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Transrotor Max Nero 2022 von oben
Der neue Transrotor Max Nero 2022 ist auf maximale Freiheit gezüchtet: wo der Motor oder das Netzteil stehen, ist nirgends vorgeschrieben. Hier ist das "Einstiegsmodell" der Marke mit zwei Neunzoll-Armen bestückt (Foto: Transrotor)

Test Plattenspieler Transrotor Max Nero 2022 mit RB880 und Merlo

Mit dem Max Nero geht bei Transrotor ein neuer Einstiegsdreher in (Klein-)Serie. Sein Preis ist zwar immer noch nichts für Schnäppchensucher, aber für Plattenspieler aus dem Räke-Kosmos gibt sich der Transrotor Max Nero 2022 ungewohnt zugänglich. Und klingt dabei so luxuriös, dass man sich fast Sorgen um die größeren Modelle macht.

Am Anfang stehen 4500 Euro. Ein Haufen Geld für einen Plattenspieler. Oder ungefähr das, was dieses Jahr das Auffüllen der häuslichen Heizöltanks kostet. Auch wenn man viel mit teurem HiFi zu tun hat, stellt man sich natürlich manchmal die Frage nach dem Sinn: Deckt sich der Fertigungs- und Entwicklungsaufwand einer Komponente wirklich noch mit deren Preis? Und selbst wenn diese Frage bejaht werden kann: Steht diesem Aufwand dann auch ein entsprechend gesteigerter Genusswert gegenüber? Beim Max Nero 2022 lösen sich solche Bedenken Schritt für Schritt in Luft auf. Und das beginnt schon mit dem Auspacken.

Die Besonderheiten des Transrotor Max Nero 2022

Wenn ich Händler wäre, würde ich einen Spieler dieser Klasse grundsätzlich beim Kunden zuhause aufbauen und in Betrieb nehmen. Außer natürlich, er oder sie will das ausdrücklich nicht. Beim Transrotor Max gibt es für den Vor-Ort-Termin allerdings keine wirkliche Notwendigkeit. Wenn man ihn, so wie wir und vermutlich die Mehrzahl aller Käufer, als Komplettspieler erwirbt, also mit montiertem Arm und Tonabnehmer, reduziert sich der Aufbau-Aufwand auf ein absolutes Minimum. Der Auspackgenuss dagegen ist maximal: Schleifchen, Glitzerfolie und Geschenkpapier fehlen zwar, aber auch mit extrastarkem Karton, Vlies, Schaumstoff, Folie und Ziploc-Beuteln kann man Liebe und Sorgfalt zum Ausdruck bringen.

Der Max reist First Class aus Bergisch Gladbach in seine neue Heimat. Der neue Eigentümer – und Inhaber des entsprechend geschundenen Kontos – spürt das: Da hat kein genervter Akkordarbeiter Teile in eine Kiste geworfen. Sondern jemand, der sich auskennt, hat sich ein Stündchen Zeit genommen, den Tonabnehmer tadellos justiert, einen Probelauf gemacht, jedes Teil nochmal geprüft und dann alles akribisch eingewickelt, -getütet und -foliert. Man sieht die Person fast vor seinem geistigen Auge, wie sie vor dem Zukleben des Kartons nochmal versonnen über den nunmehr komplett mumifizierten, sicher in Schaum gebetteten Dreher streicht. Zuhause kann dann nichts mehr schiefgehen, wenn man sich vornimmt, beim Auspacken die gleiche Ruhe mitzubringen.

Transrotor Max Nero 2022 von vorn
Cool und clean: Der Verzicht auf Bling bringt die präzise Eleganz des Max Nero noch besser zum Vorschein. Alles, was hier silbrig schimmert, ist Edelstahl. Die schwarzen Teile sind seidig gestrahltes und eloxiertes Alu (Motorgehäuse) und POM (Chassis, Teller und Armbasis); (Foto: Transrotor)

Wir haben mit dem Max den preiswertesten Transrotor-Laufwerkstyp bestellt, diesen aber nicht in der kleinsten Ausführung. Mit einfacherem Arm, kleinerem Netzteil und MM-System kommt man schon unter 3000 Euro an ein Produkt der deutschen Manufaktur heran. Wobei „einfach“ und „kleiner“ hier natürlich irreführend sind. Denn selbst dann hätte man einen wunderschönen, aus normaler HiFi-Sicht bereits völlig kompromisslosen Spieler erworben, der ein Leben lang nicht nur funktionieren, sondern auch konkurrenzfähig bleiben würde. Angesichts aktueller Teuerungsraten wird man in ein paar Jahren sicher auch froh sein, ihn schon heute, 2022, gekauft zu haben. Das ist nicht wie bei DVD-Playern für 4500 Euro, die es ja auch mal gab (und die ich auch massenhaft getestet habe). Die waren im Jahr X state of the art, im Jahr X+1 gern schon mal defekt, und spätestens im Jahr X+3, wenn sie denn so lang hielten, veraltet…

Transrotor Max Nero 2022 RB 880
Superber Serienarm: Der Rega RB880 besitzt ein von der Headshellspitze bis zum Lagersitz einteilig gegossenes, mehrfach konifiziertes Rohr. Er holt auch aus anspruchsvollen MC-Systemen zuverlässig das Beste heraus. Transrotor montiert ihn auf eine stabile, höhenverstellbare Plattform und ermöglicht damit auch eine VTA-Anpassung (Foto: Transrotor)

„Unser“ beziehungsweise „mein“ Max – Anführungszeichen, weil es sich natürlich um ein Leihgerät handelt – kommt schon in gehobener Ausstattung mit dem großen Rega-Arm RB880, Transrotors eigenem MC-System Merlo und dem Netzteil Konstant Eins, das neben dem Komfort elektronischer Drehzahlumschaltung auch noch ruhigeren Motorlauf bringt. Das Paket kostet 4500 Euro und fühlt sich absolut rund und stimmig an. Denn damit passt die Peripherie bereits adäquat zum eigentlichen Laufwerk, dem Herz jedes Plattenspielers.

Der neue Max geht aus einer Prototypen-Kleinstserie hervor, die vor ein paar Jahren angestoßen wurde, um den brandneuen hauseigenen Tonarm stimmig auf Messen präsentieren zu können. Dieser TRA 9 genannte Schwenker sieht aus wie eine Kreuzung aus einem SME V und einem Stealth-Bomber – vor allem in der mattschwarzen Version. Die Suche nach einem passend mattschwarzen Laufwerk führte erst einmal zu einem neuen Material: Man kann Alu zwar auch schwarz eloxieren…

Transrotor Max Nero 2022 Tonarm-Lager
Sehnsüchtiger Blick gen Horizont: Wenn das HiFi-Sparschwein in ein paar Jahren wieder gefüllt ist, käme als ernsthaftes Upgrade ein TRA 9s in Frage – hier die Lagerpartie. Der RB800 ist aber so gut, dass die Wartezeit nicht von Verzicht, sondern ausschließlich von Genuss geprägt ist (Foto: Transrotor)

Mit Transrotor-Ansprüchen ans Finish wird das aber sehr teuer, weil nur allerfeinstes Rohmaterial wirklich homogene Oberflächen ergibt und selbst damit der Ausschuss sehr hoch ist. Chassis und Teller des neuen Max bestehen daher nicht mehr aus Alu, sondern aus Polyoxymethylen alias POM. Werkstoffe mit drei Ypsilons im Namen sind schonmal automatisch gut. POM, das auch unter dem Markennamen Delrin bekannt ist, kann aber noch mehr: Es hat eine für Kunststoffe ungewöhnlich hohe Dichte von über 1,4 g/cm³ und ist außerordentlich hart und zäh. Es wird daher zum Beispiel auch für Getriebe-Zahnräder verwendet, wenn Stahl aus welchem Grund auch immer nicht in Frage kommt. Und da es schwarz durchgefärbt erhältlich ist, löst sich die Oberflächenfrage quasi von selbst: Es verlässt Drehbank oder CNC-Maschine so wunderschön seidig und tiefschwarz, dass man nur noch die Späne runterpusten muss.

Transrotor Max Nero 2022 Motor
Beim Transrotor Max Nero 2022 dominieren die Werkstoffe Aluminium und der Kunststoff Delrin, besser bekannt als POM (Foto: Transrotor)

Einen positiven Effekt hat POM auch auf den Klang: Gerade im Vergleich zu den zuvor verwendeten Massiv-Aluscheiben, die stets eine ausgeprägte, hochfrequente Eigenresonanz aufweisen, reagiert der POM-Teller auch auf hartes Anklopfen so lebendig wie ein Sack Zement. Und ganz nebenbei ist die Oberfläche in ihren dielektrischen Eigenschaften so vinylähnlich, dass sich die Platten darauf auch nicht statisch aufladen. Auch mechanisch harmonieren die Materialien derart gut, dass keine Matte nötig ist. Der Teller ist so profiliert, dass LPs mit erhabenem Label in der Mitte eine passende Vertiefung vorfinden. Auch der Randwulst, den viele Platten aufweisen, ist mit einer ausgeprägten Stufe am Tellerrand berücksichtigt, die nebenbei das Abheben der Platten extrem erleichtert. Wende oder Wechsel bei laufendem Teller? Überhaupt kein Problem mit dem komfortabel weit aufragenden Mitteldorn, dem griffig dargebotenen Plattenrand und der nicht vorhandenen Matte, die folglich auch nicht an der Plattenunterseite kleben kann.

Transrotor-typisch liegt dem Max ein Gewicht bei und mein erster Reflex war, Tester-typisch, es im Karton zu lassen. Ich habe es dann doch ausgepackt und damit experimentiert. Es besteht aus massivem Edelstahl mit einer Nylonbuchse zur Schonung der Tellerachse und wiegt wuchtige 700 Gramm. Der Extradruck aufs Label bringt bei manchen Platten Vorteile durch den besseren Grip. Meist jedoch zog ich im Hörtest die unbeschwerte Platte vor, weil die wunderbar plastische, körperhafte Abbildung etwa von Stimmen, die zu den besonderen Talenten des Spielers gehört, ohne Gewicht einfach noch greifbarer wirkte.

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Transrotor Max Nero 2022 Konstant
Schönes Design, perfekt ausgeführt: Der Deckel des Konstant Eins (Einzelpreis: 460 Euro) ist zugleich ein großer Drehschalter, der den Blick auf die eingravierte Drehzahl freigibt. Auch das Loch hat eine originelle Funktion … (Foto: B. Rietschel)
Transrotor Max Nero 2022 Konstant Einstellung
Versteckte Verstellung: Die Bohrung im Deckel des Konstant Eins führt je nach Schalterstellung zum richtigen Trimmpoti zur Feineinstellung der gerade gewählten Drehzahl. Um es zu erreichen, braucht man einen Phillips-Kreuzschlitzdreher der Größe #0 mit mindestens 60 mm Länge. Weil den nicht jeder Haushalt herumliegen hat, legt Transrotor ihn bei (Foto: B. Rietschel)
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Wirklich plan bekommt man die Scheiben damit ohnehin nur selten – es ist also kein Wundermittel gegen Wellen. Wer das sucht, muss sich Reflexklemmen wie die Däd!Clämp von Black Forest Audio anschauen, die auf dem Max mit seinem langen Mitteldorn und der harten Telleroberfläche hervorragend funktioniert. Der Gag an diesen Klemmen ist, dass sie nicht mit ihrem Eigengewicht arbeiten, sondern sich an der Tellerachse festhalten, um ohne Gefahr fürs Tellerlager richtig hohe Drücke aufzubauen.

Sorgen um das Tellerlager sind unabhängig von dessen Beladung unbegründet. Es trägt auf anderen Modellen auch Teller, die das Doppelte der 3,5-Kilo-POM-Scheibe wiegen. Eine polierte, 10 mm dicke Stahlachse trägt das Gewicht, geführt von einer schönen, dickwandigen Messingbuchse, unten aufgestützt auf eine kleine Stahlkugel. Das Lager lässt sich zu Servicezwecken zerlegen, der aus Stahl gefräste Lagerboden abschrauben und die Kugel theoretisch tauschen – auch wenn Transrotor-Geschäftsführer Dirk Räke sich in unserem Gespräch an keine Gelegenheit erinnern konnte, bei der das je nötig gewesen wäre. Geschmiert wird mit einem dünnen Öl. Und da das Lager durch die breite Tellernabe auch nach oben praktisch komplett von der Umwelt abgeschirmt ist, kann man davon ausgehen, dass man sich um dieses Öl in absehbarer Zeit nicht mehr wird kümmern müssen.

Transrotor Max Nero 2022 Lager
Ausnahmsweise mal offen: Das Transrotor-Tellerlager ist für die Ewigkeit dimensioniert und durch die überlappende Tellernabe im zusammengebauten Zustand auch nahezu hermetisch staubdicht. Es kommt fertig geschmiert und verschlossen an und wird im Normalfall auch nie geöffnet (Foto: B. Rietschel)

Angetrieben wird der Teller mit einem langen, außen laufenden Riemen und einem Synchronmotor, den Transrotor in einen schweren, separat stellbaren Aluzylinder packt. Der genaue Stellplatz ist nicht vorgeschrieben. Die Riemenspannung und ihr Einfluss auf den Klang lassen aber eine Position recht nah am Chassis sinnvoll erscheinen. Ob der Antrieb dann auf neun Uhr (also links neben dem Chassis), elf Uhr oder zwölf Uhr steht, das kann man frei entscheiden – theoretisch natürlich auch nach Gehör: Mir schien der Klang mit dem Motor auf elf Uhr etwas runder.

Der Sockel des Motorgehäuses besteht aus mattiertem Edelstahl. Das Material kontrastiert elegant mit den mattschwarzen Alu- und POM-Teilen und findet sich auch an den fein höhenverstellbaren Füßen des Spielers und an den massiven Auslegern für die Tonarmbasis. Letztere ist auf den Stahlstangen nur geklemmt und damit verschieb- und wechselbar. In der zehn-Uhr-Position am Chassis finden zwei weitere Ausleger Halt, um eine optionale zweite Armbasis zu tragen. Die gibt es für Arme aller Längen und mit beliebigen Bohrungen und Fräsungen. Man kann dem Max also später zum Beispiel noch einen Luxus-Zwölfzöller nachrüsten oder einen zweiten Rega mit Billigsystem für die Flohmarktplatten oder einem spezialisierten Mono-Pickup.

Transrotor Max Nero 2022 Konstant
Mit ruhiger Hand: Beim Bedienen des Arms ist eine Auflage für die Hand sehr hilfreich – vor allem, aber nicht nur für Leute, die gerne ohne Lift arbeiten. Rechts vorne aufgestellt, dient das Konstant Eins nebenbei als bequeme und stabile Handstütze. Es schützt zudem bei Nichtbenutzung den ansonsten frei herausragenden Arm samt Tonabnehmer vor versehentlichen Berührungen (Foto: B. Rietschel)

Wobei Tonarmupgrades, die den serienmäßigen Rega RB880 wirklich übertreffen, teuer und schwer zu finden sind. Es ist kein Zufall, dass Transrotors eigener Arm selbst in der jüngst vorgestellten Economy-Version kaum weniger als 4000 Euro kostet: Rega baut mit dem solo 1000 Euro kostenden RB880 einen praktisch unschlagbaren Arbeitsplatz für alle Tonabnehmer hoher bis mittlerer Nadelnachgiebigkeit. Dem samt Headshell einteilig, aber mit variabler Wandstärke gegossenen Armrohr in seinen spielfreien, geschmeidig laufenden Lagern geht kein noch so kleines Detail verloren. Um die perfekte strukturelle Integrität nicht aufs Spiel zu setzen, baut Rega seine Arme ohne Azimuthkorrektur und ist bis heute nicht vom Nutzen einer VTA-, also Höhenverstellung überzeugt. Weshalb Transrotor letztere einfach als Teil der hauseigenen Tonarmbasis nachrüstet.

Beim Azimuth lässt sich nachträglich nichts machen, sieht man mal von passenden Unterlegern zwischen Headshell und System ab. Gute Systeme sollten jedoch präzise genug gebaut sein, dass derlei Gebastel nur selten notwendig wird. Die letzten zehn höherwertigen Tonabnehmer, die ich getestet habe – vorsichtshalber immer auch in einem Arm mit verdrehbarem Azimuth – liefen allesamt dann am besten, wenn das System exakt parallel zur Plattenoberfläche stand. Worauf man sich beim Rega immerhin verlassen kann – anders als zum Beispiel bei den klassischen abnehmbaren Headshells mit SME-Kupplung, die meist ein bisschen Spiel haben und sich gerne unbemerkt verdrehen.

Transrotor Max Nero 2022 mit Merlot
Perfekter Partner: Besser als das Transrotor Merlo kann ein Tonabnehmer kaum in den Rega-Arm des Transrotor Max Nero 2022 passen. Das gilt in klanglicher wie optischer Hinsicht gleichermaßen (Foto: Transrotor)

In unserem Spieler war ein Transrotor Merlo perfekt vorjustiert – also so perfekt, dass ich letztlich wirklich nichts daran geändert habe. Klar, die Auflagekraft gilt es neu einzustellen, weil der RB880 lagerschonend ohne sein Edelstahl-Gegengewicht eingepackt wird. Dafür würde ich immer eine gute Waage empfehlen, denn dynamisch balancierte Arme – also solche mit Feder-Auflagekraft – haben zwar viele Vorteile, zu denen aber nicht die absolute Genauigkeit ihrer Skala gehört. Weder meine beiden Linn Ekos 1, noch sämtliche Regas, mit denen ich zu tun hatte, stimmen wirklich exakt mit meiner Ortofon DS-3 überein.

Ortofon DS-3 Tonarmwaage
Die Ortofon DS-3 ist zwar mit knapp 150 Euro nicht wirklich günstig, aber extrem präzise (Foto: Ortofon)

Die DS-3 ist für eine umgebaute Juweliers- oder Drogendealerwaage zwar recht teuer, aber sie misst exakt auf Höhe der Plattenoberfläche (was bei vielen Armen wichtig ist, weil sonst völlige Fantasiewerte herauskommen), und sie tut das seit Jahren praktisch täglich zuverlässig und reproduzierbar. Oder, um die Produktbeschreibung in Amazon zu zitieren: „Die elektronische Küchenwaage Ortofon ds-3 Können Sie per mit großer zur präzisen Stärke für die Fensterbank, in Ihre Zelle, mit einer Kapazität von der Lage 0,01 g bis 200 Gramm. Eine feine von Gewalt Haltegriff ermöglicht eine Lesung optimale Ihrer Festplatten, mit einem umfassenden Bandbreite.“ Ich hätte es nicht besser formulieren können.

Hörtest

Als erste Testplatte streckte „I.A.A.Y.A Part One“ von Sol Seppy zarte Piano- und Celloranken in den Hörraum, und natürlich Seppys fragile Stimme sowie jede Menge Ruhe und Stille. Ein meditatives, konzentriertes Album, das bei aller Sanftheit eine große Kraft ausstrahlt. Hier fiel zunächst die Ruhe und Stabilität auf, mit der der Max auch leeres Vinyl unter der Nadel vorbeizieht: Ein Nichts, eine leere Bühne, die schwarz und tief wirkt. Bei den ersten Silben aus Sol Seppys Mund wusste ich dann, dass dieser Spieler Spaß machen würde. Das war eine Erleichterung, denn anämisch kühle Wiedergabe kann man hier gar nicht brauchen. Und insgeheim befürchtete ich, der neue Max könnte sich zu jenen Transrotormodellen aus der Vergangenheit gesellen, die ein wenig in diese Richtung von der goldenen Mittellinie abwichen.

Das kann man vom Max Nero beim besten Willen nicht behaupten. Es ist ein Spieler, bei dem man über Tonalität, deren Richtigkeit und Charakteristik einfach nicht nachdenkt. Weil sie einfach stimmt. Und zwar so gut, wie ich es selten bei Plattenspielern erlebe – egal zu welchem Preis. Das Transrotor Merlo mit seinem schwarzen Pocan-Gehäuse spielt dabei eine wichtige Rolle. Es ist eine Spezialanfertigung auf Basis des Goldring-Klassikers Elite, die mit einer anderen Nadelgeometrie aus dem großen Fundus des erfahrenen englischen Systemherstellers gebaut wird. Und zwar ganz offensichtlich einer besonders ambitionierten Schliffvariante, die dem Merlo exzellente Abtastleistungen verleiht. Die Nadel scheint unter der unnachgiebig präzisen Führung des Rega-Arms geradezu in der Rille zu kleben und auch in hoch ausgesteuerten, hochtonreichen Passagen immer noch über Reserven zu verfügen.

Detailfreudige, schlank geschliffene Nadeln sind nie ganz risikofrei. Wie viele Hörer bestätigen können, die ihre Spieler zum Beispiel mit ML-benadelten Audio-Technicas upgraden wollten, kann das, wenn nicht alles perfekt stimmt, in schwer integrierbarem Hochtongezimbel resultieren, das weder Genuss noch Entspannung fördert und immer ein bisschen unsauber wirkt. Andererseits verschwindet, wenn alles stimmt, einfach nur der sonst merkliche Hochtonabfall zwischen dem ersten und letzten Song einer Seite. Und man hat unabhängig von der Nadelposition einen natürlichen Klang mit vollständigem, weit ausgedehntem Obertonspektrum, perfekt kontrollierten S-Lauten und eben genau keiner unmotivierten Aufhellung. Ein Traumzustand, der nur selten erreicht wird. Der aber auch nicht völlig utopisch ist, wie der Transrotor Max Nero 2022 beweist.

Man darf nicht vergessen, dass das Merlo mit gerade einmal 800 Euro zu Buche schlägt. Für ein MC, das so ausgewogen, akkurat und unerschrocken durch wildeste Rillen reitet, und das dank langer Schliff-Flanken auch mit höherer Lebenserwartung gesegnet ist als eine elliptische Nadel, ist das fast schon ein Sonderangebot. Zu verdanken haben wir das der offenbar konservativen Kalkulation bei Transrotor, aber auch der über hundertjährigen Expertise bei Goldring und der exzellenten Synergie, die sich mit dem Rega-Arm ergibt. Letzterer ist mit um die zehn Gramm effektiver Masse ja nur knapp mittelschwer, was mit richtig harten MCs erstmal nicht ideal harmoniert.

Perfekt spielen natürlich Regas eigene MCs Ania, Ania Pro, Apheta und Aphelion, aber auch Goldrings E-Modelle Eroica, Elite und Excel, oder die in Rega-Armen optimierten Excalibur-MCs des deutschen Regavertriebs TAD… Da man als Tonabnehmerhersteller schön blöd wäre, ausgerechnet die millionenfach verkauften Rega-Arme zu ignorieren, lässt sich diese Liste noch lange fortsetzen. Greift man einfach zum Merlo, hat man aber auf jeden Fall eine perfekt passende Nadelnachgiebigkeit (relativ hohe 18 µm/mN), eine MC-untypisch hohe Abtastfähigkeit (mit einschlägigen Messplatten oft bis über 100µm), sehr geringe Verzerrungen und daraus nahezu unvermeidlich ein volles, weiches, zugleich präsent-dynamisches Klangbild, das im ganz positiven Sinn schon gar nicht mehr an typischen Vinylsound erinnert. Sondern dessen Flow und Körperhaftigkeit mit einer Sauberkeit und Neutralität verbindet, die wir eher von guten Digitalquellen erwarten.

Philip_Glass_Satyagraha_Cover
„Satyagraha“ von Philip Glass aus dem Jahr 1986. Das Dreifach-Vinyl steckt in einer Pappbox mit umfangreichem Libretto und klingt mitreißend dynamisch. Allerdings ist für vollen Genuss ein wirklich guter Plattenspieler unerlässlich: Hier schlägt die Stunde der besten Arme und Tonabnehmer. (Cover: Qobuz)

Mit kniffligen Platten – Pianodonner mit Keith Jarrett, Opern von Philip Glass, Chorwerke, dicht zuproduziertes Prog-Gerocke – meint man häufig besonders gut unterscheiden zu können, was Plattenspieler können und was nicht. Der Max Nero macht aber nahezu jede Platte knifflig. Und zwar nicht, weil er damit Probleme hätte. Sondern weil er vielen andern Spielern (und praktisch allen preisgleichen) zeigt, was da noch zu holen wäre an Eindeutigkeit und (vor allem Hochton-) Dynamik. Mit seiner Offenheit und Sauberkeit schließt der Transrotor auch die Lücke zu den digitalen Medien sehr elegant: Analog klingt immer noch analog, je nach Mastering mal nur verhuschter und milder, mal wirklich einfach besser als CD oder Stream. Man kann sich aber ohne jede Nervosität auch den ganz schwierigen Herausforderungen stellen und wird nie enttäuscht.

Fazit  Transrotor Max Nero 2022

Dass der neue Max glänzendes Alu mit mattem POM und Edelstahl ersetzt, hat also nicht nur einen coolen, moderneren Look ermöglicht, der die polierten Klassiker fast kitschig wirken lässt. Der Spieler hat ganz nebenbei auch die letzten Spuren metallischer Kühle abgelegt, die der Vorgänger mitunter noch zeigen konnte. Und der war ja schon mit überragendem Preis-Leistungsverhältnis gesegnet.

So schade es ist, dass der japanische Transrotor-Tonarmzulieferer Jelco vor einiger Zeit seine Werkstore für immer schloss – es zwang die Räkes, ihre zwischenzeitlich etwas abgekühlten Beziehungen zu Rega wieder zu vertiefen. Und hat damit zu dieser ungewöhnlich stimmig zusammenspielenden Kombination geführt. Ein Spieler, den mein Linn nun gleichberechtigt neben sich dulden muss – zumindest bis das Analog-Kunstwerk wieder zurück nach Bergisch Gladbach muss.

Transrotor Max Nero 2022
2022/08
Test-Ergebnis: 4,8
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Ausgewogener, natürlicher, sehr stabiler und detailreicher Klang
Für eine zweite Armbasis vorbereitet
Für das Gebotene günstig
Keine Staubschutzhaube

 

Vertrieb:
Räke Hifi / Vertrieb GmbH
Irlenfelder Weg 43
51467 Bergisch Gladbach
www.transrotor.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Transrotor Max Nero 2022: 4.474 Euro
Rega RB 880: 970 Euro
Transrotor Merlot: 800
Konstant Eins: 460 Euro


Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.