Eigentlich meinte ich, in den letzten Jahren bei den meisten HiFi-Herstellern einen verständlichen Trend zur Straffung des Programms festgestellt zu haben. Doch Frankreichs größter Lautsprecher-Hersteller Focal geht da einen anderen Weg: Ähnlich wie bei Mercedes Benz gibt es bei Focal quasi für jede Käufergruppe eine spezielle Serie: allein im klassischen HiFi sind sechs unterschiedliche Linien im Angebot. Und nun kommt mit der Focal Kanta No2 der erste Vertreter einer siebten Serie hinzu. Wo führt das hin?
Im Falle der Focal Kanta No2 direkt auf meine “Will-ich-haben-Liste”. In meinen 25 Testerjahren habe ich von Focal zwar schon viel klanglich Hervorragendes gehört, aber es war kein einziger Lautsprecher dabei, der mich optisch vom Hocker gerissen hätte. Und nun Kanta. Bei diesem Projekt scheinen sich die exzellenten Focal Akustiker mit ein paar wirklich pfiffigen Produktdesignern zusammengetan zu haben. Man kann sich das Gespräch förmlich vorstellen. Entwickler: “Wir bräuchten mal ein Gehäuse, das nicht wie üblich aus sechs Brettern besteht. Das ist langweilig und einfach nicht fest genug.” Produktdesigner: “Man könte ja ein Gehäuse aus gebogenem Schichtholz nehmen. Das ist wegen der vielen Lagen richtig fest.” Entwickler: “Und gibt es nicht vielleicht ein akustisch geeignetes Material für die Schallwand, das wir nach unserem Gusto formen können?” Produktdesigner: “Doch, die moderne Chemie hat da einiges zu bieten. Ich schlage einen Polymerwerkstoff vor. Den kann man modellieren, wie man möchte.”
Und genauso kam es. Ein Gehäuse aus geformtem Schichtholz bringt nicht nur einen anmutigen Schwung in die Form des Korpus, sondern auch viel mehr Stabilität als die klassischen Bretteraufbauten aus MDF-Feinspanplatten.
Der wesentliche Bestandteil des Focal Kanta No2 Gehäuses aber ist die Schallwand aus einem Polymer-Werkstoff, der von der Stabilität und Resonanzarmut genau die Eigenschaften mitbringt, die sich ein Akustiker für eine Schallwand nur wünschen kann. Focal nutzt einen gegossenen Block von mehr als 5 Zentimeter Stärke, um alle akustisch sinnvollen Rundungen unterzubringen. So sind beispielsweise die Kanten stark gerundet, um klangstörende Kantenreflexionen zu reduzieren. Möglich werden mit dem Polymer-Werkstoff auch jede Art von Vertiefungen wie ein kurzer Wave-Guide für den Hochtöner…
…oder das Bassreflexrohr, dessen starken gerundeter Ausgang auf der Schallwand pfeifende Strömungsgeräusche vermeidet.
Und wichtig war den Focal Entwicklern auch dieser Punkt: Wie bei den “großen” Linien Sopra und Utopia ist auch die Schallwand der Focal Kanta No2 leicht geknickt, sodass der Hochtöner weiter hinten in der Schallwand sitzt als die Mittel- oder Tieftöner. Der Hintergrund ist folgender: Der Schall entsteht in der Schwingspule des Treibers. Die Schwingspule des Tieftöners sitzt aber naturgemäß einige Zentimeter weiter hinten als die des Hochtöners. Damit die Schallanteile von allen Treibern zeitgleich am Ohr des Hörers ankommen, macht es Sinn, den Hochtöner etwas nach hinten zu versetzen. Und auch das ist mit dieser Schallwand aus Polymerwerkstoff elegant möglich.
Nach oben hin wird das Gehäuse durch eine perfekt eingelassene Glasplatte abgeschlossen…
…und nach unten hin bildet ein Kunststoffboden einen ebenso passenden Abschluss. An ihm sind auch die Ausleger aus Gusseisen befestigt, an deren Außenenden die einstellbaren Spikes montiert sind. Ganz praktisch dabei: Man muss die Spikes nicht nutzen. Wenn sie hochgedreht bleiben (wie im Bild), ruht die Focal Kanta No2 auf Filzdämpfern.
Die Technik
Bei so vielen, schon vorhandenen Lautsprecherlinien bedient sich Focal bei einer neuen Serie natürlich aus einer Art Baukastensystem: Der Hochtöner mit 27 Millimeter großer Beryllium-Inverskalotte ist ja quasi das Markenzeichen der Franzosen und findet sich in allen Linien ab Kanta aufwärts.
Beryllium ist sicherlich eines der besten Materialien für Hochtonkalotten und Focal hat die mit Abstand größte Erfahrung damit, sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion, die ebenfalls bei Focal in St. Etienne stattfindet.
Für die Focal Kanta No2 haben die Franzosen die Kalotte auf den neuesten Stand gebracht: IAL3 heißt sie nun und hat eine verfeinerte Belüftung des rückwärtigen Schalls bekommen.
Mittel- und Tieftöner entstammen der Aria 900-Serie und sind gleichgroß, also beide 17 Zentimeter. Ihre Membranen sind aus einem Flachs/Holz-Sandwich und gerade der neueste Schrei bei Focal, weil die Franzosen mit diesem Materialmix nicht nur die unterschiedlichen Anforderungen von Mittelton- und Tiefton-Membranen, sondern überhaupt viele ihrer Idealvorstellungen umsetzen können.
Aber ob man ihnen dafür diese bambusartige, Streifenhörnchen-Flachs-Optik verpassen muss? Hier hat sich wahrscheinlich die Marketingabteilung mit dem Argument durchgesetzt, dass wenn man schon besonderes tut, man es gefälligst auch zeigen soll…
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