Die Covid-Pandemie hat da viel bewegt: Auf einmal konnten sich Künstler nur noch im kleinen Umfeld darstellen und nutzten dafür mehr und mehr das Worldwideweb als Plattform. Heute hat Covid seinen Schrecken weitgehend verloren, aber das Web als Plattform blieb. Lowbeats.de präsentiert deshalb jetzt regelmäßig neben audiophilen und künstlerisch wertvollen Musik-Tipps auf CD oder LP auch spannende, vielfältige Musikthemen, die online auf Musikfreunde warten. Das verspricht gleich mehrfaches Musikvergnügen – wie schon Musik im Netz Vol1 zeigt: Denn diese Highlights gibt’s so meistens nicht auf Tonträger, sondern so nur im Netz, es ist fast immer ein Video hinterlegt und das Ganze ist auch noch gratis…
Selbstredend lassen sich die Online-Quellen nicht mit HighEnd-HiRes-Maßstäben messen. Aber: Streaming-/Netzwerk-Player, Streaming-fähige “smarte” Lautsprecher wie die von Canton, Inklang und KEF oder clevere DAC-Tools in USB-Sticks für unterwegs werten die Musik aus dem Internet kräftig auf.
Unser Anspruch ist damit klar: Die Faszination von vielfältigen Musikthemen im Netz Musik- und HiFi-Freunden näher zu bringen. Darunter gibt’s Videoclips, Live-Sessions bei verschiedenen Gastgebern, Konzerte, Interviews oder Streaming-Tipps. Als Extra gibt’s Links zum aktuellen Album oder zu Archiv-Highlights.
Natürlich bewerten wir diese Angebote mit dem VU-Meter von LowBeats.de. Bei jedem Tipp vergeben wir folgende Bewertungen: Musik / Bild / Klang / Fit für die Festplatte (im Sinne von Repertoirewert) sowie eine Gesamtwertung.
Also: Ab ins Netz!
Unsere Funde zur Musik im Netz Vol1
♦ Singer-Songwriter Jackson Browne & Leslie Mendelson „Live From The Telefunken Lab“
♦ Jazz-Ass Chief Yian A Tunde Adjuah (Christian Scott):
Session in der Elbphilharmonie
♦ Multi-Task-Musikerin Sophie Hunger:
„RoyalAlbertHome“ + Videoclip
♦ Neo-Klassik-Pianistin Hania Rani
Session-Video zum neuen Album „On Giacometti“ + Video „Con Moto“ mit Dobrawa Czocher
♦ Nobel-Rocker U2
„Tiny Desk Session“ zum aktuellen Album „Songs Of Surrender“ + Vintage-Videoclip
♦ Prog-Rocker Rush
„Signals – 40th Anniversary Edition“, Box-Set und frische Visualizer zu Songs vom Rush-youtube-Kanal
Singer-Songwriter Jackson Browne & Leslie Mendelson „Live From The Telefunken Lab“ Westcoastler Jackson Browne schreibt mit seinen 74 Jahren immer noch gehaltvolle Songs und Alben, wie sein aktuelles Werk „Downhill From Everywhere“. Einige Stücke erinnern stark an frühere Songs, über die Browne mit mir in den 1990er Jahren im Hamburger Hotel Atlantik im Interview gesprochen hat.
Im Lauf seiner Musikerjahre hat der gebürtige Heidelberger aber auch unzählige Teamworks geformt, allen voran mit Gitarren-Kumpel David Lindley. Aber auch die Eagles (schließlich schrieb er in den 1970ern den Hit „Take It Easy“) oder haitianische Musiker zählen zu seinen Kollaborateuren.
In Leslie Mendelson hat Browne eine junge, von ihm geschätzte Singer-Songwriter-Kollegin gefunden, mit der er einige Auftritte absolvierte. Anmutig dabei, das Duett „Human Touch“, geschrieben von den beiden und Steve McEwan. Letzterer schrieb unter anderem erfolgreiche Songs für James Blunt, James Morrison oder Eminem.
Mit Leslie Mendelson hielt McEwan zudem Akustiksessions im Rahmen von „Live From The Lab“ aus dem Städtchen South Windsor im US-Bundesstaat Connecticut, zwischen New York und Boston gelegen. Dahinter steckt der Brand Telefunken, ehedem renommierte deutsche Elektro-/Elektronikmarke sowie dank Ingenieur Walter Bruch Pionier des PAL-Farbfernseh-Systems. Nach der Firmenauflösung wurde die Marke filetiert, in den USA steht sie nach wie vor für hohe Qualität in puncto Mikrofon- und Studiotechnik. Und dort in South Windsor finden die Sessions im „Lab“ statt, ursprünglich eingefangen mit 24Bit-/48kHz-Auflösung mit Top-Telefunken-Mikrofonen.
Live-Take „Life From The Lab“ at Telefunken Soundstage im US-Bundesstaat Connecticut
Kein Wunder also, dass der Unplugged-Ton selbst via YouTube noch klasse präzise und feindynamisch rüberkommt, das Bild zu den Live-Sessions von Leslie Mendelson mit Steve McEwan und Jackson Browne wirkt jeweils recht ansprechend.
Bewertung
Leslie Mendelson, aktuelles Album: „If You Can’t Say Anything“
Jazz-Ass Chief Yian A Tunde Adjuah (Christian Scott): Session in der Elbphilharmonie
Christian Scott alias Chief Yian A Tunde Adjuah (sein westafrikanischer Name) zählt mit seinen 40 Jahren zu den geschätzten Größen im Neo-Jazz-Business. Das 40-jährige Talent aus New Orleans, frönt dem Electric Jazz und Post-Bop mit seiner Trompete, haucht seinen Songs aber auch HipHop und Post-Rock-Elemente ein.
Mit zwölf Jahren bekam er seine erste eigene Trompete von Mutter und Großmutter geschenkt. Onkel Donald Harrison, seines Zeichens Jazz-Saxofonist, unterstützte den Neffen ebenso. Nach Stationen am „New Orleans Center For The Creative Arts“ und an der „Berklee School Of Music“ in Boston wurde er 2004 Teil des Berklee Monterey Quartetts. Mit seinem Album-Debüt „Rewind That“ startete er dann durch und benutzte auch seinen westafrikanischen Namen Christian a Tunde Adjuah. 2018 wurde er mit dem Album „The Emancipation Procrastination“ für den Grammy als bestes zeitgenössisches Instrumental-Album nominiert, sein 2020er Live-Album „Axiom“, aufgenommen im renommierten Blue Note Club New York, erhielt sogar zwei Grammy-Nominierungen, darunter für seine Version von David Crosby’s „Guinnevere“.
Auf der Plaza der schönen Hamburger Elbphilharmonie gab er eine akustisch wie optisch sehr beeindruckende Session mit seinen Bandmates, Elena Pinderhughes (Flöte), Lawrence Fields (Keyboards), Max Mucha (Bass), Elé Howell und Alexander Flood (beide Drums) sowie Weedie Braimah (Percussion).
Bewertung
Christian Scott (Yian a Tunde Adjuah) aktuelles Album „Axiom“
Multi-Task-Musikerin Sophie Hunger „RoyalAlbertHome“ + Videoclip
Die Schweizerin hat entgegen der verbreiteten – natürlich ganz und gar unberechtigten –Vorurteile über die Eidgenossen richtig Pfeffer im Blut. Dazu eine gehörige Portion Kreativität, Virtuosität – und Mut. Ihre Stimme biegt sie äußerst charmant auf Französisch, Schweizerdeutsch oder Deutsch in dehnbare oder punktiert-akzentuierte musikalische Lyrik. Ihre Songs schreibt sie mit einem klasse Händchen für Singer-Songwriter- sowie Chanson-/Folkkunst und hat auch rockige bis jazzige oder elektronische Töne drauf.
Während der Corona-Pandemie blieb Sophie zuhause, bevor sie wieder auf Tour ging und beispielsweise auch bei so renommierten Veranstaltungen wie den „Stuttgarter Jazzopen“ gastierte. In ihrem Schweizer Domizil nahm sie unter „RoyalAlbertHome“, der Zuhause-Reihe der Londoner Royal Albert Hall, eine packend-quirlige Session auf. Reduzierte Fassungen, kleine Rohdiamanten aus ihrer umfangreichen Singer-Songwriter-Audiothek, akustisch sehr direkt, knackig-frisch und druckvoll eingefangen.
Als Zugabe gibt’s noch einen Song der französischen Band Noir Désir, im Original vorgetragen von Sänger Bertrand Cantat, der vor einigen Jahren wegen Totschlags an seiner Freundin in den Knast wanderte. Sophie trägt „Le Vent Nous Portera“ im Gänsehaut-Modus vor.
Bewertung
Sophie Hunger, aktuelles Album „Halluzinationen“
Neo-Klassik-Pianistin Hania Rani Session-Video zum neuen Album „On Giacometti“
Die polnische Pianistin Hania Rani stieg leise, aber sehr konsequent und ausdauernd in Richtung Rampenlicht auf. Ihr Markenzeichen: Minimalistisches, auf- und abwallendes Spiel, das sphärisch bis sogar trance-artig wirkt. Ihre Spielkunst führte die 32-Jährige aus Danzig bereits um die halbe Welt, mit Live-Einlagen in Paris, übrigens als komplettes Konzert auch im Netz zu sehen (ohne Bewertung). Für den Schweizer Bildhauer, Maler und Grafiker komponierte Hania Rani in dessen Heimatregion deren neues Album „On Giacometti“. Der aktuelle Teaser zum Werk verwöhnt mit über 26 opulenten Minuten, gefilmt in sepia/-schwarz-weiß in einem alten Haus in Stampa/Graubünden.
Sehr atmosphärisch, akustisch schön räumlich eingefangen, inklusive Tür-Knarzen. Eine Ode an die Werke des Künstlers, von Ranis Schreibfeder eingebunden in die Stille und Erhabenheit der Schweizer Berge.
Hania Rani, aktuelles Album „On Giacometti“
Nobel-Rocker U2 „Tiny Desk Session“ zum aktuellen Album „Songs Of Surrender“ + Vintage-Videoclip
Bono und Gitarrist The Edge von U2 gaben sich neulich im Studio des Radionetzwerks NPR die Ehre. Der Radiosender aus Washington D.C. bietet seit einigen Jahren Musikern im Rahmen seiner „Tiny Desk“-Sessions ein eigenständiges Forum. Im heimeligen, intimen Redaktionsraum-Ambiente können die geladenen Gäste rund 20 Minuten Songs „unplugged“ zum Besten geben. Eine feine, schlaue Idee. Zumal Ton- und Kameratechnik meist klasse ausfallen.
Natürlich ist für eine Session meist ein aktuelles Album oder eine Tour der Anlass. Für Bono und The Edge ist das ihre aktuelle, sehr spezielle Art „Best of“ namens „Songs of Surrender“. Hinterm Tiny Desk spielen die beiden frisch und vital ohne Elektronik – Vocals und Akustikgitarre sowie ein Chor mit Studenten der „Duke Ellington School Of The Arts“ machen Songs wie „Beautiful Day“ zum Fest. Eine schöne Variante von U2-Songs, die es so nicht zu kaufen gibt.
Die beiden reifen U2-Männer anno 2023 wecken Erinnerungen an U2 in ihren 1980er Jahren also Bono & Co noch grün hinter den Ohren waren. Aber bereits packende, Energie-geladene Songs und Hits schrieben, wie ihren Klassiker „Pride (In The Name Of Love)“ vom 1984er Album „The Unforgettable Fire“.
Die Iren haben wie viele andere KollegInnen auf YouTube einen eigenen Channel (2,71 Millionen Abonnenten), auf dem sie Songs parat halten – oft klanglich remastered und optisch aufpoliert wie hier: Den historischen Clip ließen sie auf 4K skalieren, der Klang des knapp 40 Jahre alten Songs geht knackig in Ordnung. Ein schöner Kontrast zu sehen, wie sich der jugendfrische Bono von einst zum heutigen Musik-Gentleman verändert hat.
Bewertung
U2, aktuelles Album „Songs Of Surrender“
Prog-Rocker Rush: frische Visualizer zu Album-Songs vom Rush-YouTube-Kanal
Der kanadische Progressive-Rock-Dreier steht seit den 1970er Jahren für formidable Studio- und Live-Performance. Mit ihrem neunten Studioalbum drifteten Sänger, Bassist und Keyboarder, Synthesizer-Mann Geddy Lee, Drummer und Lyriker Neil Peart (leider 2020 verstorben) und Alex Lifeson (Gitarre) in poppigere Gefilde. Es sollte zudem das letzte gemeinsame Werk mit ihrem langjährigen Produzenten Terry Brown sein.
Für das aktuelle opulente Box-Set „Signals“ muss der Fan beinahe schlappe 300 Euro auf den Tisch des Hauses blättern. Für den Obulus for Fans only, gibt’s unter anderem Singles, Buch, Lithografien, eine Halfspeed-LP sowie HiRes- und Dolby-Atmos-Mixe. Empfehlung für Nicht-Fans oder Zeitgenossen mit weniger prallem Geldbeutel: Die remasterte, adrett aufgemachte Picture-Disc, gestaltet vom kanadischen Rush-Grafiker-Kumpel Hugh Syme, dessen Kunst mit dem „Juno Award“ ausgezeichnet wurde. Gut: Die LP punktet dank des Remasters von 2015 mit etwas substanziellerem Klang.
Online locken dazu auf dem Rush-YouTube-Kanal recht liebevoll inszenierte „Visualizer“ von einigen Songs des Albums, darunter „Losing It“, ein zartbitteres Highlight des Albums, garniert mit einem klasse E-Violinensolo von Gastmusiker Ben Mink. Also: Picture-Disc auf den Plattenteller und die Visualizer dazu online genießen …
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