Nach nunmehr zehn Jahren löst Focal sein arrivierte Oberklasse-Modellreihe Aria 900 ab. Die Nachfolge-Linie firmiert unter dem vielversprechenden Namen Aria EVO X, sieht aber den Vorgängern zum Verwechseln ähnlich. Was also hat sich getan? LowBeats ging auf Spurensuche anhand der Standbox Focal Aria EVO X N°3.
Focal ist ja eine der ganz großen Nummer am Weltmarkt und aus meiner Warte hatten sich die Franzosen in letzter Zeit doch etwas rar gemacht. So war das Auftauchen der neuen Aria EVO Serie fast schon überfällig – nicht nur um die in die Jahre gekommenen Aria-900-Linie zu ersetzen, sondern um überhaupt eine Art Lebenszeichen zu setzen: Wir sind noch da!
Sollte ich das Testmodell Aria EVO X N°3 beschreiben, würde ich sagen: Eine schlanke 3-Wege Standbox mit vier Flachsmembran-Tiefmitteltönern auf der Front, vorn und hinten mit Kunstleder bespannt, als Deckel-Abschluss eine Glasplatte und die Fußkonstruktion durch ein pfiffiges Kunststoff-Gussteil umgesetzt.
Allerdings hätte ich exakt diese Beschreibung auch für ihre Vorgängerin, die Aria 936 gewählt. Ich finde es immer schade, wenn sich äußerlich so gar nichts tut. Focal argumentiert mit der Zufriedenheit der Kunden – Touché. Doch etwas mehr Inspiration hätte der neuen Serie durchaus gut getan, denn auch das Design der Aria 900-Serie schien mir eher den 1990er Jahren entliehen. Immerhin hat Focal mit “Moosgrün” eine wirklich attraktive, neue Farbvariante im Programm. Und natürlich haben wir unser Testmodell im schicken Grün bestellt…
Wie auch die bei der Vorgänger-Serie finden sich hier sauber verarbeitete Gehäuse mit variierenden Wandstärken bis hin zu 25 Millimetern. Und ja: Auch die Modelle der Aria EVO X Linie werden komplett in Frankreich gefertigt.
Was ist neu an der Focal Aria EVO X N°3?
Zum Beispiel der Hochtöner: Die für Focal typische Inverskalotte besteht zwar immer noch aus einer Magnesium/Aluminium-Legierung, jedoch ist die Form stark verändert. Ein sehr steiler Rand – Focal spricht von einem “M-Design” sorgt für deutlich mehr Steifigkeit und eine erweiterte Bandbreite auf 30.000 Hertz (vorher 28.000 Hz). Eine nette Randnotiz: Der neue Hochtöner wurde zuerst in Focals High-End-Autolautsprecher-Sortiment verwendet. Was aber eher Auszeichnung als Makel ist: Die Anforderungen der Auto-Industrie sind nämlich äußerst anspruchsvoll.
Auch der Mitteltöner ist nicht mehr ganz der Alte – obwohl er so aussieht. Die Franzosen, die ja immer noch eine riesige Forschung und die Produktion der Treiber im eigenen Haus haben, fanden bereits 2015 eine Möglichkeit, Sickenresonanzen wirksam zu unterdrücken – dies wurde jedoch damals bei der Aria 900 (Start der Serie: 2014) noch nicht eingeführt. Das hat man jetzt beim Mitteltöner nachgeholt. Mehrere Tuned Mass Damper Elemente (TMD), das sind hochflexible und stark dämpfende Streifen, werden innerhalb der Sicke an jenen Stellen aufgebracht, die besonders zu Resonanzen neigen. Die Schwingeigenschaft der Sicke soll dadurch nicht eingeschränkt, die Resonanzen aber deutlich gesenkt werden.
Drei 17 cm große Tieftöner sorgen in der Aria EVO X EVO X N°3 für ein stattliches Bassfundament. Äußerlich sind es die gleichen wie in der Vorgängerin Aria 936. “Nicht ganz” widersprach Focal-Markenbotschafter Olaf Steinert. Denn die Tiefton-Antriebe, also die Magneten und die Schwingspuleneinheiten, wurden komplett überarbeitet. Die neuen Modelle sollen verzerrungsarmer und belastbarer sein. Da alle Treiber der EVO X N°3 verändert wurden, musste auch die Frequenzweiche angepasst werden. Dennoch bleibt der Eindruck: Riesig groß sind die Unterschiede zu den Vorgängern nicht. Schauen wir also ins Messlabor, was die technischen Neuerungen bringen:
Praxis
Tatsächlich eine Menge Gutes. Die LowBeats Messungen bestätigen die These der Franzosen, dass die neuen Treiber noch verzerrungsärmer und damit pegelfester geworden sind. Erst bei 106 Dezibel Dauerleistung meldeten die Messsystem zu hohe Verzerrungen für die EVO X N°3. Das ist für HiFi und für Standboxen dieser Größe ein sehr guter Wert.
Ein ganz klein wenig getrübt wurden die Messergebnisse vom elektrischen Verhalten. Impedanz und Phase verlaufen zwar völlig unauffällig und ohne größere Sprünge, doch der EPDR-Wert, der sich aus der Impedanz und der Phase ergibt und darstellt, wie hoch das Netzteil belastet wird, geht bei 85 Hertz gefährlich auf die Null Ohm zu. Dieses Verhalten führt dazu, dass die Netzteile vieler kleinere Verstärker einfach in die Knie gehen und der Bass weich wird. Das ist keine Katastrophe, aber ein eindeutiger Hinweis auf die anzuschließenden Verstärker.
Weil wir die Messungen vorliegen hatten, verzichteten wir auf die Hördurchgänge mit kleinen Röhren- oder Transistor-Verstärkern und klemmten gleich die etwas kräftigeren Modelle dran: einen Atoll In 300, einen Rotel RA 1592 oder halt die etwas größeren Verstärker der Konzernschwester Naim – das sind die Kaliber die ich hier empfehlen würde, um einen möglichst straffen Bass mit der EVO X N°3 hinzubekommen.
Denn auch das wurde bei den Messungen deutlich: Die Aria X No.3 tendiert zum warm-satten Bass. Dafür verantwortlich ist eine Überhöhung zwischen 60 – 80 Hertz, weshalb ich der Focal-Einschätzung, man könne die No.3 auch ganz dicht an die Rückwand stellen, nicht Folge leisten würde. Wie bei den meisten Lautsprechern dieser Größe und Klasse sind 50 – 60 Zentimeter Abstand zur Rückwand sicher nicht verkehrt. Es sei denn, man mag es im Bass etwas weicher und satter.
Hörtest
Das können die Franzosen einfach: Man schließt die Aria EVO X N°3 an und es klingt aus dem Stand unangestrengt gut. Dieser Lautsprecher hat so eine wunderbar charmante Art, Musik sehr vollmundig und gleichzeitig sehr fein darzustellen. Was ebenfalls sofort auffällt: diese wunderbare und sehr tiefe Räumlichkeit. Die dürfte einerseits von einer phasenstabilen Frequenzweichenschaltung, aber auch von dem sehr tiefreichenden Bass herrühren. Sehr überzeugend jedenfalls.
Ein ebenfalls absolut überzeugender Vertreter dieser Preisklasse ist die wiederaufgelegte Canton Karat GS (Paarpreis: 3.500 Euro). Die Jubiläumsbox ist trotz ihrer sehr schlanken Bauform ein Energiebündel der besonderen Art und zufälligerweise genauso pegelfest (Dauerpegel: 106 dB) wie die Focal.
Man kann sich also vorstellen, dass all die Vergleiche nicht nur bei Flüster-Pegeln durchgezogen, sondern die Lautstärkeregler der Verstärker herzhaft nach rechts gedreht wurden. Eines von vielen Beispielen: Bei “Ditch”, einem Stück von Tolyqyn (Album: Tolyqin), lebt die ganze Szenerie von überall auftauchenden, feinen Percussion-Details – hier das Anreißen der Gitarrensaiten, die das Stück tragen, dort ein feines Tacktack, und dahinten ein dezenter Schlag auf die Trommel. Und dann schieben die Weltmusik-Jazzer diesen herrlich groovenden, tiefen Bass darunter – großartig.
Die Canton zelebriert diese Stück livehaftig, mitreißend. Der Schlag auf die Trommeln zielt direkt aufs Zwerchfell, die ganze Mittelhochtonenergie fliegt dem Zuhörer – quasi wie im Konzert – umgehend um die Ohren.
Die Focal ist längst nicht so kernig und druckvoll, sondern gibt in diesem Vergleich die Kultiviertere. Den Bass schiebt sie nicht ganz so schnell, dafür deutlich tiefer und grummelnder in den Raum. Und bei der Auflösung der feinen Mittelhochtondetails vollführt sie kleine Wunder: Das Ausschwingen der Saiten oder der kleinen Glöckchen gelingt ihr noch leichtfüßiger, silbriger und genauer. So offen, luftig und auch plastisch fein habe ich in dieser Klasse bislang nur ganz selten gehört.
Fazit Focal Aria EVO X N°3
Zunächst war ich etwas skeptisch, weil die neue Aria EVO X ihrer zehn Jahre alten Vorgängerin doch sehr ähnelt. Im Laufe der Hörtests aber legte sich meine Befangenheit, denn nur ganz selten habe ich in dieser Klasse einen so feinen Mittelhochtonbereich gehört, der auch bei sehr hohen Pegeln stets sauber bleibt.
Doch die EVO X N°3 und hat zudem den großen Vorteil, auch bei geringen Lautstärken, alle Details und die ganze Klangfülle aus den Aufnahmen herauszuholen. Ein Lautsprecher, der dank neuer Treibertechnik schöne Stunden des Musikhörens mit jeder Art Musik und bei allen Pegeln verspricht. Zugegeben: Man muss sich etwas mehr Mühe bei der Auswahl des Verstärkers geben. Aber dafür gibt es ja Fachhändler…
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Druckvoll warmer Bass mit feinem Mittelhochton |
| Großes Klangbild mit tiefer Raumabbildung |
| Erfreulich pegelfest (kurzfristig: 118 dB) |
| Braucht Verstärker mit sehr stabilen Netzteilen |
Vertrieb:
Focal Naim Deutschland GmbH
Hainbuchenweg 14–18
21224 Rosengarten
www.focal-naim.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Focal Aria EVO X No.3: 4.000 Euro
Technische Daten
Focal EVO X No°3 | |
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Konzept: | 3-Wege Bassreflex-Standlautsprecher |
Bestückung: | HT: TAM-Tweeter mit Invers-Kalotte, MT: 1 x 17 cm Flachs-Membran mit TMD, TT: 3 x 17 cm Flachs-Membran |
Nominal-Impedanz: | 3,2 Ohm |
Wirkungsgrad (2,83 V/m): | 88,5 dB |
Maximalpegel (Dauer / kurzfristig): | 106 / 118 dB |
Min. Verstärkerleistung für Dauerpegel: | >195 Watt |
Ausführungen: | Prime Walnut, Hochglanz schwarz, Moss Green High Gloss |
Abmessungen (B x H x T): | 115 x 29,4 x 37,1 cm |
Gewicht: | 29,2 kg |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
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