Robert Finley ist ein Spätberufener. Erst als Mittsechziger veröffentlichte der Louisiana-Mann im Herbst 2016 sein Debüt als Profimusiker. Mit etwas weniger Anlauf folgt nun sein zweites Album. Robert Finley Goin’ Platinum ist eine wunderbar authentische R&B- und Soul-Revue in lupenreinem Sixties-Stil – die Visitenkarte eines Musikers, der den Sound der Altvorderen nicht retroesk wiederaufwärmt, sondern ihn einfach in den Genen hat.
Sollte Quentin Tarantino noch einen Hauptdarsteller für sein nächstes Filmprojekt brauchen: Er könnte sich einfach mal auf ein paar Bierchen mit Robert Finley zusammensetzen und die Sache wäre vermutlich schnell in trockenen Tüchern. Mit seinem markanten Charakterkopf, so lang wie das Mississippi-Delta und von einem kecken Dreiecks-Bärtchen geschmückt, ist dieser Louisiana-Mann ein echter Hingucker.
Und außerdem könnte sich Robert Finley auch gleich um die Filmmusik kümmern. Der Mittsechziger (nie war diese Bezeichnung passender: Von 64 bis 68 kursiert so ziemlich jede Altersangabe zu Robert Finley) ist wie geschaffen dafür, um einen jener Vintage-Soundtracks zu entwerfen, die perfekt zur Tarantino-typischen Mischung aus einer schrägen Story, skurrilen Locations und seltsamen Figuren passt.
Schließlich hat Finley die Musik seit ungefähr sechs Jahrzehnten im Blut und kann auf eine bewegte, wenn auch unstete Karriere verweisen. Den kompletten ersten Abschnitt seines Berufslebens verbrachte er als Musiker, wenn auch in einem eher Pop-fernen Kontext: Finley spielte erst als Mitglied in einer Militärkapelle, später wurde er dann deren Direktor.
Das Mitteldrittel seines Lebens verbrachte er als Schreiner. Doch eine schwere Augenerkrankung bedeutete das Aus. Seither schrammelte Finley, mehr blind als sehend, wieder als Musiker vor sich hin; unter anderem auch in den Straßen von Arkansas.
Dort sammelte ihn 2015 die „Music Maker Relief Foundation“ auf, eine amerikanische Hilfsorganisation für Musiker in Not. Es entstand ein erstes professionelles Album (Age Don’t Mean A Thing, 2016), das wiederum die Aufmerksamkeit von Dan Auerbach erregte.
Auerbach, mit seinen Bands The Black Keys und The Arcs sowie als Produzent von KünstlerInnen wie Dr. John, Lana del Rey oder Valerie June der US-Spezialist für schön retroeske Vintage-Klänge, erkannte Finleys Qualitäten als Sänger und Performer und nahm den Oldie nun als ersten Künstler für sein eigenes Label Easy Eye Sound unter seine Fittiche.
„Ich merkte sehr schnell, dass Robert zu mehr in der Lage ist, als nur Blues-Songs zu singen“, erklärt Auerbach. „Er ist zwar ein alter Bluesgitarrenspieler, aber wenn er erst mal seine Gitarre weggelegt hat, kannst du ihn vor ein Orchester setzen und er singt gleich beim ersten Take so gut wie Ray Charles. Seine Stimme hat eine unfassbare Größe und er weiß einfach, wie er das Ding reinmacht – immer!“
Bestens vernetzt in der Szene, holte Dan Auerbach Songwriterkollegen wie John Prine oder Nick Lowe ins Boot, die zusammen mit einer „Easy-Eye-Hausband“ aus älteren Roots-Music-Spezialisten das Team für Robert Finley Goin’ Platinum bildeten.
Mit dabei: Schlagzeug-Oldie Gene Chrisman, der schon für Elvis Presley oder Aretha Franklin trommelte, Keyboarder Bobby Woods (J. J. Cale, Bobby Womack), Gitarrenlegende Duane Eddy sowie die Horn-Section der „Preservation Hall“, einem der legendärsten Jazz- und Bluesschuppen von New Orleans.
Ein weiteres Kompliment gebührt überdies den Tontechnikern, die einen authentischen, aber nicht künstlich gealterten old-school-Klang hinbekommen haben, der auch auf höherwertigem HiFi-Equipment prima funktioniert.
Musikalisch bringen die zehn Tracks von Robert Finley Goin’ Platinum eine klare Zweiteilung zwischen soul-nahen Songs in der Tradition von Croonern wie Otis Redding, Sam Cooke oder Curtis Mayfield einerseits und traditionsbewussten Rhythm & Blues-Stompern, in denen Finley auf den Spuren von John Lee Hooker, B. B. King oder auch Fats Domino wandelt.
Beides zusammen addiert sich bei Robert Finley Goin’ Platinum zu einem Album voll „real old stuff“, der weit über den auf Historismus getrimmten Sound hinausgeht, mit dem heutige Twens oder Thirtysomethings die Vergangenheit wiederentdecken. Und stets agiert Finley als Vollblutmusiker, der die Chance, die ihm das Leben nochmal bietet, mit Verve beim Schopf packt.
Gleich mehrmals – im dezent gespenstischen „Medicine Woman“, in „If You Forget My Love“ mit leichtem Doo-Wop-Touch oder in „Real Love Is Like Hard Time“ – zeigt er sich als hochmotivierter Vokal-Kraftmeier, mit einem Timbre, das an Tom Jones erinnert: kernig, muskulös, beinahe viril.
Und nicht nur stilistisch, sondern auch thematisch: „Honey, Let Me Stay The Night“, fleht er, oder „If you forget my love, I’ll be right there to remind“ – Finley gibt den Typ des Womanizers, der nichts anbrennen lässt. Ein bisschen dick aufgetragen ist das fraglos, zumal, wenn er wie in „Holy Wine“ ins Falsett übergeht. Aber es gilt ja schließlich die Ladies zu beeindrucken …
Noch besser stehen Finley indes jene typischen, erdig swingenden Südstaaten-Zwölftakter, die immer ein wenig hinter dem Rhythmus herschlurfen oder nebenherwatscheln und in denen Schlagzeug und Gitarren um die Wette scheppern. Songs wie „Three Jumpers“, „Complications“ oder „Get It While You Can“ hätten jedenfalls auch John Lee Hooker und B. B. King kaum besser hinbekommen.
Fazit nach einer 31:42 kurzen, aber höchst seelenvollen Roots-Music-Revue: Hier musiziert – begleitet von einer ebenso disponierten Band – ein Blues- und Soul-Man, der den Sound der Sixties nicht erst wiederentdecken muss, sondern der ihn schon Zeit seines Lebens im Blut hat.
Robert Finley Goin’ Platinum erscheint bei Easy Eye Sound / Nonesuch im Vertrieb von Warner Music und ist erhältlich als CD, LP und MP3-Download.
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