Es lief eine ganze Menge schief im Leben von Timothy Showalter, bevor er sich doch noch zu einer Karriere als Profimusiker voran kämpfen konnte. Nun aber fährt der Alleskönner aus Indiana den verdienten Lohn für viele Entbehrungen und Rückschläge ein: Mit dem neunten Album seines Projekt Strand Of Oaks, präsentiert er eine himmlisch schöne Pretiose zwischen Folk-Rock, Americana und Indie-Rock – und das formidabelste Beispiel für dieses Soundkonzept seit Adam Granduciels und seiner Band The War On Drugs. Ergo ist Strand Of Oaks “In Heaven“ unser Album der Woche.
Bilder sagen ja oft mehr als Worte. Also dann: Wer mal ein paar Fotos von Timothy Showalter gesehen hat, dem wird eines ziemlich schnell klar: Der Songwriter aus Indiana gehört nicht zu jenen Typen, die um jeden Preis um die Wertschätzung ihrer Umwelt buhlen. Everbody’s darling zu sein, gehört jedenfalls kaum zu den Lebenszielen dieses Einzelgängers.
Dazu beigetragen dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der ein oder andere Schicksalsschlag in Showalters Leben. Mal kam er von einer Tournee zurück, fand seine Frau im Bett eines anderen und seine Ehe in Trümmern; ein andermal kam er von einer Tournee zurück und fand nach einem Brand sein Haus in Trümmern. Es folgten Nächte in billigen Hotels oder auf Parkbänken, ehe Showalter an Weihnachten 2013 auf vereister Fahrbahn sogar schwer mit dem Auto verunglückte und sich glücklich schätzen durfte, lediglich mit einem halben Dutzend gebrochener Rippen und einer schweren Gehirnerschütterung davon gekommen zu sein.
Bei all dem war es stets die Liebe zur Musik, die sein Leben zusammenhielt. Den allernötigsten Lebensunterhalt sicherte längere Zeit ein Lehrerjob an einer orthodoxen jüdischen Schule, doch ab 2009 hatte sich Showalter schließlich doch noch zu einer Musikerkarriere durchgeschlagen und veröffentlichte mit „Leave Ruin“ das Debütalbum seines Projekts Strand Of Oaks.
Nun, zwölf Jahre und acht Alben später, gehört der 39-jährige Songwriter, Produzent und Multiinstrumentalist mehr denn je zu jenen Individualisten, die längst nur noch machen, was sie wollen, was ihnen gut tut, was ihr Herz ihnen sagt. Stilistisch hat Showalter seither eine interessante Entwicklung durchlaufen. Inspirierte ihn anfangs der Artpop einer Kate Bush ebenso wie der spacige Krautrock von Tangerine Dream, so traten nach und nach auch Synthiepop mit 80er-Jahre-Flair sowie klassischer Folk-Rock im Geist eines Neil Young zum Sound von Strand Of Oaks. Und längst spielt auch der Indie-Rock der 2000ff-Jahre eine tragende Rolle im Konzept dieses Einzelgängers, der sich der Tradition seiner Genres ebenso zuwendet wie sie in die Moderne zu führen versucht.
„In Heaven“ zeigt den Strand Of Oaks-Kosmos nun in einer ungemein homogenen Ausprägung und auf prachtvollem, durchgängig hohem Niveau. „Das Album ist eine hoffnungsvolle Reflexion über Liebe, Verlust und Erleuchtung“, erklärt Showalter. „’In Heaven’ wurde mit so viel Liebe geschaffen und meine größte Hoffnung ist, dass sich die Menschen damit verbunden fühlen und es einen momentanen Raum für Reflexion, Freude, Katharsis bietet – und was auch immer jemand sonst in seinem Leben sucht. Musik ist Magie und ich fühle mich wie der glücklichste Mensch auf der Welt, dass ich sie teilen darf.“
Und dass hier ein Vollblutmusiker am Werk ist: Das hört man jeder Note, jedem Takt dieses Albums an. Mit Freund, Schlagzeuger und Produzent Kevin Ratterman entstand ein elf Tracks starkes Set, dessen dichte Dramaturgie und straffe Spannungskurve die Skip-Taste jeglicher Abspielgeräte überflüssig macht. Neben Showalter und Ratterman mit am Werk: Carl Broemel (My Morning Jacket) an den Gitarren, Keyboarder Bo Koster (My Morning Jacket, Roger Waters), Bassist Cedric LeMoyne (Alanis Morrissette, Remy Zero) sowie Scott Moore an der Violine. Und in „Easter“ gab sich gar Smashing Pumpkins-Leader James Iha als special guest die Ehre.
Die Musik von Strand Of Oaks “In Heaven“
„Galacticana“ eröffnet mit vollmundigen, herbstlich warmen Acoustic- und E-Gitarren-Sounds: ein Stück Folk-Pop fürs Lagerfeuer, das gleichwohl ohne späthippieeskes Gedöns, sondern sehr nah am Hier und Jetzt daherkommt, wenn ab der Hälfte dieses Vierminüters die E-Gitarre richtig aufdreht und Kevin Ratterman für ganz große Schlagzeugbeats sorgt.
Das folgende „Easter“ wird dann von einem opulenten Synthiezwitschern eingeleitet, ehe Grand Piano und melodische Saitensounds eine heiter-melancholische Klangkulisse zwischen Westcoast- und Eastcoast-Herrlichkeit beschwören. „Somewhere In Chicago“ mit federnd-trabendem Beat plus perlenden Riffs sowie „Carbon“ mit schwungvoll-melancholischer Fiddle stellen die Weichen dann auf pure Entspannung und eine countryeske Gangart. Ganz exzellent steht Tim Showalter und seinen Gesellen diese ländlichen Klänge – doch noch besser wird dieses Ensemble, wenn es sich vom Strand der Eichen in urbane Gefilde vorwagt und sich wie in „Hurry“ geisterhafte bis sphärisch-psychedelische Klänge in die Arrangements mischen.
Auch das Highlight dieses Albums bespielt die eher härtere, rockige Seite seines: In „Sister Saturn“ verdichten sich Tastenklänge, Kevin Rattermans Wuchtbrummen-Schlagzeug und eine Palette an mal knochentrockenen, mal räudig-rebellischen, dann gar Stadionrock-tauglichen Riffs zu einem 4:56 langen Gewitter zwischen Indie- und Psychedelic-Rock. Dazu noch farbstarke, funkelnde und mit geradezu jubilierenden Harmonien gespickte Nummern wie „Jimi And Stan“ oder „Sunbathers“ und fertig ist ein Album voller Gänsehautmomente, auf das sich Fans einer klassischem Folkrock-Sprache und Freunde von eher gegenwartsnahen, alternativen Sounds gleichermaßen verständigen können. Und Kevin Ratterman sorgte in seiner nahe Los Angeles gelegenen Musikmanufaktur Invisible Creature für ein warmes, atmosphärisches und druckvolles Klangbild, das alle Winkel dieser facettenreichen Produktion präzise ausleuchtet. Ich sage mal: unbedingt anhören!