Wenn Lautsprecherhersteller Jubiläen feiern, begehen sie dies meist mit einem Sondermodell. Das ist nicht sonderlich originell, aber es versetzt den geneigten HiFi-Fan in die Lage, außergewöhnliche, oft in der Stückzahl eng limitierte Spezialversionen zu bekommen. So auch bei Focal. Zu ihrem 40. Geburtstag brachten die Franzosen die Focal Spectral 40th auf den Markt.
Diese 3-Wege Standbox ist so etwas wie ein verliebter Blick auf 40 zurückliegende Jahre Focal und daher akustisch wie technisch mit vielen Finessen gespickt. Insofern war der Jubiläums-Paarpreis von knapp 8.300 Euro zum Geburtstag angemessen. Doch die Frankfurter HiFi-Profis unterlaufen diesen Preis jetzt drastisch. Für 4.900 Euro ist die Jubibox natürlich kein klassisches Sonderangebot – und doch immens günstig, weil die Franzosen hier zum Jubiläum (fast) alles einbauten, was ihnen lieb, teuer und gut war. Einzig auf ihren ebenfalls weltweit bekannten und hoch geschätzten Beryllium-Hochtöner verzichteten sie an dieser Stelle. Der war wahrscheinlich einfach zu neu…
Als Firmengründer Jaques Mahul 1979 seiner Passion folgte und eine Lautsprecherfirma namens Focal eröfffnete, waren gerade Treiber mit den extrem reißfesten (und meist gelben) Kevlar-Membranen der letzte Schrei. Auch Mahul hat sich diesem Trend nicht entziehen können und ließ auf den Produktionsstraßen in Saint-Étienne Tausende und Abertausende dieser auffälligen Tief- und Mitteltöner herstellen. Der Franzose ging noch einen Schritt weiter und nutzte Kevlar sogar im Hochtonbereich. Der legendäre Focal TC 90 mit Inverskalotte war zu seiner Zeit sicherlich der bekannteste Hochtöner im High End.
An diese Zeit knüpften die Entwickler mit der Focal Spectal 40th an. Natürlich ist man heute um viele Erfahrungen reicher, natürlich ist das damalige Focal-Klangbild mit seiner sehr direkten, bisweilen sogar kantigen Art heute nicht mehr ganz en vogue. Aber Focals große Entwicklungsabteilung weiß genau, wie man hervorragende Tief-, Mittel- und Hochtöner baut. So kann man sich sogar eine solche sehr nett gemeinte Verbeugung vor dem nicht mehr ganz modernen Kevlar leisten…
Focal Spectral 40th: Zwitter aus vielen Zeiten
Die Spectral 40th wurde also eine Art Zwitter aus vielen Zeiten. Die Treiber könnten von der Optik her 30 oder gar 40 Jahre alt sein, das Gehäuse in Trapezform (Focal nennt es “Gamma-Form”) dagegen ist von der Idee her noch relativ jung: Es ist im Grunde das Gehäuse der Focal Electra 1028.
Und wie auch bei Electra, ist das Gehäuse der Anniversary-Edition wirklich perfekt umgesetzt. Es gibt keine Spaltmaße, die Kombination aus Hochglanz-Lack und Furnier ist gelungen und das ganze Gebilde so robust und perfekt aufgebaut, dass hier aber auch rein gar nichts vibriert.
Die Gründe dafür sind schnell aufgezählt: Eine hohe Masse von insgesamt 46 Kilo, etliche klug gesetzte Versteifungen und nicht zuletzt die gerundete, perfekt gefräste Schallwand mit ihrer Stärke von bis zu 5 (!) Zentimetern. Ein so hoher Aufwand ist auch in der Klasse um 10.000 Euro eine absolute Seltenheit.
Beim Blick auf die Rückseite zeigen sich zwei weitere Nettigkeiten, die den Preis der Jubiläumsbox wahrscheinlich in die Höhe trieben: die Plakette zum 40. Geburtstag und das Anschluss-Terminal mit rhodierten Anschlüssen. Beide aus gebürstetem Aluminium, beide perfekt sauber eingelassen.
Egal, wo man bei diesem Lautsprecher hinschaut: Alles deutet auf eine sehr lange Lebenszeit hin. Dafür spricht auch die lange Garantiezeit: 10 Jahre gibt Focal auf das Jubiläums-Schmuckstück.
Die Treibertechnik
Das Auffälligste und der sicherlich polarisierendste Punkt der Spectral 40th sind die gelben Kevlar-Membranen von Tief-, Mittel- und Hochtöner. Kevlar wurde damals als Membran-Alternative zu sehr weichen Materialien wie Bextren & Co entdeckt. Seine Farbe stand für die Spielweise: kernige Attacke statt musikalischer Gemütlichkeit. Diese Signalfarbe behielt nicht nur Focal lange bei; auch bei B&W stand das gelbe Kevlar ja für eine ganze Ägide.
Bestückt ist die Spectral 40th mit zwei 18 cm Bässen, einem 16,5 cm Mitteltöner, der natürlich, wie man das früher machte, oben angebracht ist, sowie einem Hochtöner mit 34 mm durchmessender Inverskalotte.
Dieser Hochtöner ist vergleichsweise neu und hat mit seinem berühmten Vorgänger nicht mehr viel gemein. Vor allem hat er dessen recht strenge Wiedergabe abgelegt. In den Hörtests klang die Spectral 40th gerade im Hochton absolut stressfrei.
Focal Spectral 40th: Messungen & Praxis
Normalerweise sind unsere Kauftipps der Woche ja Komponenten, die wir schon einmal getestet oder zumindest begutachtet haben und über die wir uns so ein fundiertes Urteil aus der Ferne erlauben können. Die Focal Spectral 40th allerdings ist neu und trotzdem schon so ein Schnäppchen. Unter diesen Bedingungen konnten wir gar nicht anders und ließen uns ein Pärchen kommen – um es in klassischer LowBeats Manier durchzuprüfen.
Die LowBeats Messungen zeigen zweierlei. Erstens: Die Spectral 40th ist in Bezug auf die Verstärker anspruchsvoll. Die Impedanz rutscht bei 100 Hertz unter 3 Ohm, der Phasenversatz ist kapazitiv, vergleichsweise hoch und liegt ebenfalls im leistungsrelevanten Tieftonbereich. Das erfordert kräftige und vor allem Netzteil-stabile Verstärker.
Zweitens: Die etwas altbacken aussehenden Treiber sind von bester Qualität. Bei der 94db Messung (das entspricht Wohnzimmer-Lautstärke) zeigen sich überhaupt keine Verzerrungen. Super!
Mit 15 Dezibel mehr steigen die Verzerrungen zwar an, aber sehr gleichmäßig. Rechnen wir noch einen gewissen Headroom hinzu, kann man mit diesem Lautsprecher auch bei sehr hohem Pegel noch wunderbar stressfrei Musik hören. Einzige Voraussetzung: Der Verstärker sollte die entsprechende Leistung parat stellen.
Mir hat in den Hörtests die Kombination mit dem Brinkmann Vollverstärker (Test in Kürze) am besten gefallen. Doch ich bin mir sicher, dass die Frankfurter Hifi-Profis auch noch andere, vielleicht auch etwas günstigere Alternativen aus ihrem sehr stattlichen Portfolio anbieten können. Was aber vielleicht gar nicht zielführend ist. Denn der Brinkmann kostet zwar knapp 6.000 Euro, doch die Qualität der Focal liegt wenigstens in dieser Klasse…
Hörtest
Allen, die angesichts der gelben Kevlar-Membranen den direkt-kantigen Focal Sound der 80er und 90er Jahre erwarten, kann ich hier Entwarnung geben. Bei Focal herrscht schon lange ein Klangideal vor, das weltweit Anerkennung findet. Und das geht viel mehr in Richtung Geschmeidigkeit und musikalische Wärme.
Genauso verhält es sich auch mit der Spectral 40th. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass dieser Lautprecher so samtpfötig, so fein und dezent klingen könnte. Wer schon einmal eine Focal Kanta N°2 hat hören können, der kennt in etwa die Abstimmung der Jubiläumsbox: Sie ist eine Einladung zu sehr langen und freudvollen Hör-Sessions.
Einen Abend lang gönnten wir uns mehrere Stunden alte Hörtest-Klassiker – eine gut befüllte NAS macht es möglich. Die Focal arrangierte aus allen Stücken etwas Schönes. Jennifer Warnes etwas schwülstiges “Lights of Lousianne” beginnt mit einem Akkordeon. Das schnauft und ächzt und macht die herrlichsten Nebengeräusche – die die Focal allesamt sehr fein und offen, aber auch sehr entspannt in den Raum setzt. Nichts nervt und trotzdem hat man als Zuhörer das Gefühl von einem großen Detailreichtum.
Wie man es auch von den adretten Kanta Modellen kennt, kommen Stimmen mit der Spectral warm-vollmundig und auch die Basslagen sind eher satt und voll. Das entspringt einer kleinen Überhöhung bei 100 Hertz, macht das Hören aber auch bei kleineren Pegeln äußerst angenehm. Und was die Jubiläumsboxen noch ein bisschen besser beherrschen als die modernen Kantas, ist die sehr großzügige Raumabbildung auch nach hinten. Selten habe ich die Stimme von Jennifer Warnes so plastisch und körperhaft wahrgenommen: Man sitzt förmlich in der Aufnahme.
Der Wechsel auf harte Elektronische Musik à la Infected Mushroom, Underworld oder Yello brachte die Focal nicht aus dem Tritt. Wie ja schon die Messungen zeigten, ist die Bestückung mit zwei, offensichtlich verzerrungsarmen und hoch belastbaren 18 cm Bässen zu jeder Menge Bass-Inferno in der Lage. Gerade die wabernden Bass-Teppiche von Underworld kamen mit der Focal spektakulär satt und mitreißend.
Es ist nicht die letzte Präzision, nicht der messerscharfe Hieb auf die Snaredrum, mit der diese Jubiläums-Box punktet. Es ist vielmehr ihre Über-alles-Ausgewogenheit, mit der man fast jede Art und Musik, aber auch die schlechteren unter den Aufnahmen sehr gut hören kann. Ein souveräner, niemals aufdringlicher Lautsprecher, aus dem man irgendwie die 40 Jahre Erfahrung heraushören kann.
Fazit Focal Spectral 40th
Ein perfekt gemachter, ein wenig augenzwinkernder Rückblick auf die letzten 40 Jahre: Die Spectral 40th ist ein erstklassiger, letztendlich auch moderner Lautsprecher der audiophilen Oberklasse. Das Gesamt-Konzept dieser Jubiläumsbox wirkt wie eine Focal Leistungs-Show: Gehäusequalität, Material-Anmutung, Treiber-Technologie, Klang-Abstimmung – hier stimmt alles, man bewegt sich fast auf Utopia-Niveau. Zählt man bei der Spectral 40th Eins und Eins zusammen, wäre sie auch mit 10.000 Euro fair kalkuliert.
Aber die Jubiläumsbox kostet nicht einmal mehr die Hälfte. Dass die Frankfurter HiFi-Profis den Preis jetzt auf unter 5.000 Euro senken konnten, ist sicherlich ihren außergewöhnlich guten Einkauf-Konditionen zu verdanken und sollte nicht nur Focal-Fans aufhorchen und aktiv werden lassen. Denn immerhin ist die Spectral 40th ja eine “Limited Edition” und die Aktion der Hifi-Profis läuft nur über einen begrenzten Zeitraum.
Bewertung
Klang-PotenzialWert-BeständigkeitPreis/LeistungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Sehr natürlicher, feinseidig-audiophiler Klang. |
| Erstaunlich pegelfest, imposant tiefe Abbildung |
| Makellose Verarbeitung, toller Lack, 5 cm starke Schallwand |
| Verstärker-kritisch, Impedanz bei 100 Hertz unter 3 Ohm |
Angebot:
Hifi-Profis Frankfurt
Große Friedberger Str. 23-27
60313 Frankfurt am Main
Telefon: 069 920041-0
www.hifi-profis.de
Aktionspreis (zeitlich begrenzt):
Focal Spectral 40th: 4.900 Euro