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Laura Veirs The Lookout
Ist in einem Atemzug mit den Großen des Genres zu nennen: Die SingerSongwriterin laura Veirs hat mit The Lookout ein bezauberndes Album vorgelegt (Foto: J.Quigle)

Laura Veirs The Lookout – die CD der Woche 17

Joni, Joan, Natalie, Suzanne, Heather, Sera, Anna … Die Riege erstklassiger Singer-Songwriterinnen spannt sich über Dekaden und Namen wie Mitchell, Baez, Merchant, Vega, Nova oder Cahoone und Ternheim (All The Way To Rio, Album der Woche 16). Laura Veirs reiht sich hier seit rund 20 Jahren mit nunmehr zehn Alben wunderbar ein, als profunde Lyrikerin und unerhört talentierte Songschreiberin mit einem leidenschaftlichen, aber dezent gelebten Hang zu Americana und Folk. Ihr neues Album Laura Veirs The Lookout ist unser Album der Woche.

Für Laura Veirs The Lookout kam eine illustre Schar an Mitmusikern sowie Brüder und Schwestern im Musik-Geiste zusammen. Tucker Martine, Grammy nominiert und vom „Paste“-Magazin als einer der besten zehn Produzenten der Dekade gekürt, bediente zudem die Rhythmussektion bestehend aus Drums, Drum-Programmierung, Perkussion und den Synthie auf „Margaret Sands“. Tucker produzierte die Songs, nahm sie auf und mixte sie bei Flora Recording And Playback in Portland/Oregon letzten Sommer und Herbst. Der Neuseeländer Eli Moore zupfte vorwiegend Bass und Gitarre, Multiinstrumentalist Steve Moore aus Seattle begleitet Laura bereits viele Jahre und betastet hier Piano, Keyboards und ein elektrisches Cembalo (!). Laura selbst singt und spielt sowohl akustische als elektrische Gitarren und das Klavier im Song „The Meadow“. Als Gäste ludt Laura Sufjan Stevens und Jim James ein, die schöne Backgroundvocals und mehrstimmige Einsprengsel zum Besten geben. Damit gaben sich aber noch nicht alle Kollaborateure die Klinke der Studiotüre in die Hand: Kollegen wie unter anderem Karl Blau, Jon Hyde, Eyvind Kang oder Oz Martine und Doug Wieselman bereichern das Album mit Pedal-Steel-Gitarre, Viola oder Klarinette.

Das Mastering von Laura Veirs The Lookout übernahm Elysian Masters in Los Angeles: An den Reglern saß Dave Cooley, der neben normalen Jobs wie für Wolf Alice auch Vinyl-Ausgaben für Promis wie Prince (1999), Depeche Mode („Leave In Silence 12“) und Isaac Hayes (Hot Buttered Soul“) masterte. Für Laura schufen Tucker Martine (First Aid Kit) und Dave Cooley einen Klangkosmos, der durch einen schön gestaffelten Raum in Tiefe und Breite sowie durch pointierte Ortbarkeit besticht. Klangfarben, Feindynamik und Auflösung stimmen ebenso und unterfüttern die zwölf durchgehend fein geschriebenen Songs des Albums zusätzlich. Bis auf „Mountains Of The Moon“, das im Original von The Grateful Dead stammt (Jerry Garcia, Robert Hunter, Phil Lesh) und „Margaret Sands“, bei dem sich Laura von T.S. Eliot (Death By Water) inspirieren ließ, schrieb sie alle Songs selbst.

Laura Veirs The Lookout Recording bei EM
Die Profis von EM übernahmen das Mastering für The Lookout Recording

Laura Veirs The Lookout geriet zu einer Art Konzeptalbum über die Zerbrechlichkeit von schönen, wertvollen, auch kleinen Dingen. Ein folkiges Pop-Album, das so leichtfüßig, sonnig-wärmend und gleichzeitig souverän-professionell gespielt daherkommt, wie es nicht die Regel ist. Ihr zehntes Solo-Album – nach Highlights wie Carbon Glacier von 2004 oder Saltbreakers von 2007 – betört als reifes, tiefgründiges Werk. Das strahlende Ergebnis aus einem ganzen Jahr konzentrierten Schaffens in ihrem eigenen kleinen Dach-Studio in Portland/Oregon. „Vor 20 Jahren fing ich einfach mit meiner Punkband an, es passierte dabei jedoch nie, dass ich fünf Versionen eines Songs spielte“, erinnert sich Laura. „Ich habe gelernt, wie formbar Texte und Melodien sein können. Heute schreibe ich mehrere Versionen, bis ich die richtige finde.“ Das zeigt sich immer wieder, wie auf dem souveränen Fingerpicking von „Watch Fire“ oder den opernartigen Vocals von „The Meadow“.

Laura Veirs The Lookout handelt von der Notwendigkeit, aufmerksam und achtsam zu sein gegenüber der Flüchtigkeit der Schönheit des Lebens und nicht selbstgefällig zu werden; es handelt davon, wie wichtig es ist, sich gegenseitig zu kümmern. Sie betont dabei auch „was nach den Wahlen in den USA passiert, die Rassenunterschiede in unserem Land.“ Es geht aber auch um sehr persönliche Dinge: „Freunde von mir sind gestorben.“

Die Musik von Laura Veirs The Lookout

„Margaret Sands“ betört durch mehrstimmige Vocals und feine Akustikinstrumente mit märchenhaftem Flow ähnlichh wie bei den Fleet Foxes in ihrem Song „Tiger Mountain Peasant Song“ oder bei The Other Lives.

„Everybody Needs You“ (siehe Video-Tipp unten) pulsiert, besitzt schönen Tieftondruck, das ist Folk-Pop par excellence, groovy und mit gewitzten Texten:
„two koi fish
turn in the sky
one’s in your brain
the other’s in your thigh“

Auf „Seven Falls“ schimmert der Synthie sympathisch wie Morgentau auf einer Frühlingswiese. Pianotupfer, Pedal Steel färben dazu das Ganze feinsinnig um eine sensible, eingängige, aber nicht abgewetzte Melodie: Ein Ausflug im alten VW-Bully in die Mojave-Wüste. Johnny Depp und Neil Young fahren mit.

Was für eine Stimme – im Song „Mountains Of The Moon“ singt Laura grazil, vollmundig wie Anna Ternheim… oder Mary Black, dazu eine flirrende Orgel.

„Watch Fire“ kommt mit fein gezupfter Akustikgitarre, peitschenden, trockenen Drums und Westcoast-Appeal nebst wandlungsfähiger Stimme von hell-zart bis kraftvoll-energisch.

Der Titeltrack beeindruckt paukig-bauchig, mit stampfendem Rhythmus und Gutelaune-Stakkatos. Ein Stück über und für kostbare, vertrauensvolle Beziehungen.

„The Canyon“ webt ein Americana-Ambiente, in dem Rinder auf der Weide grasen oder ein alter, verrosteter Pick-up vor der Ranch stehen könnte. Das Ganze schwingt sich auf zum Country-Rock, um dann wieder in kuscheliges Lagerfeuer-Ambiente abzudriften – wie es einst Poco inszenierten.

Der Schlusssong „Zozobra“ könnte auch vom leider sehr früh verstorbenen Jeff Buckley stammen – ein psychedelischer Ausflug mit dezenten E-Gitarren und fragiler Stimme.

Live spielt Laura leider nicht in Deutschland, aber zum Beispiel in Frankreich: Wer mag, kann mit dem TGV nach Paris düsen: am 29. Mai spielt sie im „Le Café de la Danse“.

Laura Veirs The Lookout erscheint bei Pias Coop/Bella Union (Rough Trade) als CD, LP, MP3-Download oder Stream, z.B. bei amazon.de.

Video-Tipp

Video zum Song „Everybody Needs You“ (Regie Lance Bangs; Nirvana, Sonic Youth, Green Day, Belle & Sebastian)

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Laura Veirs The Lookout
2018/04
Test-Ergebnis: 4,3
SEHR GUT
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.