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Desperate Journalist In Search Of The Miraculous – Band
Für das Londoner Quartett Desperate Journalist um die blonde Sängerin Jo Bevan läuft es gerade ziemlich gut. Album Nummer 3 begeistert mit einer Mischung aus Post-Punk und Indierock, ein Schuss Dark-Wave-Atmosphäre inklusive.(Foto: Fierce Panda)

Desperate Journalist In Search Of The Miraculous

Die englische Postpunk-Band Desperate Journalist sucht auf ihrem dritten Album das Wundersame und begibt sich dafür in schwere See. Die Reise führt westwärts: Ein an der irischen Küste gestrandetes Segelboot spielt eine tragende Rolle auf  Desperate Journalist In Search Of The Miraculous und auch der Geist der Cranberries mit ihrer im vergangenen Jahr tragisch verstorbenen Sängerin Dolores O’Riordan scheint ein wenig über diesem Album zu schweben.

Eine Blume krallt sich in die magere Erdkruste, ein Fensterausschnitt durchbricht graues Mauerwerk: So prägnant veranschaulicht das Cover von Desperate Journalist In Search Of The Miraculous die musikalische Welt der Band – Licht kontra Dunkelheit, Lebenssehnsucht ungeachtet schwieriger Verhältnisse.

Seit 2012 schreiben die vier Londoner ein weiteres Kapitel des englischen Postpunk und von Jahr zu Jahr hören mehr und mehr Freunde angelsächsischer Gitarrenmusik dieser Band zu. Denn Sängerin Jo Bevan und Schlagzeugerin Caroline Helbert sowie ihre beiden Saitenmänner Simon Drowner (Bass) und Rob Hardy (Gitarre) liefern, was man anderswo oft vermisst: viel Atmosphäre, eindringliche Soundscapes, intensive, rockig-melodische Kompositionen.

Desperate Journalist In Search Of The Miraculous – Drummer
Desperate Journalist hat mit Caroline Helbert eine exzellente Drummerin an Bord (Foto: Fierce Panda)

Prachtvoll pendelt Desperate Journalist In Search Of The Miraculous zwischen Indierock und Gitarrenpop, fast jeder Song präsentiert sich als dicht gemauerte, effektvoll ausgeleuchtete wall of sound. Im Mittelpunkt: Gitarren allerlei Couleur und der Gesang von Jo Bevan, die in Timbre und Phrasierung stark an die verstorbene Cranberries-Kollegin Dolores O’Riordan erinnert. Auch der Wechsel zwischen lieblichen und dunklen Klängen, zwischen Melancholie und rockiger Wucht erinnert an das Cranberries-Oeuvre.

Und noch auf einer zweiten Ebene führt diese musikalische Suche nach dem Wundersamen westwärts über die irische See Richtung Grüne Insel. Inspiriert wurde dieses Album durch den niederländischen Video- und Konzeptkünstler Bas Jan Ader, der sein Leben Experimenten mit der Schwerkraft widmete – einschließlich der Schwerkraft seiner eigenen Seele.

1975 brach der in der Provinz Groningen geborene Ader zu einer waghalsigen bis selbstmörderischen Seereise auf: Unter dem Motto „In search of the miraculous“ startete er in einer nicht einmal vier Meter kleinen Nussschale zu einer Atlantiküberquerung. Alles kam, wie es kommen musste: Zehn Monate nach Aders Abreise fand man das Wrack seines Segelbootes an der irischen Küste, seine Leiche wurde nie gefunden. „Off the coast of Ireland, what’s the point in borders / Scramble all the signals and disconnect the callers / Because miracles, they don’t happen here“, kommentiert Bevan in „International Waters“ –Wunder geschehen an der irischen Küste eher selten.

Die Musik von Desperate Journalist In Search Of The Miraculous

Los geht’s aber zunächst mit dem hymnisch-noisigen „Murmuration“, wo die Band mit „biggen“ Drumbeats, flirrenden Riffs und ein bisschen hintergründigem Lärm sozusagen den Mörtel für die weiteren knapp vierzig Minuten anrühren. Der Ohrwurm „Cedars“ sorgt mit perlenden Gitarrentönen und einer beschwingten Melodie dann für eine Art Sonnenaufgang. „Jonatan“ schiebt zunächst Simon Drowners Bass in den Vordergrund, ehe auch hier „jangeling guitars“ übernehmen.

Das anmutige „Argonauts“ funktioniert als  Pianoballade mit sphärischen Untertönen wie ein Anker der Ruhe, ehe „Black Net“ das Tempo wieder etwas, „Ocean Wave“ mit rau-melodischen Riffs dann noch deutlicher anzieht. In beiden Fällen macht sich Drummerin Caroline Helbert mit dynamischen Schlagzeugfiguren bemerkbar – und Jo Bevans Sopran strahlt wie ein Leuchtturm in die düsteren Soundscapes ihrer Bandkollegen hinein.

Auch „Girl Of The Houses“ und das rasante „Satellite“, einer der stärksten Songs des Albums, zeigen Bevan mit einer Mischung aus femininer Empfindsamkeit bei gleichzeitiger rockiger Ruppigkeit in emotionaler und stilistischer Nähe zu Dolores O’Riordan. „To Be Forgotten“ bringt zum Finale dann nochmals ganz großes Kino: Trommelfeuerwerk, ein Bass im XXL-Format und Gitarren, die wie Synthies klingen.

Alle zehn Songs von Desperate Journalist In Search Of The Miraculous addieren sich zu einem Werk, das mehr ergibt als nur die Summe seiner einzelnen Songs: ein wundersamer Sog aus postpunkiger Melancholie und darkwavigem Furor, der noch lange nachhallt.

Desperate Journalist In Search Of The Miraculous – Cover
(Cover: Amazon)

Desperate Journalist In Search Of The Miraculous erscheint bei Fierce Panda im Vertrieb von Cargo und ist erhältlich als CD, LP und Download.

Desperate Journalist
In Search Of The Miraculous
2019/03
Test-Ergebnis: 4,0
SEHR GUT
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Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Christof Hammer

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Seit vielen Jahrzehnten Musikredakteur mit dem Näschen für das Besondere, aber mit dem ausgewiesenen Schwerpunkt Elektro-Pop.