Wenn Druckwellen aus den Lautsprechern beim Musikhören die Gläser in der Vitrine klirren, die Bauchdecke vibrieren und das Wasser in der Blumenvase Wellen schlagen lassen, sind stets tiefe Töne im Spiel. Meist stolpert man zufällig über entsprechende Musiktitel mit besonders tieffrequentem Inhalt: Doch wer sich wie LowBeats intensiv um guten Klang kümmert, braucht ultimative Bass Tunes für gezielte Tieftontests – weil’s mit Musik halt deutlich mehr Spaß macht als per Tongenerator.
Den Anstoß für diese Geschichte gab denn auch unser Bericht zum Raumresonanzen-Killer Linn Space Optimisation: Für den klanglichen Praxischeck war Musikmaterial gefragt, dass sich speziell bei üblichen Wohnraum-Größen dazu eignet, so richtig Wellen zu schlagen, sprich: Raumresonanzen anzuregen. Beim Durchstöbern unserer Musik-Archive nach entsprechenden Tracks kam in der Tat einiges mit dem nötigen Tiefgang zusammen – und damit war die Idee zu einem Top-Chart „Ultimate Bass Tunes“ auch schon geboren.
Ultimative Bass Tunes: Diggin’ deeper – runter bis 5 Hertz
Kann man den Tieftongehalt von Musiktiteln denn überhaupt seriös testen? Durchaus – allerdings braucht man für eine aussagekräftige Beurteilung entsprechend qualifizierte Tools: LowBeats verwendet hierzu den Software-Analyser IQ Analyser V2 Standalone vom Karlsdorfer Studio- und Raumakustik-Spezialisten HOFA, der dank seiner vielfältigen Möglichkeiten sehr differenzierte Aussagen (nicht nur) zu tieffrequenten Programminhalten erlaubt. So könnten wir per IQ Analyser V2 jedem der 10 vorgestellten Tracks einen detaillierten Steckbrief ausstellen, welche tiefsten, klanglich relevanten Frequenzen bei welchem Pegel enthalten sind. Doch wie heißt es so schön: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – daher haben wir uns fürs Erste entschieden, musikorientiert das ermittelte Tiefton-Frequenzgangprofil darzustellen. Und wenn’s wirklich spannend ist, finden sich in den Beschreibungen der einzelnen Tracks auch Angaben zu Frequenzen und/oder Pegeln.
Das Lesen der IQ Analyser-Diagramme, die Sie in der Galerie am Ende dieses Beitrags finden, ist denkbar einfach: Dargestellt ist die Amplitudenstatistik des jeweiligen Tracks im Frequenzbereich von 5 (!) bis 300 Hz in zwei Kurvenzügen – der obere zeigt die maximalen Pegelspitzen bei den jeweiligen Frequenzen, während der untere deren Energiegehalt über die gesamte Spieldauer des Tracks ausweist. Das heißt im Klartext: Je dichter die beiden Kurvenzüge zusammenliegen, desto kontinuierlicher ist die Bassenergie im Verlauf des Titels (siehe Vergleich in untenstehendem Diagramm).
Allerdings ist es nicht damit getan, zur Auswertung unserer ultimative Bass Tunes lediglich die Absolutwerte der Pegelspitzen aller Titel heranzuziehen – vielmehr ist für ein klanglich relevantes Ergebnis zunächst mal ein definierter Lautstärke-Abgleich der Tracks untereinander erforderlich, da sonst die besonders dynamischen und daher im Durchschnitt leiser aufgenommenen Titel naturgemäß im Nachteil wären.
Eine solche Lautstärke-Normalisierung ist nicht nur fair, sondern auch praxisgerecht: Denn genauso würden Sie die Titel auch wahrnehmen, wenn Sie sie beispielsweise über ein qualitativ hochwertiges Streaming-Portal in Folge hören würden. LowBeats orientiert sich bei der Lautstärke-Normalisierung am noch relativ jungen EBU-R-128-Standard, der für den Broadcast-Bereich eine durchschnittliche Programmlautstärke von -23LUFS festlegt: Das bietet genügend Spielraum auch für äußerst dynamisch aufgenommene Titel. Um für alle Tracks absolut identische Voraussetzungen zu schaffen, haben wir die Lautstärke-Normalisierung nicht manuell vorgenommen, sondern über professionelle Studio-Software präzise und klangneutral rechnen lassen.
Ultimative Bass Tunes: Deep, deeper, deepest? Jetzt sind Sie gefragt!
Natürlich kennen auch wir bei LowBeats kaum alle Tiefbass-schwangeren Tracks: Drum sind die hier vorgestellten 10 Titel auch nicht als unumstößliche „Ultimative Bass Tunes Of All Times“ zu verstehen. Einige Marker auf der nach oben hin unendlich offenen LowBeats-Skala sind damit aber schon mal gesetzt und wir wagen die Prognose: Es dürfte ziemlich schwierig werden, die Tracks auf den ersten drei Plätzen zu übertreffen.
Was jedoch keinesfalls heißen soll, dass es nicht machbar wäre – und genau dazu möchten wir Sie hiermit ausdrücklich ermuntern: Egal ob Dubstep, Drum & Bass, Electronic, HipHop, House, Jazz, Klassik, Pop, Rock oder World Music – wenn Sie einen heißen Kandidaten für LowBeats ultimative Bass Tunes haben, so senden Sie uns diesen entweder direkt als File per Wetransfer-Link (www.wetransfer.com) oder aber als schriftlichen Vorschlag an [email protected] – Interpret und Album dabei bitte nicht vergessen. Es sollte sich dabei um Tracks handeln, die man entweder auf Tonträger oder als Download bei offiziellen Portalen erwerben kann – die also jedermann zur Verfügung stehen.
Dabei geht es natürlich ausschließlich um (Stereo-) Musikproduktionen – nicht etwa Geräusche-Aufnahmen oder Ambient-Noise-Tracks aus entsprechenden Sound-Bibliotheken. Die eingereichten ultimative Bass Tunes Vorschläge werden von uns vor der Analyse Lautstärke-normalisiert (gemäß EBU R 128 = -23LUFS). Bei den eingesandten Files muss es sich um Originale handeln: Manuelles Nachbearbeiten mit EQs, Kompressoren, Limitern oder Maximizern verbietet sich schon allein aus Gründen der Fairness – und wir bemerken es sowieso … :-)
Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass man sich bei tiefen Frequenzen im wahrsten Wortsinn gehörig verschätzen kann – so kann beispielsweise eine geschickt komprimierte Bassdrum bereits immensen Tiefton-Druck entwickeln, obwohl ihre eigentliche Tuning-Frequenz 50 Hertz kaum unterschreitet. Wer’s also genau wissen will – und genau dafür ist dieses Tool ja auch gedacht – lädt sich die kostenlose Demo-Version des HOFA IQ Analyser V2 hier herunter: Damit können Sie 14 Tage lang im eigenen Musik-Archiv nach wirklich tiefbassigen Tracks zu stöbern.
Subkultur
Bevor es nun losgeht mit unseren bisherigen Ultimative Bass Tunes Top 10, noch eine kleine Anmerkung: Natürlich sagt eine quantitative Beurteilung von Tieftoninhalten zunächst mal nichts über die musikalischen Qualitäten eines Titels aus – umso mehr freut es uns daher, dass in unserer aktuellen Ranking ausnahmslos musikalisch hochkarätige Titel aus höchst unterschiedlichen Genres zu finden sind. Das zeigt eindrucksvoll, dass Tiefbass keineswegs bloß stampfendes Gedröhne, sondern vielmehr eine musikalisch wertvolle Bereicherung des Tonspektrums ist. Wundern Sie sich also nicht, wenn Ihnen unserer Auswahl ein breites, bis zu den Ohren reichendes Grinsen aufs Gesicht zaubert – frei nach dem Motto: Bass muss sein.
Ultimative Bass Tunes: Die Top 10
Platz 10: Hush (feat. Tina Randa) – Mashti & Jean von Baden
Den Auftakt für die LowBeats Ultimate Bass Tunes macht das Kopenhagener Produzenten-Duo Mashti & Jean von Baden. Das Coverbild ihres 2014 erschienenen Albums Ethnology erinnert nicht bloß zufällig an Daniele Gaudis Erfolgsalbum “Bass, Sweat & Tears” aus dem Jahr 2004: Wie dieses seinerzeit zählt Ethnology definitiv zu den besten Worldmusic-Electronic-Crossover-Alben des letzten Jahres, auf dem sich auch einiges Tanzbares findet. Für Freunde tiefer Töne bietet Ethnology ebenfalls jede Menge Leckerbissen – so das tief dunkelrot daherkommende “Hush”, gesungen von Tina Randa. Wer mit Raumresonanzen im 30-Hertz-Bereich zu kämpfen hat, den treibt dieses Album wegen seines hohen Energiegehalts in dieser Region in den Wahnsinn.
Platz 9: Keeping Up With Our Jones’s – Gareth Williams Power Trio
Das “Power” im Namen des Trios um den britischen Pianisten und Keyboarder Gareth Williams, der bereits mit der legendären Hip-Hop-Band US3 tourte, ist durchaus berechtigt: So bietet das Album Shock! überwiegend temperamentvollen Contemporary Jazz vom Feinsten; so zum Beispiel das hier vorgestellte “Keeping Up With Our Jones’s”, das vor allem durch seine groovenden Drums besticht. Dieser Titel ist ein schönes Beispiel dafür, dass auch akustische Aufnahmen recht kräftige Tieftonanteile enthalten können. Zwar fällt die Bassenergie unterhalb 50 Hertz allmählich ab, weist aber selbst in der 20-Hertz-Region noch überraschend hohen Pegel auf.
Platz 8: Gocciolina – Annuluk
Ushna heißt das 2013 veröffentlichte Debut-Album der Leipziger Global-Pop-Band Annuluk. Ein starker Auftakt, wurden die Finalisten des Weltmusik-Festivals Creole 2014 obendrein noch mit dem Indie-Award “Beste Newcomerband des Jahres” ausgezeichnet. Auf Ushna stellt Annuluk gekonnt weltmusikalische Elemente elektronisch geprägten Sounds gegenüber – die wie bei “Gocciolina” enormen Tiefgang entwickeln können. Von diesem Titel sind daher auch zahlreiche Remixes von namhaften Produzenten aus der Drum-&-Bass-Szene erschienen. Von der Originalversion stellte uns Annuluk hier eine begrenzte Menge kostenloser Downloads zur Verfügung – schnelles Reinklicken lohnt sich also.
Platz 7: Take Flight (orchestral version) – Lindsey Sterling
Wie sich Country-orientiertes, melodiöses Violinenspiel mit brachialen Dubstep-Tiraden musikalisch unter einen Hut bringen lässt, zeigt die kalifornische Violinistin Lindsey Sterling auf ihrem 2014 veröffentlichten Album Shatter Me. Diese ungewöhnliche Mixtur geht dabei auch noch recht eingängig ins Ohr, so dass Lindsey Sterling damit nicht nur sensationelle YouTube-Klickraten einfuhr, sondern sogar hierzulande mit einem Echo in der Sparte Crossover Artists ausgezeichnet wurde. Dass bei einem solch bombastisch-furiosen Sound-Feuerwerk auch entsprechende Tiefton-Salven nicht fehlen dürfen, zeigt der Titel “Take Flight” – besonders in der hier nominierten, orchestrierten Version.
Platz 6: Big Beans – Boris Blank
Wenn es um rekordverdächtige tiefe Töne geht, ist der Name Yello auf jeden Fall mit von der Partie. Das gilt auch dann, wenn einer der beiden Musiker des Schweizer Kult-Duos auf eigenen Pfaden wandelt – wie bei Electrified, dem im Herbst 2014 vorgestellten Solo-Album von Synthie-Soundtüftler Boris Blank: Electrified enthält 60 bislang unveröffentliche Titel aus dem Zeitraum 1977 bis 2014. Dem Gehalt an tiefen Tönen tat Boris Blanks Alleingang definitiv keinen Abbruch, wie der Tanzflächen-Füller “Big Beans” klar unter Beweis stellt – tiefe Frequenzen sind nicht nur reichlich, sondern auch permanent vorhanden, wie der Vergleich von Spitzen- zu Durchschnittspegeln sehr gut erkennen lässt.
Platz 5: River Of Bass – Underworld
Es gibt Alben, die so zeitlos klingen, dasss man sie selbst 20 Jahre nach ihrem Erscheinen nochmals veröffentlichen kann. So geschehen mit Dubnobasswithmyheadman von der britischen Kult-Formation Underworld: 1994 erstmals veröffentlicht, gab es vor ziemlich genau einem Jahr nochmals einen Release. Der leicht melancholisch-düstere Dancefloor-Klassiker hat es nicht nur musikalisch wirklich in sich, denn auch in Sachen Tieftongehalt belegt Dubnobasswithmyheadman definitiv eine Pole-Position in der Sparte “fieseste Subwoofer-Testalben”. Beim Titel “River Of Bass” ist der Name denn auch tatsächlich Programm: Nicht nur, dass er musikalisch wunderbar dahinfließt – auch geht’s dabei so richtig runter in den Tieftonkeller.
Platz 4: Toccata und Fuge in D-Moll, Bwv 565 – Cameron Carpenter
Hat dieses Werk tatsächlich Johann Sebastian Bach geschrieben? Zielt es mehr auf spektakuläre Wirkung als echte musikalische Qualitäten aufzuweisen? Fragen, die Musiker wie Wissenschaftler derzeit gleichermaßen beschäftigen. Unbestritten ist aber auf jeden Fall, dass diese Komposition das wohl mit Abstand bekannteste Orgelwerk der europäischen Klassik ist. Und ganz gleich, welcher Komponist sie auch geschrieben hat: Er war sich auf jeden Fall der Wirkung tiefer Töne bewusst – denn wenn sie kommen, die tiefen Lagen der großen Kirchenorgel, kommen sie gewaltig: Töne bis hinunter zur Hörgrenze von 16 Hertz zeigt das Analyser-Spektrum des Klassik-Klassikers – hier in der sehr gelungenen Interpretation von Klassik Shooting-Star Cameron Carpenter.
Ultimative Bass Tunes Platz 3: Wonder Where We Land – SBTRKT
Die einen halten es für eine konzeptionslose Sammlung musikalischer Fragmente – die anderen finden es schlichtweg genial: Gemeint ist das im Herbst 2014 veröffentlichte Album “Wonder Where We Land” des britischen Produzenten SBTRKT (sprich: Subtract). Die musikalische Wahrheit liegt wie immer irgendwo dazwischen. Wie der Name schon sagt, lässt Wonder Where We Land in der Tat keine klare Leitlinie erkennen, doch fasziniert es mit einem sehr ungewöhnlichen Klangfarbenspiel kombiniert mit ebenso ungewöhnlicher Melodik, was durchaus Assoziationen an Zukunftsmusik erweckt. Und in dieser existiert reichlich Raum für tiefe Töne: Jedenfalls tastet sich der vom britischen Ausnahme-Musiker Sampha einfühlsam gesungene Titeltrack “Wonder Where We Land” mit beachtlich hohem Pegel gefährlich dicht an die 20-Hertz-Grenze heran: So klappert’s auch beim Nachbarn.
Ultimative Bass Tunes Platz 2: Mississippi – Rising Appalachia & The Human Experience
Im Schatten des Mainstream reifte in den letzten Jahren eine außergewöhnlich kreative Generation junger Musiker heran, die traditionelle Musikelemente gekonnt und zudem ausgesprochen ästhetisch mit neuen Soundtechniken verbindet. Für das Album Soul Visions kamen zwei dieser Protagonisten zusammen: Zum einen die Formation Rising Appalachia um die Schwestern Lea und Chloe Smith, zum anderen der umtriebige Multi-Instrumentalist und Soundtüftler David Block unter seinem Pseudonym The Human Experience. Heraus kam ein Mini-Album, dass amerikanische Traditionals im neuen musikalischen Gewand äußerst spannend und zudem herausragend gut erklingen lässt – mit, wie bei “Mississippi”, ultratiefen und intensiven Tönen, die auch vor der 20-Hertz-Marke nicht haltmachen. Bei solchem Tiefgang muss selbst so mancher High-End-Kopfhörer passen.
Ultimative Bass Tunes Platz 1: 1812 Ouvertüre op. 49 – Tchaikovsky (Erich Kunzel/Cincinneti Symphony Orchestra)
Was ist nicht alles schon geschrieben und erzählt worden über diese Einspielung: Unzählige Tonabnehmer, die bei den (hinzugemischten) Kanonenschüssen aus der Rille abhoben – und mindestens ebenso viele Verstärker, die bei den Dynamiksprüngen abrauchten. Definitiv aber ist diese Aufnahme eine Legende: 1979 entstanden, zählt sie zu den ersten Digitalaufzeichnungen überhaupt und ist bis zum heutigen Tag die erfolgreichste Einspielung des Labels Telarc. Komponist Pjotr Iljitsch Tchaikovsky fand die Ouvertüre 1812 selber zwar eher trivial, dafür wurde sie aber umso beliebter – auch bei HiFi-Freunden für den Anlagen-Check. Und wie die Tiefton-Analyse zeigt, definitiv nicht ohne Grund: Es kanonendonnert zwar nicht ständig bei der “Ouvertüre 1812” – aber wenn, dann so heftig, dass ihre Bassenergie auch gemittelt noch immer deutlich über der von allen anderen Tracks liegt.
Erstaunlich – die Tiefton-Diagramme der ultimativen Bass Tunes