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Kraftwerk 3-D Der Katalog
In Tom Ammermanns Luna Studio wurden alle 3D-Verfeinerungen umgesetzt (Foto: Klingklang)

Exklusiv: Making of Kraftwerk 3-D Der Katalog

Die Düsseldorfer Gruppe Kraftwerk revolutionierte in den 70er Jahren die Popmusik durch innovative elektronische Klänge und einen Minimalismus, der scheinbar der Bauhaus-Tradition folgt: „Perfektion im Design ist erreicht, wenn man nichts mehr weg lassen kann, ohne dass etwas fehlt!“ In einem gut zweijährigen Prozess hat Fritz Hilpert – seit 1987 einer der vier Kraftwerker – alle Klangelemente, die jemals in den acht Alben der Gruppe verwendet wurden, im hauseigenen Klingklang-Studio isoliert, restauriert und nun in einem Mammut-Projekt namens Kraftwerk 3-D Der Katalog in den Hamburger Luna Studios von Tom Ammermann zu neuen Alben zusammengesetzt.

Tom Ammermann
Tom Ammermann (Foto: Tom Ammermann)

Die Musiker selbst waren als scheue Maschinen-Wesen und Überding zu schüchtern, um sich zu ihrem spannenden Projekt zu äußern. Aber Tom Ammermann, in dessen Luna Studio die Tonmischungen entstanden, holte sich die Erlaubnis, über seinen Beitrag Auskunft erteilen zu dürfen – und das ist vielleicht sogar der spannendste Teil der Geschichte.

Tom Ammermann gilt international als eine der Koryphäen, wenn es um mehrkanalige Surround-Produktion geht. Schon zu DVD-Zeiten war er der Mann, an den sich die großen Filmgesellschaften wandten, wenn es darum ging, aus Stereo Surround zu machen. Oder um beispielsweise für die DVD aus Terminator 2 (in klassischem 5.1) einen 7.1-Mix zu destillieren, der auch einen James Cameron überzeugt.

Hinzu kommt, dass Tom Ammermann der Kopf hinter „Headphone-Surround 3D“ ist, einem Verfahren, das jeden konventionellen Stereo-Kopfhörer in die Lage versetzt, eine sehr überzeugende Surround-Wiedergabe mit Außer-Kopf-Lokalisation darzustellen.

Das ist so, als hörte man eine Kunstkopf-Aufnahme, die in einem akustisch perfekten Heimkino entstand. Und er ist auch noch Entwickler des „Spatial Audio Designer“, einem digitalen Tool, mit dem heute auch Firmen wie Skywalker Sound ihre aufwendigen Filmvertonungen für Dolby Atmos, Auro-3D etc. produzieren.

Per Skype gab mir Tom Ammermann Einblicke in seine Beteiligung an der Neuproduktion der Kraftwerk-Tonmischungen. Die durch eingeschränkte Internet-Verbindung etwas zappelige Bildqualität bitten wir zu entschuldigen.

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Über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren mit über 50 Produktionstagen quartierte sich Fritz Hilpert, einer der vier Kraftwerker und zugleich Toningenieur der Gruppe, bei Tom Ammermann im Luna-Studio ein, das speziell für diese Produktion präpariert und dafür sogar noch von Dolby für die Dolby Atmos Produktion abgenommen und zertifiziert wurde.

Auch der Stereo-Mix entstand hier unter identischen Bedingungen wie die 3D-Audio-Produktion, aber als eigenständiger Mix. Dazu wurde – was ungewöhnlich und technisch sehr aufwendig war – die Nuendo-Audioworkstation aus dem Düsseldorfer Klingklang-Studio von Kraftwerk mit dem Workstation-System von Avid Pro Tools im Luna Studio gekoppelt, um über Pro Tools wiederum Zugriff auf den RMU-Computer von Dolby für die Atmos-Produktion zu erhalten.

Kraftwerk 3-D Der Katalog
Kraftwerk 3-D Der Katalog: die Bildschirme und Teile der Abhöranlage im Luna Studio während der Produktion (Foto: Klingklang)

Das physische Lautsprecher-Setup im für ein Tonstudio überdurchschnittlich großen Regieraum des Luna Studios entsprach dabei der klassischen Heimkino-Anordnung für Dolby Atmos mit 7.1.4 Kanälen: drei Frontkanäle plus zwei seitliche und zwei rückwärtige Surrounds, Subwoofer für LFE und Bassmanagement sowie vier Höhenkanäle von der Decke. Die waren so weit auseinander wie die Frontkanäle und ±45° vor und hinter dem zentralen Hörplatz angebracht sowie auf diesen ausgerichtet.

Produziert wurden Master in 24Bit und 48kHz Samplingrate, die genau so nur auf der Blu-ray Disc zu hören sind. Für die CD-Produktion wurde der Stereomix entsprechend auf 16Bit mit 44,1kHz herunter gerechnet.

Während der Produktion stand Tom Ammermann Fritz Hilpert stets beratend zur Verfügung, als „3D-Polizei“, wie er es augenzwinkernd nennt.

Das galt erst recht für die Version von Headphone Surround 3D, die extra produziert wurde und eben individuell auf die Wahrnehmung via Kopfhörer angepasst wurde – mit eher kompakter Abbildung statischer Elemente und etwas ausladenderen Effekt-Elementen.

Ich kann aufgrund meiner eigenen Erfahrung mit der Blu-ray Disc Kraftwerk 3-D 12345678 (der „Best-Of“-Kurzversion von 3-D Der Katalog) nur bestätigen, die drei Mischungen klingen schlicht sensationell: Ein tiefer, kraftvoll federnder Bass grooved unwiderstehlich, die Durchhörbarkeit in den Mitten schlägt alles, was es von Kraftwerk je zu hören gab, und das Ganze wirkt gleichzeitig faszinierend dynamisch und kompakt wie nur wenige Produktionen. Die immersiven Bestandteile wirken irgendwie selbstverständlich, gleichzeitig aber überraschend und dennoch unaufdringlich.

Diese Aufnahmen sind in jeder Hinsicht wirklich nahe der Perfektion. Gratulation an alle Beteiligten.

Mehr Details zu Kraftwerks neuem Meisterwerk in der ausführlichen LowBeats Rezension.

Eine weitere herausragende 3D-Produktion: Alessandro Quarta spielt Astor Piazzolla

 

Kraftwerk 3-D Der Katalog
Kraftwerk 3-D Der Katalog: Die große Sammelbox mit Blu-ray plus Buch (Foto: Klingklang)

 

Autor: Raphael Vogt

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Technischer Direktor bei LowBeats und einer der bekanntesten Heimkino-Experten der Republik. Sein besonderes Steckenpferd ist die perfekte Kalibrierung von Beamern.