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Jennifer Warnes Another Time, Another Place
Eine Stimme, die nichts voin ihrer Kraft verloren hat: Jennifer Warnes mit ihrem neuen Album Another Time, Another Place

Jennifer Warnes Another Time, Another Place – die CD der Woche

Ausgerechnet mit dem „berühmten blauen Regenmantel“ konnte sie sich 1987 zum ersten Mal ausgiebig im Erfolg sonnen – obwohl Jennifer Warnes bereits 1968 ihr Debütalbum vorlegte (Glückwunsch zum 50-jährigen Musikerleben!), inspiriert von ihren Greenwich-Village-Vorbildern Judy Collins, Bob Dylan und Joan Baez. Auch 1979 ließ sie mit dem Longplayer Shot Through The Heart aufhorchen. Famous Blue Raincoat: The Songs of Leonard Cohen begeisterte seinerzeit mit seinen souverän und behutsam inszenierten Coverversionen Singer-Songwriter-Fans und sogar Cohen-Anhänger gleichermaßen. Immerhin sang Jennifer Warnes jahrelang für den kanadischen Musiker im Background. Auch HiFi-Fans erinnern sich bestimmt an das famose Werk: Dank superber Aufnahmetechnik gilt das mit David Lindley, Stevie Ray Vaughan und Robben Ford eingespielte Album auch heute noch als audiophiles Highlight – vor allem die 24-Karat-Gold-Version (Impex/Fenn Music) inklusive der vier Bonustracks „Night Comes On“, „Ballad Of The Runaway Horse“, „If It Be Your Will“ und dem wunderbaren Live-Stück „Joan Of Arc“. Übrigens coverten auch andere Musiker den „Raincoat“-Song, darunter die Norwegerin Kari Bremnes (CD der Kalenderwoche 2/2018) oder auch Tori Amos. Aber sprechen wir über Jennifer Warnes Another Time, Another Place.

Der Titel ihres neuen Albums spielt bewusst mit den Vielfältigkeiten und Begegnungen des Lebens – insofern passt in diesen Kontext auch prima die Erinnerung an ihr mittlerweile über 30 Jahre junges Raincoat-Album. Sie wollte Stücke singen, die in die Zeit passen, in eine Zeit großer Veränderungen. Ihren ersten Neuling nach 17 Jahren spielte die Grammy- und Oscar-Gewinnerin mit einigen hochkarätigen Musikerkollegen ein: In den Aufnahmestudios in Austin und Los Angeles gaben sich für Jennifer Warnes Another Time, Another Place unter anderem Drummer Vinnie Colaiuta (Sting, Frank Zappa), Sängerin Blondie Chaplin (The Rolling Stones, Brian Wilson), Percussion-Mann Lenny Castro (Toto, Steely Dan), Slide-Ass Jeff Plankenhorn sowie Sonny Landreth die Klinke in die Hand. Als Co-Produzent neben Jennifer mischte sich kein Geringerer als Roscoe Beck ins Team, seines Zeichens früherer Musikdirektor von Leonard Cohen und sein langjähriger Bassist;  bereits am Raincoat-Album und später an Hunter arbeiteten Jennifer und er zusammen. Für den recht plastischen, raumgreifenden Klang von Jennifer Warnes Another Time, Another Place steht Grammy-Sieger Noah Snyder als Ton- und Mix-Ingenieur, auf dessen Sound-Konto auch Kino-Hits wie „Fifty Shades Of Grey“ oder „The Circle“ gehen.

Geboren in Seattle und aufgewachsen im sonnendurchfluteten Orange County in Kalifornien, besticht die heute 71-Jährige Jennifer nach wie vor mit ihrer kristallklaren, energischen und wandlungsfähigen Stimme. Dabei widmet sie mit Jennifer Warnes Another Time, Another Place wiedermal anderen Musikern mit Coverversionen eine Hommage, darunter Eddie Vedder (Pearl Jam), Mark Knopfler (Dire Straits), Mickey Newbury (Mitglied der „Nashville Songwriters Hall Of Fame“) oder Oscar-Preisträger John Legend sowie von Blues-/Jazzer Lonnie Johnson.

Jennifer Warnes Another Time, Another Place reflektiert aber auch tieftraurige Ereignisse der letzten paar Jahre im Leben von Jennifer Warnes. Zwei ihrer Schwestern starben innerhalb von nur einer Woche nacheinander, ihr Manager kam zeitnah bei einem Autounfall ums Leben, ein enger Freund starb ebenso wie ihr geliebter vierbeiniger Wegbegleiter. Und schließlich Leonard Cohen, mit dem sie seit ihrem 22. Lebensjahr eine tiefe Verbundenheit verspürte und mit ihm wie mit kaum jemandem immer wieder die Zustände auf der Welt diskutierte.

Die Musik von Jennifer Warnes Another Time, Another Place

Ganze zwei Jahre dauerten die Aufnahmen für die zehn Songs des Albums. Doch jede Woche, jeder Tag hat sich gelohnt. Bereits der Opener „Just Breathe“, geschrieben von Pearl Jam’s Eddie Vedder, betört mit sanften Popwellen, auf denen sich ihre Stimme klar und dezent wiegt, umrahmt von Streicherensemble und Hornlauten. Die Botschaft: Hier und jetzt pulsiert das Leben, besinne Dich auf das was da und gut ist.

„Tomorrow Night“, ein Blues-Stück aus den Dreißigerjahren, mit dem Lonnie Johnson einen Hit landete, geriet zum hin- und mitreißenden, reduzierten Jazz-Blues-Take: Am Anfang schnurrt nur ein fein körperhaft gezeichneter Akustikbass, zu der sich dann Jennifers – diesmal sonor-kernige Stimme – gesellt und später von einer verrückt glucksenden Orgel begleitet wird.

Das Gänsehautstück „Once I Was Loved“ von John Legend und Marcus Hummon leuchtet sonnig mit einer fast jugendhaften Stimme, Pianotupfer und Streicher schweben auf einer unfassbar wärmenden Melodie – das Thema: Älterwerden und das Alter. „So Sad“ kommt als beherzter Country-Ausflug daher, Land-Liebe pur mit Pedal-Steel und druckvollem Bass.

„I Am The Big Easy“ von Ray Bonneville ehrt den Westcoast-Sound eines Jackson Browne – melancholisch-mutige Aufbruchstimmung mit feinem Flow und schönem Drumeinsatz. „Back Where I Started“ von Derek Trucks inszeniert Jennifer hier als cool gemachten Walzer mit Bottleneck-Sounds und Orgeltupfern – nebst wandlungsfähiger Stimme.

Den Abschluss von Jennifer Warnes Another Time, Another Place macht Mark Knopfler’s „Why Worry“, ein wunderbarer Klassiker mit feinen Gitarren- und Percussion-Klängen, der in dieser Version locker in einer Reihe mit Linda Ronstadts „Blue Bayou“ stehen darf.

Auch hier überzeugt die Tontechnik mit feinem Raum, schöner Klangfarbe und Ausgewogenheit. Ein gelungenes, reifes Werk der 71-Jährigen nach 17 Jahren Pause.

„Bis auf den heutigen Tag bin ich nicht wirklich so sehr an der Musik interessiert, wie es die Leute vielleicht glauben mögen. Ich bin mehr daran interessiert, wie nahe wir uns durch die Musik kommen können.“

Cover Jennifer Warnes Another Time, Another Place
Jennifer Warnes Another Time, Another Place (Cover: Amazon)

 

Jennifer Warnes Another Time, Another Place erscheint bei BMG Rights Management (Warner) und ist erhältlich als CD, MP3-Download oder Stream, z.B. bei amazon.de.

 

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Jennifer Warnes Another Time, Another Place
2018/05
Test-Ergebnis: 4,2
SHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.