Die LowBeats CD der KW 44 kommt vom amerikanischen Musikerkollektiv Lambchop, das seit über 20 Jahren mit filigranen Alben zwischen Kammerpop, Americana und Countrysoul begeistert. Auf Lambchop Flotus musiziert das Ensemble um den großartigen Sänger und Bandleader Kurt Wagner einerseits so samtpfötig und gelassen wie stets und hat andererseits doch manche Überraschung im Köcher – wie der LowBeats Musikus Christof Hammer meint:
Bandkenner wissen um die Gelassenheit, mit der Kurt Wagner seit 1993 seiner Arbeit als musikalischer Direktor von Lambchop nachgeht.
Sein gedrosseltes Temperament, seine rauchig-samtene Stimme, sein zurückgenommenes Songwriting mit den tendenziell minimalistischen, aber keinesfalls kargen, streicher- und pianobasierten Arrangements sind die Basis für den Lambchop Sound, der in seiner Gelassenheit ein geradezu medizinisches Gegenmittel zum permanenten Beschleunigungswahn, zur grassierenden Schnelllebigkeit des Digitalismus verkörpert.
Und genau dafür liebt man die Discs dieser Band; allen voran das Traumalbum Is A Woman von 2002 (eine aus jener Handvoll Platten, die der Autor auf die berühmte einsame Insel mitnehmen würde).
Mit Lambchop Flotus dringt Wagners Hang zur Bedächtigkeit, zu einer sich Zeit nehmenden Songsprache jedoch in selbst für Lambchop Verhältnisse ungewöhnliche Dimensionen vor.
Lambchop Flotus – Soundwelten zwischen Folk und Countrysoul
Den Auftakt bildet mit „In Care Of 8675309“ ein stattlicher Zwölfminüter; noch geringfügig länger gerät der Ausklang „The Hustle“ mit 18:13. Zwischendrin: neun eher traditionell konfigurierte Songs im klassischen Radioformat von drei bis fünf Minuten – die im klassischen Formatradio aber natürlich nie (oder allenfalls zwischen zwei und vier Uhr nachts) zu hören sein werden, weil sie viel zu leise daherkommen, nichts Lautes, Schrilles, Grelles an sich haben, sondern so sanft leuchten wie ein Herbstwald im Abendlicht.
Lambchop Musik ist in ihren besten Momenten wie ein dezentes Hüsteln, man fühlt sich beim Hören, als würde man gerade ein knisterndes Kaminfeuer mit einem weiteren, gut durchgetrockneten Holzscheit versorgen.
Oder einem Petrijünger beim Angeln zusehen – hier wie dort gibt es Stimmungen und Atmosphären zwischen Kontemplation und Konzentration zu erleben, bei denen die Seele vor Anker gehen kann.
Weltabgewandt ist der Mann dabei übrigens keineswegs: Wagner ist ein hochpolitischer Kopf, seine Ehefrau Mary Manzini führt den Vorsitz der Demokratischen Partei im Bundesstaat Tennessee und reiste schon als Super Delegate zu Parteitagen.
Doch Wagner selbst bleibt ein Nonkonformist, der nicht nur in der Politik, sondern auch im deutlich weniger hüftsteifen Musikbusiness für eine Kultur des Anti-Establishments steht.
Stilistisch geht es auf Lambchop Flotus zunächst in bewährter (also großartig unaufgeregter) Manier durch die bandtypischen Soundwelten zwischen Folk und Countrysoul. Alles wie immer, freut man sich und genießt Songs wie „Directions To The Can“, die sich so sanft ums Gemüt legen wie bester Tannenhonig auf ein noch warmes Sonntagsbrötchen.
So muss es sein, so liebt man diese Band, denkt der Fan – und merkt alsbald überrascht auf. Es ist nämlich doch nicht alles wie immer bei Lambchop. Da tuckern manche Beats fast so metrisch wie vor 40 Jahren in einem Kraftwerk-Song („The Hustle“), da begegnet ein spaciges Keyboards einem trötenden Fagott („Writer“) und Wagner jagt seine Stimme so kunstvoll durch Filter und Soundprozessoren, dass seine Vocals plötzlich klingen wie Funksprüche aus fernen Galaxien („Relatives #2“).
Eines der beiden Ziele – Flotus sollte ein Album werden, das um Wagners Stimme als Hauptinstrument kreist – erfüllt diese Produktion also mit Bravour, und zwar ohne je ins Effektbetonte abzugleiten oder die weiteren Qualitäten des Bandsounds zu vernachlässigen.
Das zweite Ziel? Songs zu schreiben, die seiner Frau Mary möglichst gut gefallen, so Wagner.
Was die Dame des Hauses über das Ergebnis denkt, wissen wir nicht genau – aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit Flotus ausgesprochen einverstanden ist, dürfte hoch sein.
Übrigens: Außer als normale CD bzw. Doppel-Vinyl ist Lambchop Flotus auch noch in Form einer „Special Dinner“-Kiste zu haben, bestückt mit etlichen feinen Tropfen des österreichischen, nahe des Neusiedler Sees beheimateten Gut Oggau – deren Inhaber sind bestens mit Mr. Wagner bekannt.
LowBeats checkt mal die Liefersituation … vielleicht bekommt dieses wunderbare Paket aus Musik und Wein dann nicht nur im Hörraum, sondern auch bei der nächsten Runde des LowBeats Weinpanels seinen wohlverdienten Auftritt.
Lambchop Flotus erscheint als Audio-CD, MP3-Download und Doppel-Vinyl LP bei City Slang / (Vertrieb: Universal)
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