Manchmal darf es auch etwas rauher sein: LowBeats Musicman Christof Hammer fand mit The Jesus And Mary Chain Damage And Joy eine ungeschliffenen Diamanten des Noise Rock von Legenden des Noise Rock – nämlich den Reid-Brüdern, besser bekannt als The Jesus And Mary Chain…
1984 war’s, als die Brüder Jim und William Reid in Glasgow „weißes Rauschen“ Marke Velvet Underground mit Beach-Boys-artigem Harmony-Pop kombinierten und mit Psychocandy einen Meilenstein des Noise-Rock veröffentlichten. Danach kam, was wohl kommen musste: Wer als Debüt ein solches Kultalbum produziert, rennt diesem Coup im weiteren Verlauf seiner Karriere meist vergebens hinterher – man denke an Martin Fry, dem mit ABC und seinem Lexicon Of Love dasselbe Schicksal widerfuhr.
Dass die beiden Brüder einander ungefähr ähnlich innig wertschätzen wie die beiden Oasis-Streithähne Noel und Liam Gallagher, machte die Sache nicht einfacher. Oft fetzten sich die Reids wie die Kesselflicker, das letzte gemeinsame Werk brachte man 1998 mit Munki zustande. 2007 überredeten dann die Macher des kalifornischen Coachella-Festivals die Brüder zu einer Live-Reunion (übrigens mit Scarlett Johansson als Gastsängerin des Hits „Just Like Honey“), und nun, kaum zehn Jahre später, gibt es auch schon das Album-Comeback.
Vokalverstärkung kommt diesmal unter anderem von Isobel Campbell (Ex-Muse von Mark Lanegan und ehemals Mitglied der schottischen Neo-Folk-Band Belle & Sebastian). Und Produzent Youth sorgte in Dublin, London und Granada mit Einfühlungsvermögen und Diplomatie für eine entspannte Studioatmosphäre. Die Musik auf The Jesus And Mary Chain Damage And Joy: der pure Stoff von damals, gespielt ohne unnötiges Beiwerk und mit einer gewissen Altersmilde.
Das Feedback-Gewitter zürnt etwas weniger heftig als in einstigen Sturm-und-Drang-Zeiten, die Produktion scheppert nicht mehr ganz so garagenartig wie einst. Geblieben ist das Faible (und Händchen) für zuckersüße Melodien, die sich aus einer wall of noise herausschälen dürfen (bzw. müssen).
Für die nicht unnötig komplizierten Rhythmen zuständig: eine Low-Budget-Beatbox und Tour-Schlagzeuger Brian Young. Drum herum: etwas Rave-Ästhetik der 90er-Jahre plus routiniert abgewickelter Britrock, oft so grau-grieselig wie das Wetter in der “raintown” Glasgow.
Ein Meisterwerk wie Psychocandy wurde Damage And Joy also definitiv nicht. Nichtsdestotrotz: Den Coolness-Faktor einer Ray-Ban-Sonnenbrille atmet diese Musik – simpel im Aufbau, maximal reduziert, unaufgeregt lässig – aber irgendwie schön.
The Jesus And Mary Chain Damage And Joy erscheint bei ADA Records im Vertrieb von Warner Music und ist erhältlich als Audio-CD, Doppel-Vinyl-LP, MusicCassette und MP3-Download.
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