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Leifur James A Louder Silence
Starke Klangfarbenkontraste beherrscht der englische DJ, Producer und Soundtüftler ebenso wie sanft abgestufte Sound-Schattierungen: sein Debut-Album A Louder Silence (Foto: A. Kozobolis)

Leifur James A Louder Silence – das Album der KW 41

Kleiner Tipp: öfter mal auf die Älteren hören. Von seinem Onkel erhielt Leifur James eines Tages einen guten Rat: „Every detail should be a worthy detail, and sometimes nothing is better than something“. Jedes Detail sollte seinen Zweck, seine Bedeutung haben – und lieber mal etwas weglassen anstatt zu viel sinnloses Beiwerk aufeinanderzustapeln. Vermutlich auch mit diesem Ratschlag im Kopf entwarf der Londoner DJ und Producer die quasi-instrumentellen, famos strukturierten Soundscapes für sein Debütalbum. Der programmatische Titel: „Leifur James A Louder Silence – unser Album der KW 41.

Ein, zwei Mal singt der Künstler tatsächlich auf Leifur James A Louder Silence; er klingt dann (in „Suns Of Gold“ und „Mumma Don’t Tell“) ein wenig nach Bill Withers. Ansonsten bahnt er sich der englische Studiotüftler seinen Weg durch die Musikgeschichte von den 70er-Jahren bis zur Gegenwart in neun Instrumentalkompositionen, die zum spannendsten gehören, was es derzeit zu hören gibt.

Das liegt weniger am reinen Klangfarbenreichtum von Leifur James A Louder Silence, obwohl dieser so beträchtlich wie anregend ausfällt.

„Alpine“ eröffnet das Programm mit ambientartigen Synthiewogen, in das sich jazzige Beats und ebensolche Pianolinien mischen, „Time“ nimmt sich 5:22 Zeit für ein elektrolastiges Big-Band-Arrangement mit Hammondorgel, Synthies, Saxofon und E-Gitarren, in „Night And Day“ kontrastiert einen technoiden Groove mit expressiven Celloklängen.

„Salaninam“ wiederum huldigt der Musik Westafrikas mit einem Auftritt des gambischen Kora-Spielers und Griot-Poeten Jali Bakary Konteh. „Red Sea“ rückt ein fahles Saxofon ins Zentrum des Arrangements, und in dem großartigen Siebenminüter „Argonaut“ begegnen die Live-Drums von Gastschlagzeuger Jim Macrae einer tranceartiger Kulisse voll sphärischer Loops und beinahe Keith-Jarrett-nahen Tastensounds.

Die Gitarre in „Uncle Blue“ wiederum spielt der eingangs erwähnte Onkel von James, ihr Sound liegt auf halbem Wege zwischen traditionellen Bluesfragmenten und Crossover-Klängen im Stil von Wes Montgomery. „Osho“ und auch Teile von „Red Sea“ verneigen sich schließlich subtil vor dem züngelnden Soulfunk der Temptations.

Aber mehr noch als die Sounds an sich ist es die Mischung aus Konzentration und Coolness, die Leifur James A Louder Silence  turmhoch von ähnlichen Produktionen abhebt. Keine Note zu viel und keine zu wenig gibt es hier ganz gemäß Onkels Rat zu hören.

Und auch seinen Background als cellospielender Sohn einer ausgebildeten Pianistin reflektiert Leifur James auf A Louder Silence – seine Hinwendung zur modernen elektronischen Musik wirkt nie rein technokratisch oder club- beziehungsweise dancefloor-orientiert, sondern überzeugt stets als organische Zusammenführung von Genres wie Jazz, Blues und Soul.

Nie verliert sich dieser immens reflektiert arbeitende Grenzgänger zwischen den diversen Szenen der Londoner Gegenwartsmusik in Banalitäten oder degradiert seine Tracks zur musikalischen Tapete, sondern schafft Klangräume, so luftig, anregend und streng strukturiert, als wären es architektonische Entwürfe von Zaha Hadid, die mit ihrer „parametrischen“, fließend-eleganten Komplexität bezaubern.

Immer wieder reizvoll in dubbigen Hallräumen reflektiert, zeigt diese Minimal Music 4.0, diese „Musique Moderne“ der @-Generation, was im Umfeld von Neutönern wie dem Portico Quartett und Kamasi Washington noch alles möglich ist und setzt fort, was Pioniere wie DJ Shadow in den 90er-Jahren begonnen haben.

Ideale Heimstätte für diesen Sound: das 2013 gegründete Londoner Szenelabel Night Times Stories, bei dem auch Acts wie Garden City Movement oder Rae & Christian an einer Weiterentwicklung digital-analoger Klangwelten tüfteln.

Schon lange wurden die Genregrenzen zwischen Jazz, Elektrosoul, HipHop und zeitgenössischer Digitalmusik also nicht mehr so subtil und stilsicher aufgelöst wie auf Leifur James A Louder Silence.

Das Album zaubert Club-Musik, die weit über loungige Beliebigkeit hinausgeht und auch im Wohnzimmer perfekt funktioniert: Mehr geht nicht, was dieses Genre betrifft.

Leifur James A Louder Silence
Leifur James A Louder Silence (Cover: Amazon)

Leifur James A Louder Silence erscheint bei Night Times Stories im Vertrieb von Cargo und ist erhältlich als CD, LP und MP3-/hi-res-Download.

Leifur James A Louder Silence
2018/10
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Autor: Christof Hammer

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Seit vielen Jahrzehnten Musikredakteur mit dem Näschen für das Besondere, aber mit dem ausgewiesenen Schwerpunkt Elektro-Pop.