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Seamus Fogarty Curious Hand
Eine ganz eigene Melange aus Irish-Alt-Folk, Country & Blues und elektronischer Musik: Seamus Fogarty "Curious Hand"

Seamus Fogarty The Curious Hand – irisch gut

„Eines der besten irischen Alben der letzten Jahre“ jubilierte die Irish Times 2012 über den Album-Erstling von Seamus Fogarty. Und 2015 kürte „BBC6 Music“ den Titelsong von Fogartys EP Ducks & Drakes zum „Song des Sommers“. Nun kommt Seamus Fogarty The Curious Hand in die Läden und LowBeats Autor Claus Dick meint, dies sei ebenfalls ein ganz besonderes Werk – und unsere CD der Kalenderwoche 43. Hier ist sein Bericht:

Da sitzt einer in einem schummerigen Pub an der Bar auf dem Hocker. Vor ihm ein Pint nachtschwarz loderndes Guinness. Und er denkt über die Welt nach. Nein. Tut er nicht. Nicht Seamus Fogarty. Oder zumindest nicht mehr: Das Klischee ist irischen Folk-Barden geschuldet, so wie sich deutsche Gemüter so einen eben mal gerne vorstellen.

Seamus Fogarty aus dem westirischen County Mayo wohnt seit einiger Zeit in der urbanen Wahlheimat London und setzt sich lieber mit seinen Musikern zusammen – gern auch in seinem Homestudio. Und vor allem mit Arrangement-Co-Mastermind Leo Abrahams: Als Produzent und musikalischer Kollaborateur auf Seamus Fogarty The Curious Hand zeichnet das Multitasking-Talent Abrahams für allerlei Wendungen verantwortlich, speziell für diejenigen elektronischer Natur. Schließlich hat der 40-jährige Londoner neben Regina Spector und den Wild Beasts auch mit Elektronik-Guru Brian Eno gearbeitet.

Seamus Fogarty debütierte bereits vor rund fünf Jahren auf dem kleinen schottischen Label Fence, 1997 gegründet von Kenny Anderson alias King Creosote. Das ironisch betitelte Album God Damn You Mountain vereint schrullige, leicht verschrobene Folk-Phantasmen aus der Zeit, als Fogarty noch öfter an der Bar hockte und sich schräge Geschichten ausdachte.

Doch schon früher schrieb er Songs über seltsame Berge, die T-Shirts stehlen oder komische Frauen, die wie Dinosaurier aussehen. Sowas hört sich anders an als beispielsweise Songs seines Landsmanns Christopher John Davison alias Chris de Burgh. Ganz anders.

Auf dem neuen Werk Seamus Fogarty The Curious Hand verschmilzt der gelockte Sänger bodenständigen Irish-Alt-Folk, Country und Blues, teilweise sensibel dekonstruiert und beherzt angereichert mit dezent inszenierter Elektronika.

Beglückt wird diese Wildkräutermischung des musikalisch-irischen Frühlings durch ein feines Bouquet aus Akustikbass, Violine, Viola und Cello nebst Klarinette. Dazu mischt der kauzige Fogarty schon mal gewitzte Samples von Nachbarschaftsgesprächen aus seiner westirischen Heimat Mayo.

Die elektronisch aufgeheizten Akustik-Tupfer des Albums kondensieren häufig smart an den analogen Instrumenten, die größtenteils die wunderbare Multiinstrumentalistin Emma Smith sensibel einspielte. Dazu gesellen sich gern eine röchelnde Hammondorgel oder Fender Rhodes.

Hier und da schaben und kratzen oder gurgeln die Elektronikteilchen aber auch gnomig dazwischen und konterkarieren so manch sanft-wohlige Melodienwendung. Akustisch eine Reminiszenz ans städtische Leben im hektischen London.

Dazu greift Bruder John souverän in die Tasten seines Akkordeons, Sängerin Rozi Plain erhellt mit ihrer Backgroundstimme pulsierende Songs wie „Heels Over Head“ und Aram Zarikian befeuert die Drums.

In seinen vertonten Kurzgeschichten erzählt Fogarty ein bisschen verschroben, teils auch etwas bärbeißig von geistigen Wirrungen, federleicht getragen von zartem Violinen-Einsatz im Song „Van Gogh’s Ear“, von einer Nacht in einer Kirche im stampfenden Folk-Blues-Stück „Carlow Town“, oder von einem 250 Jahre alten Skelett („Short Ballad For A Long Man“) im Slow-Motion-Modus.

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So darf sich Seamus Fogarty The Curious Hand getrost in der Nachbarschaft der stilverwandten Ed Dowie und Johnny Lynch (The Pictish Trail) oder durchaus auch im weiter assoziierten Umfeld von Americana-Altmeister Will Oldham alias Bonnie Prince Billy einreihen. Wer im November zufällig auf den irisch-britischen Inseln weilt, kann Fogarty an 13 Abenden ab 19 Uhr live auf der Bühne erleben.

Cover Art: Seamus Fogarty The Curious Hand
Seamus Fogarty The Curious Hand (Cover: Amazon)

Seamus Fogarty The Curious Hand erscheint bei Domino Records / GoodToGo und ist erhältlich als Audio-CD , Vinyl LP oder MP3-Download.

Seamus Fogarty The Curious Hand
2017/10
Test-Ergebnis: 4,0
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.