „Life’s A Gas“ verströmt Lucinda Williams raureifen-Folk-Rock-Appeal in Slow-Motion.
Die Berliner Musikerin Peaches, bekannt für Punk- & Sexshows, steuert mit „Solid Gold, Easy Action“ ein Elektrosound-Stück bei. Singer-Songweriterin Beth Orton gibt dann auf „Hippy Gumbo“ die ruhige Folk-/Blues-Seele. Der „Beltane Walk“ ist wiederum das Metier von Gabi Moreno, die sich genüsslich den Tex-Mex-Freuden hingibt. Dass ausgerechnet Bono von U2 und Sir Elton John gemeinsame Sache mit dem Hitkracher „Bang A Gong (Get It On)“ machen, passt: Sonore Stimme, kralliges Piano von Elton und fetzige Bläser gehen ab wie die Post.
Die Alternative-/Psychedelic-Band Elysian Fields entführen dann mit „The Street And Babe Shadow“ in spacige, rockig untermalte Sphären. Nanu, Nena..? Ja: Die Deutsche NDW-Ikone inszeniert „Metal Guru“ mit dezent angerautem Pop-Rock. Marc Almond erfüllt sich mit Balkan-Streichern und Klarinettentönen seinen eigenständigen „Teenage Dream“. Schließlich zappt und zuckt dann nochmal „Bang A Gong (Get It On)“ im Reprise-Modus von David Johansen im Rock’n’Roll-Ambiente mächtig durch die Hüften, angereichert mit fauchender Orgel.
Klar, die Musik kennen wir – die illustre Schar an Promikollegen, die sich ins Zeug legten und vor Marc Bolan meist virtuos verbeugen – das ist rar und durchaus was fürs Archiv.
Bewertungen
MusikKlangRepertoirewertGesamt |
Top-Alben von T.Rex:
Electric Warrior von 1971 mit Songs wie „Mambo Sun“ oder „Bang A Gong (Get It On)“
The Slidervon 1972 mit Songs wie „Telegram Sam“ oder „Metal Guru“