An der US-Westküste lassen es ein paar Jungs richtig mächtig psychedelisch krachen – mit ihrem zweiten Album beglückt die Grave Flowers Bongo Band Freunde progressiver Psychedelic-Rock-Töne unerhörter maßen. Das ist gut so, denn die Zeit ist reif für solch ein potenter Trip zurück in die Zukunft der 70er Jahre: Grave Flowers Bongo Band Strength Of Spring ist unser Musik-Empfehlung der Woche.
Eigentlich stand auf der Liste patenter Musik-Neuerscheinungen das frische Doppelalbum des irischen Blues-Meisters Van Morrison. Doch der erste Ohrenschein erfüllte bei weitem nicht die hohen Erwartungen – zu viele denk- und fragwürdige politische Statements, zu viele ausgeleierte musikalische Selbstzitate. Ok, sei’s drum dachten wir und schwenkten kurzerhand von Irland gen Westen nach Kalifornien. Denn dort treibt seit ein paar Jahren eine Band freche, wilde psychedelisch rockende Blüten mit sehr eigenständigem Charakter.
Frontmann Gabe Flores, seines Zeichens Sänger, Gitarrist und Saxofonist, Bassist Andy Caly sowie Vaughn Christensen (Gesang, Gitarre) tauchen tief ein in die freakig angehauchte End-60er-/ 70er-Jahre Psych-Pop-/Rockszene der Westcoast. Sie bedienen sich an Mustern dieser entfesselten Ära und drücken ihr ihren Stempel auf. Alte Schule, 2.0. Ach ja. Die gute alte Zeit vor einem halben Jahrhundert – lebendig, beseelt, eingebuttert in einer aufmüpfigen Aufbruchsstimmung. Zumindest bei der Jugend. Drumherum waberte der Mief der braven Bürger. Während in der Glotze „Flipper“, „Raumschiff Enterprise“ oder „Time Tunnel“ liefen, bliesen Rockheroen wie T. Rex oder auch die Doors zum Überwinden von Grenzen. Zumindest geistig. Und auch ein gewisser Marc Bolan (siehe CD der Woche vom 14.09.2020) trug seinen Teil dazu bei, indem er sprühende Glam-Rock Funken schlug.
Das 2018 frisch gebackene L.A-Trio schuf auf seinem zweiten Album einen stark leuchtenden Kosmos im Geiste der Altvorderen. Und so flankieren Akustikgitarren, eingebettet in folkig-spacige Rhythmusträume dornige E-Gitarrensounds. Syd Barret lässt grüßen – zumindest assoziiert man den früh verstorbenen Pink-Floyd-Musiker hier und da etwas. Also alles nur geklaut? Keinesfalls, sondern im guten Wortsinne reflektiert. Sagen wir mal so: Was wäre, wenn Black Sabbath zusammen mit Marc Bolan von T. Rex gemeinsame Sache machen würde? Dann kämen wir der musikalischen Sache der Bongo Band schon ein Stückchen näher.
Aber keine Angst, die Jungs aus der Stadt der Engel halten keine schwarzen Musik-Messen ab. Freaky Psycho-Pop, von der Akustikgitarre gewärmt und gereift – außergewöhnlich – steht auf ihrem Spielplan. Dass dazu wild sprühende E-Gitarrensaiten fauchen, aufheulen und jubilieren, macht das Ganze äußerst schmackhaft. Ein Riff wird kommen: Gabe Flores lässt es krachen, sucht die perfekte Saiten-Hiebe, lässt sein Saxofon aufschreien. Drumherum schweben gerne zarte Melodienstrukturen, die dann wieder von sprühender Percussion oder grollenden Drums eingefangen werden.
Grave Flowers Bongo Band Strength Of Spring
Wenn das also die neue „Kraft des Frühlings“ sein soll, dann gerne. Zumal das Trio für ihr Album nochmal drei patente Mitstreiter ins „Station House Studio“ nach Los Angeles einlud. Owen Barrett bedient die Schlagzeug- und Percussion-Sektion, Olaf Selland eine weitere Gitarre plus Pedal Steel und Pachy Garcia entlockt dem Moog Synthesizer verzückende Töne.
Es geht los mit „Lazy River“: einer pushy Nummer, mit Akustikgitarren, umlodert von knackigem Rhythmus-Gespinst, gespickt mit einem emotionalen Dialog aus Bass und E-Gitarre, die einem Progressive-Rock-Lockruf folgen. Mehrstimmige Voals und fetzige E-Gitarren inklusive. „Animal Lord“ startet mit einem heroisch inszenierten Intro, einer plüschigen Ladung Bombast im Gepäck, dann ein feuriger Fanfaren-Ritt, umrankt von E-Gitarren-Riffs. Da herrschte offenkundig mächtig Spaß am gemeinsamen konzertierten Tun. „Tomorrow“ verströmt beinahe sonnige Melodien, lässt Akustikgitarrensaiten taumeln, die folkig betupft werden, um dann einer überschwänglichen Groove-Attacke zügig Platz zu machen. „Outer Bongolia“ liegt ähnlich wie Kap Horn an umtosten Gestaden – ein brodelnder Auftakt fordert Trommelwirbel heraus, alle scheinen rhythmisch in eine Richtung wie die Lemminge zu rennen, um sich dann wie auf ein geheimes Kommando hin zu sortieren und zackiger Percussion freien Lauf zu lassen. Da würden Marc Bolan oder Black Sabbath wohl arg grinsen.
„Sleepy Eyes“ schmeichelt als kosmischer, spaciger Blues mit verfremdeten Vocals, die sich zusammen mit zackigen Drum-Einsätzen beinahe in eine Orgie hinein berauschen, ganz so als ob sie früheren Protagonisten der L.-A-Szene wie den Doors die Türen einrennen wollten. Schön, dass es sowas noch – oder wieder – gibt. „VATMM“ entpuppt sich als wilder Ritt über die Soundklingen singender E-Gitarren, denen verhuschte Vocals Gesellschaft leisten. Auch hier gilt: Die Originale sind da origineller – aber wer macht denn heute noch so souverän so ein Kultstück Retrospektivisches. Dann „Down Man“: charmant charmant…, betört als Kracher mit fordernden, energischen Stimmsätzen, himmelhoch jauchzenden E-Gitarren und packendem Gitarrensolo – live ist die Nummer bestimmt ein außerirdisches Fest! „Smile“ zaubert dank vehementer akustischer Saitenarbeit auf Gitarre und Bass ein Lächeln auf die Lippen – bevor E-Gitarren die Sanftheit konterkarieren und wiedermal psychedelisch verfremdete Stimmen die frühen 70er Jahre heraufbeschwören. Satte Riffs sind mit an Bord, selbstredend.
Unterm Strich inszeniert das L.A.-Trio einen kleinen Aufstand im mittlerweile schon länger teils berechnenden, durchkalkuliertem Rock-Reich. Bitte mehr davon.
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