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Roberto Fonseca Yesun
Er war das jüngste Mitglied des Buena Vista Social Club. Nun hat Roberto Fonseca mit Yesun ein formidables Crossover Album eingespielt

Roberto Fonseca Yesun – das LowBeats Album der Woche

Als blutjunges Mitglied des legendären Buena Vista Social Club betrat der kubanische Pianist Roberto Fonseca Anfang des Millenniums auch die internationale Bühne – auf der er jetzt mittlerweile sein neuntes Solo-Album veröffentlicht. Roberto Fonseca Yesun sprüht vor stilübergreifender Spielfreude zwischen Afro-Cuba- und Jazz-Rhyhtmen sowie virtuos- akustischer Handarbeit.

Wenn einer mit 20 Lenzen im Rapper-Outfit dem Heiligen Gral des kubanischen Son, namentlich dem Buena Vista Social Club beitritt, kommt das beinahe einer Sensation gleich – und einer Adelung. Denn kein Geringerer als Ibrahim Ferrer ludt den Piano-Youngster 2001 als Nachfolger für den verstorbenen Rubén Gonzales dazu ein. Eine kluge Entscheidung, die weit über die Band-Grenzen der altehrwürdigen Musiker hinaus für Furore sorgte: Denn der mittlerweile 44-Jährige Fonseca komponierte und arrangierte seither in Kollaborationen und auf nunmehr neun Solo-Alben wunderbare Songs und inspirierte dabei nicht wenige Kollegen.

Roberto Fonseca Yesun ist „das Album, das ich machen wollte“ sagt er. Ein, sagen wir, Crossover-Album, das Jazz, Klassik, etwas Rap, Funk, Reggae-Einsprengsel und Electronica verschmilzt. „All meine Einflüsse sind da. All die Sounds und Vibes, die mich zu dem machen, was ich bin.“

Ein Album, das gewissermaßen auch Trio-Musik verkörpert: Fonseca als souveräner Tasten-Mann, dazu Schlagzeuger Raúl Herrera und Kontrabassist Yandy Martínez. Aber auch virtuose Gäste bereichern die Songs, so zum Beispiel der US-Saxophonist Joe Lovano, der französisch-libanesische Trompeter Ibrahim Maalouf, die kubanische Rapperin und Sängerin Danay Suarez sowie die Bolero-Koriphäe Mercedes Cortés.

Roberto Fonseca Yesun Band
Der Pianist Roberto Fonseca (rechts) mit seiner Yesun-Band (Foto: Wagram)

Roberto Fonseca Yesun steht für den Facettenreichtum des Wassers – die Quellen afrokubianischer Tradition speisen und gestalten hier den weiteren Verlauf von musikalischen Strömungen. Eine wohl überdachte Reduktion, denn auf dem Vorgänger Abuc tummelten sich noch über 30 Musikerkollegen. Roberto Fonseca Yesun fokussiert die Seele der kubanischen Musik intensiver, lässt sie Liaisons eingehen mit Funk-Beats, Sprecheinlagen oder klassischen Einsprengseln. „Ich möchte ein Kuba ohne Grenzen präsentieren“ sagt Fonseca. „Ich versuche, Brücken zwischen meinen afrokubanischen Wurzeln und anderen Musikstilen zu bauen und mache einige der von mir so geliebten verrückten Sachen live. Ich bringe Ideen mit, die ich über viele Jahre auf Tournee in der ganzen Welt absorbiert habe.“ Dennoch: „Ich versuche ein besserer Musiker zu werden, also übe, komponiere, experimentiere ich immerzu. Ich betrete gerne Neuland.“

Seine Ausbildung erhielt der junge Fonseca am renommierten „Instituto Superior de Arte“ Anfang der 90er Jahre. Seine internationalen Tourneen brachten ihn zu berühmten Häusern wie der Kölner Philharmonie oder gar der Hamburger Elbphilharmonie. Bereits vor seiner Zeit mit dem Buena Vista Social Club brachte er drei Alben heraus, 2012 wurde er für sein Werk Yo mit einem Grammy nominiert. 2016 avancierte er zum künstlerischen Leiter des „Jazz Plaza Festivals“ in Santiago de Cuba und 2019 ehrte ihn der französische Kulturminister mit dem „Ordre des Arts et des Lettres“.

Die Musik von Roberto Fonseca Yesun

Fonseca beweist ein großes, eigenständiges Talent, das kreativ und formgebend bewegende Noten zu Papier bringt. Das reicht von zarten Melodien bis zu energischen Rhythmen, gerne mal perkussiv leuchtend inszeniert. „Wenn man jung ist, will man alles sagen und spielt zu viele Noten“ so Fonseca. „Jetzt, wo ich selbstsicherer in meinem Spiel bin, habe ich erkannt, dass der beste Weg, mit so vielen Menschen wie möglich zu kommunizieren ist, ihnen den Raum zu geben, dich zu verstehen.“

Hinzu kommt: Der fein ausbalancierte, audiophile Klang verleiht den Kompositionen zusätzlich lebendigen Wind unter den Flügeln – mit schöner Auflösung, authentischer Körperhaftigkeit, strahlenden Klangfarben und beeindruckendem Raumgefühl, inklusive von kleinen 3D-artigen Momenten wie im Intro von „Kachucha“.

Schon der Opener „La Llamada“ sprintet mit federndem Ryhtmus und prägnantem Piano voran, um sich von den lockenden Stimmen des Frauenquartetts Gema 4 becircen zu lassen. Das bereits erwähnte „Kachucha“ sprüht auch dank des Trompeters Ibrahim Maalouf nur so vor Afro-Karibik-Appeal. „Cadenas“ frönt dezent dem Prog-Rock und Funk sowie Cha-Cha-DNAs plus Sprecheinlagen von Danay Suarez, der dazu aufruft, für seine Seele zu kämpfen. „Por Ti“ verbindet Piano und Cello nebst Akustikbass zu einem wunderbar traurigen, dennoch hoffnungsvollen Stück. Fonseca: „60 Prozent meines Sounds ist von der Klassik beeinflusst. Mozart, Chopin, Beethoven, Rachmaninow, Scriabin, Grieg, Béla Bartók.“

„Aggua“ zieht als erste Single-Auskopplung in die Welt, um ihr mit glühenden Rhythmen wie Mambo und Rumba nebst HipHop und Psychedelica einzuheizen. „Motown“ wiederum gilt als souveränes Beispiel dafür, wie das Trio miteinander die verschiedenen musikalischen Fäden verwebt. „Stone Of Hope“ und „Vivo“ rütteln mit jazzigen Vibes wach, ergänzt von einem Straßenchor oder dem Saxofon Joe Lovanos. „OO“ protzt mit Jazz-Funk und „Mambo Pa La Niña“ gluckst vor Freude mit elektronischen Tupfern, Moog und Hammond-Orgel. „Ich habe diese analogen Sounds schon immer geliebt. Ich wuchs damit auf, Menschen wie Herbie Hancock und Joe Zawinul dabei zuzuhören, wie sie ihr Wissen über Harmonien in ihre Keyboards schütteten und dabei eine Mischung aus Sanftheit, Stärke und Spiritualität fanden.“

Roberto Fonseca Yesun Cover
Roberto Fonseca Yesun (3ème Bureo-Wagram / Indigo / Wagram) ist erhältlich als CD, LP, MP3-Download oder Stream, z.B. bei amazon.de (Cover: Amazon)

 

Roberto Fonseca
Yesun
2019/10
Test-Ergebnis: 4,3
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Fonseca live in Deutschland

27.11.2019 München / Bayerischer Hof
28.11.2019 Berlin / Quasimodo
01.01.2020 Köln / Philharmonie (Silvesterkonzert)
26.03.2020 CH-Genf / Espace Vélodrome
17.04.2020 AT-Innsbruck / tba
18.04.2020 CH-Zürich / Moods
19.04.2020 CH-Bern / Bee-Flat
22.04.2020 Frankfurt / Alte Oper (mit der hr-Bigband)
23.04.2020 Kassel / Staatstheater (mit der hr-Bigband)
26.04.2020 Karlsruhe / Tollhaus
24.06.2020 CH-Basel / Jazz & Art im Kunstmuseum Basel

Video-Clip-Tipp „Aggua“


Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.