Der Ozean und das, was man mit der Kraft und Lebendigkeit des Wassers verbindet, durchdringt Heather Nova von Kindesalter an: Wir erinnern uns, dass sie in jungen Jahren mit dem Segelboot der Eltern, der „Moon“, die Meere durchstreifte und durch diese Naturerlebnisse mitgeprägt wurde. Kein Seemannsgarn, sondern gelebte Realität. Konsequent widmete sie daher ihre Alben diesem Universum mit Titeln wie „Oyster“, „Siren“, „Storm“, „300 Days At Sea“ oder „Pearl“. Und genauso konsequent ist Heather Novas „Other Shores“ unser Album der Woche…
Ein zart wirkendes Wesen mit charismatischer Ausstrahlung beheimatet auf den Bermuda-Inseln, das in Interview-Gesprächen stets ruhig und tief Einblicke in ihre Gefühle gab, dazu schon mal im Vorfrühling in München zur spontanen, urbanen Fotosession im Glockenbachviertel einstimmte. Oder sich mit heller Mine wie Bolle über einen von den Gezeiten abgeschliffenen grünen Flaschenhals freute, den sie nach ihrem Strandfund fortan für eine Weile als Ring trug. Ein Mädchen der Meere, das live wie im Hamburger Club „Knust“ – und nicht nur dort – ein überwältigendes Konzert hinlegte.
Klar, ein bisschen Klischee oder Süßholz schwingt da mit, mag sein. Aber im Kern verkörpert Heather Frith diese spürbare Verbundenheit mit dem nassen Element, die sie mit ihrer Songwriter-Feder teils betörend zu Gehör brachte. Und zwar seit ihrem (Live-)Debüt „Blow“ und dem sympathisch ungeschliffenen Anfangswerk „Glow Stars“. Als Musikjournalist freut man sich deshalb ebenso wie Bolle, diese Karriere von früh an beobachtet haben zu dürfen.
Ihr neuester Wellen-Ritt trägt sie nun zu Ufern anderer. MusikerInnen, die mit ihren Songs Heathers Herz berührten. Nichts wirklich Neues für die heute 55-Jährige, denn sie hat schon immer mal Stücke gecovert, beispielsweise „I’m On Fire“ von Brude Springsteen, „Tainted Love“ von Soft Cell oder „The Ship Song“ von Nick Cave.
Also schon wieder ein Cover-Album als CD der Woche? Regelmäßige Leser erinnern sich: Wir stellten immer wieder mal ebensolche vor: Grundsätzlich ist das damit so eine Sache, doch es gibt hervorragende Beispiele, wie die Neuinterpretation des Velvet-Underground-Debüts von 1967 mit dem Tribute „I’ll Be Your Mirror“. Oder „Songs Of The Recollection“ von den Cowboy Junkies.
Heather Nova „Other Shores“ lebt vom Prinzip reduce tot he max: Die Instrumentierung konzentriert sich auf das Wesentliche, um die Seele der Songs zu erreichen und sie à la Heather sinnlich und bewegend zu inszenieren.
„Ich bin in erster Linie eine Songschreiberin, aber im Laufe der Zeit habe ich entdeckt, dass ich manchmal auch gerne eine Interpretin bin. Für mich geht es bei der Aufnahme eines Covers darum, die ursprüngliche Produktion zu entfernen, um das Wesentliche des Songs zu finden. Ich liebe den Prozess, mich in die Emotionen des Songs hineinzuversetzen, ihn als meinen eigenen zu empfinden und ihn in einer neuen, roheren und intimeren Form zu präsentieren. Es fasziniert mich, wie sich von Männern geschriebene Songs ganz anders anfühlen, wenn sie von einer Frau gesungen werden“, so Heather Nova.
Gut zu wissen: Die Aufnahmetechnik lässt die intimen Dialoge zwischen Heathers hell-klarer Stimme, Gitarre, Cello und Piano plastisch-luftig, fein aufgelöst und mit wunderbarem Raumgefühl ans Ohr dringen. Das ist groß und boostert die Atmosphäre.
Zur Auswahl ihrer Songs lassen wir diesmal einfach die Interpretin selbst zu Wort kommen und ein paar Coverversionen kommentieren: „Waiting For A Girl Like You“ von den US-Rockern Foreigner eröffnet die 13-teilige, schillernde Song-Perlenkette, mit getupftem Piano und zärtlicher Stimme.
„Ich habe schon immer geliebt, wie verträumt und romantisch dieser Song klingt – das ist einer meiner absoluten Wohlfühl-Tracks! Und die Art wie die Melodie wegschwebt in den Chor packt mich jedes Mal aufs Neue. Für meine Version wollte ich den Song herunterstrippen, weg von all den Synthies und ihn ganz einfach auf dem Piano spielen, sodass man den Schmerz darin in einer neuen, sehr intimen Weise spüren kann. Und anstelle die Geschlechterrolle zu wechseln, was ich öfters in Coverversionen mache, fühlte es sich hier wirklich speziell und ergreifend an, dass quasi ein Mädchen zum anderen singt.“
Dann folgt noch ein Rock-Revival – von Journey. „Don’t Stop Believing“ betört mit wunderbarem Raumambiente, graziler Feindynamik sowie fragiler Gitarre. Heather: „Vor ein paar Jahren baten mich ein paar Freunde den Song anzuspielen. Ich war anfangs nicht scharf darauf. Aber als ich den Song auf seine nackten Strukturen reduzierte und ihn aus seinem großen hymnischen Kontext nahm, entdeckte ich eine zärtliche Verwundbarkeit der Lyrics, das brachte mich dem Stück näher. Anstelle ihn abzuschmettern, fand ich, dass der weitgehend wispernde Gesang das Stück in einer völlig neuen Art und Weise fesselnd klingen ließ.”
„Fireproof“ stammt wiederum von den US-Rockern The National. Eine Glanz-Nummer. In Heathers Version ein Hammer-Stück, sphärisch schwebend, in herrlich chilligem Folk-Outfit.
„Manchmal geht einem ein Song ganz einfach unter die Haut – genau wie dieser. Ich liebe ihn in seiner Originalversion – die starken und schönen Lyrics und die eindringliche Atmosphäre. Deshalb wollte ich ihn auch nicht komplett umändern, wie ich das mit den meisten Covers mache. Ich wollte einfach nur in diesen Song hineingleiten, so wie er es tat. Es fühlte sich warm und vertraut an.
Es geht weiter mit den 1980er Jahren, mit Rick Astley! „1989 nahm ich an einem Austauschprogramm meiner Kunsthochschule in Rom teil. Ich verliebte mich sofort in alles, was diese Stadt ausmacht. „Never Gonna Give You Up“ toppte gerade die Charts und all die italienischen Jungs trugen sportliche Trench Coats wie Rick Astley. Dieser Song war für mich stets eine Reminiszenz an diese Zeit. Vor ein paar Jahren bat mich meine Freundin, die damals auch mit mir in Rom war, dass ich für sie ein Cover singen sollte. Ich entdeckte, wie ich dieses Stück akustisch mochte. Ich verortete es weit weg von Pop und konnte wirklich den Schmerz in den Texten spüren. Das Cello lässt den Song zudem so wunderschön melancholisch klingen.”
„Here Comes Your Man“ setzten einst die Pixies in die Welt. Für Heather wurde die britische Band mit ihren Punk-Überfällen gar zum Vorbild. Hier zieht sie harsche Saiten auf, umrahmt von mehrstimmigen Vocals. „Ich hörte in den 80er Jahren in meiner Zeit auf der Kunsthochschule viel die Pixies. Ich war ein großer Fan und ich glaube sagen zu können, dass sie einer meiner Einflüsse waren, als ich meine Band zusammenstellte. Dieser Song war eines meiner Favoriten von ihnen – großartige Melancholie und abstrakte, poetische Texte, die dich fragend zurückließen, um was es in dem Stück überhaupt geht. Ich wollte das akustisch widerspiegeln und das Stück irgendwo hin führen – das Solo spielte ich auf einem Theremin.“ (Ätherwelleninstrument aus den 1920er Jahren; Anm. d. Red.)
Hinzu kommen noch wunderschöne Stücke von Roxy Music, wie „Jealous Guy“, das kammermusikalisch, zartbitter abhebt. Oder „Message Personel“ von Francoise Hardy, ein chansonesques Unterfangen mit zartem Gitarrenzupfen und Sprechgesang. Plus „Like A Hurricane“ von Neil Young, in dem sie ihren typischen Sirenen-Gesang anhebt.
Schließlich sticht Heather mit „I Am Sailing“ zum Abschied in See – als Gänsehaut-Acapella-Version, hinaus auf den Ozean ihrer Träume.
„… To Be Near You To Be Free …“
Video-Clips:
„Fireproof“ (The National):
„Don’t Stop Believing“ (Journey)
„Waiting For A Girl Like You“ (Foreigner)
Heather Nova im Herbst live in Deutschland:
18.10 Köln, Kulturkirche
19.10 Osnabrück, Rosenhof
21.10 Würzburg, Johanniskirche
22.10 Leipzig, Peterskirche
23.10 Erlangen, Redoutensaal
26.10 München, Freiheiz
30.10 Ludwigsburg, Scala
31.10 Kempten, Stadtheater neu
01.11 Heidelberg, Halle 02
03.11 Mainz, Frankfurter Hof neu
04.11 Essen, Alte Kirche
05.11 Worpswede, Music Hall
06.11 Rostock, Theater des Friedens
13.11 Hamburg, Fabrik
14.11 Berlin, Heimathafen
17.11 Saarbrücken, Garage
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