Drei Namen, drei exzellente Gitarristen, ein phänomenales Live-Happening, das nun eine wunderbare Ergänzung erfährt: Nach „Friday Night in San Francisco“, das weltweit als eines der meisterhaftesten Akustikwerke gilt, schwebt nun „Saturday Night In San Francisco“ aus den Lautsprechern. Klasse: Auch Teil zwei des legendären Konzertwochenendes vom Dezember 1980 wird HiFi-Freunde ziemlich verzücken: Unser audiophiles Album der Woche.
Es gibt meisterhafte Alben, die alle Sinne ansprechen – die Flimmerhärchen und die akustisch sensiblen Bereiche unseres Gehirns ebenso wie den Geist und bestenfalls die Seele streicheln. Das hat ein Alan Parsons beispielsweise mit seinen „Tales of Mystery And Imagination“ vollbracht. Oder auch die Beatles in der genial remasterten Version des „Weißen Albums“.
Auch manche Werke audiophiler Labels wie Stockfisch oder Chesky-Labels zählen natürlich zu dieser Klasse. Sagen wir mal so: Allein der gute Klang einer Aufnahme reißt uns jedoch bestenfalls partiell mit. Umso mehr steigt helle Freude auf, wenn sich wieder einmal ein Album der Top-Kategorie auf dem Platten- oder CD-Teller dreht. Noch dazu eines, das nahtlos an einen audiophilen Klassiker anknüpft und ihn quasi ergänzt: „Saturday Night in San Francisco“ verbrüdert sich mit „Friday Night In San Francisco“, einem der erfolgreichsten Akustikgitarrenalben aller Zeiten. Zugleich strahlt hier ein Live-Epos, das sich durchaus in die Reihe anderer großer (Jazz-)Live-Aufnahmen einreihen darf, wie zum Beispiel „At The Plugged Nickel“ von Miles Davis oder „Sunday At The Village Vanguard“ von Bill Evans.
Schwenken wir also hinüber in die Bay Area, wo sich in Pazifiknähe Weltverbesserer wie Mark Zuckerberg, Tim Cook oder Trump-Fan Elon Musk hinter ihren Markenlogos eingenistet haben. Der kulturfokussierte Blick der Vogelperspektive fällt jedoch auf die „Market Street“ Nummer 982, an der Kreuzung zur „Golden Gate Ave“. Auf der Zielgeraden taucht dort das „Warfield Theatre“ auf, in dem am 5. und 6. Dezember 1980 Livemusikgeschichte geschrieben wurde. Nicht zum ersten Mal, denn im Laufe seiner Geschichte traten dort Promis wie Louis Armstrong, Charlie Chaplin sowie später Bob Dylan oder Grateful Dead auf.
Der Engländer John McLauglin stammt aus der Rock-Ecke und frönte später klassischer indischer Musik. Der Spanier Paco De Lucia, der leider 2014 verstarb, galt wiederum als einer der weltbesten Flamenco-Gitarristen. Und Alberto Laurence Di Meola alias Al Di Meola studierte am Berklee College Of Music in Boston und verdiente seine Brötchen teils mit Chick Corea und solo – das Magazin „Guitar Player“ zeichnete ihn gleich dreimal als „besten Akustik-Gitarristen“ aus. Eigentlich sollte damals Saiten-Springer Larry Coryell die Tour mit McLaughlin und de Lucia weiter bestreiten, was jedoch Columbia Records nicht wollte. Die Gunst der Stunde schlug für den jungen Al Di Meola mit seinem Einsatz in dem außergewöhnlichen Gitarren-Trio.
Und der erinnert sich noch gut daran, auch an das Warfield Theatre. „Die ‚Saturday’-Show war die letzte in einer Reihe. Wir hatten beinahe zwei Monate lang jede Nacht gespielt. Damals war Paco der weltbeste Flamenco-Gitarrist, John war berühmt für seine beispiellose Technik. Und ich war der Grünschnabel, der ins tiefe Wasser geworfen wurde, um mit diesen Monstern zu spielen, ich musste hart arbeiten.“ Wie die Zeiten sich ändern: Heute kuratiert Al Di Meola das „Saturday“-Album. Aber wo in alles in der Welt waren denn die Bänder all die Jahre? Wohl über 40 Jahre lang eingemottet in Al Di Meolas Studio. Dazu erlauben wir uns einen kleinen Räusperer mit Augenbrauenhochziehen und Stirnrunzeln.
Ein Live-Aufnahme so packend-authentisch hinzukriegen, dass sowohl die Interpreten mit ihren Instrumenten als auch die Zuschaueratmosphäre und die jeweilige Räumlichkeit wohl akustisch austariert ein großes Ganzes bilden, ist ein kitzeliger Job. Live-Recording-Altmeister Tim Pinch hat(t)e das drauf. Er war für beide Abende des Gitarrentrios verantwortlich die Master-Tapes klangstark zu bespielen. Am Wochenende der Aufnahmen rannte er wie von der Tarantel gestochen rein und raus ins „Warfield“-Gebäude, präparierte die Technik, positionierte und balancierte die Mikrofone aus – und „plötzlich ging dann der Vorhang hoch und ich fand mich draußen im Aufnahme-Truck wieder, wo ich alles aufs Band bannte“, erinnert sich Pinch.
Lassen wir den renommierten Live-Toningenieur noch ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. „Ich lernte, dass es bei Live-Aufnahmen kein Falsch oder Richtig gibt …“. „Al, John und Paco waren keinesfalls nervös und mäkelten nicht an meinem Sound, also mussten sie zufrieden gewesen sein. Die ‚Friday and Saturday’ Night Shows im Warfield waren historisch, weil das Publikum einfach unglaublich war“, erinnert sich Pinch. „In Los Angeles könnten sich die Musiker umbringen und das Publikum würde dazu nur sagen ‚yeah, was habt ihr denn noch so drauf?’. Aber in San Francisco liebten sie jedes Detail, applaudierten und schrien. Das kann man auf dem Album schön hören, das ist pure Dynamik.“
Die Highlights von „Saturday Night In San Francisco“
„Damals gab es tausend Möglichkeiten wie ich Al, John und Paco mit Mikrofonen hätte einfangen können”, sagt Pinch. “Am Ende entschied ich mich für ein AKG C451, das er vor den Schalllöchern der Gitarren aufstellte – und zwar so, dass es den Blick der Zuschauer nicht behinderte.” Nach ein paar Finessen mehr (das Booklet verrät einige) startete letztendlich die Aufnahme auf den zwei 3M-Recordern M-79 16. Die Takes begeisterten damals – und jüngst nach der Wiederentdeckung der Bänder.
„Als ich das hörte, bekam ich einen Buzz“, so Produzent Al Di Meola. „Denselben Buzz, den ich beim Hören von ‚Friday Night’ bekomme. Es ist so beglückend und aufregend, denn das Publikum war voll bei uns und genoss jede einzelne Note der Musik. Und wir haben es wirklich krachen lassen. Es war unvergesslich gut!” Mit der aktuellen Ton-Arbeit ist Al wieder zufrieden und bedankt sich dafür im Booklet euphorisch bei „Katsu Naito und Roy Henderson: ‚masterful engineering“ … brillant!“
Dem schließen wir uns an: Die gut 40 Jahre alte Live-Aufnahme besticht mit toller Plastizität, schöner Feindynamik, prima Auflösung und vor allem einer tollen Atmosphäre und einem sehr lebendig-echten Raumgefühl.
Gleich zu Beginn lässt „Splendido Sundance“ (geschrieben und arrangiert von Al Di Meola) die Hüften zum mediterranen Sonnentanz kreisen, angetrieben von filigranem Fingerpicking und großartigem Trio-Flow. „One World“, geschrieben und arrangiert von John McLaughlin, startet bluesy, touchiert dezent Rock-Rhythmen und entfaltet dynamische Vehemenz der Gitarren nach dem Motto alle für einen, einer für alle – wie musikalische Musketiere spielen die Drei, fokussieren jeweils ihren eigenen Stil und formen ein leuchtendes Ganzes.
Die „Trilogy Suite“, eine Kompositon von Al lebt von wieselflinkem Fingerpicking und sanftmütigem Mittelteil. „Monasterio De Sal“ (von Paco De Lucia) versprüht sonnigen Fast-Forward-Folk mit Drive und Strahlkraft. Und mit „El Panuelo“ trägt Paco De Lucia eine weitere Komposition bei, die er auch arrangierte. Ein zackig-mediterranes Stück, schillernd und fulminant packend. „Meeting Of The Spirits“ stammt aus der Feder von McLaughlin und schafft einen großartigen Spiel-Raum für drei Gitarren. „Orpheo Negro“ komponierte der Bossa-Nova-Komponist Luiz Bonfá, ein gediegener, würdiger Fusion-/Brasil-Ausklang.
Was für ein Saturday Night Fever – hochkarätiger Akustikgitarren-Klang auf Top-Niveau und in feinem Klangbild. Duett komplett: „Friday …“ & „Saturday …“ verschmelzen so virtuell zu einem kompletten, denkwürdigen Gitarrenabend in der Bay Area von San Francisco.
Bewertungen
MusikKlangRepertoirewertGesamt |
Aktuelle Tourdaten:
Al Di Meola
mit Gregory Porter, David Sanborn und dem Stuttgarter Kammerorchester
12.07.2022 Live in Stuttgart „A Magic Jazznight“
John McLaughlin
03.07.2022 Neuhardenberg, Schloss Neuhardenberg
05.07.2022 Schwetzingen, Alte Wollfabrik
06.07.2022 Würselen, Burg Wilhelmstein
Videoclip (Teaser): „Splendido Sundance“: